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BVerwG - Entscheidung vom 09.12.2020

8 C 15.19

Normen:
MOG (i.d.F. v. 24.06.2005) § 10 Abs. 1 S. 1
MOG (i.d.F. v. 24.06.2005) § 10 Abs. 3
VwVfG § 48
VwVfG § 49a Abs. 1 S. 1
VwVfG § 49a Abs. 2

BVerwG, Urteil vom 09.12.2020 - Aktenzeichen 8 C 15.19

DRsp Nr. 2021/7031

Rückforderung von Lagerkostenvergütungen für die Einlagerung von Zucker im Zuckerwirtschaftsjahr; Berechnung der Vergütung auf Grundlage monatlicher Erhebungen über die gelagerten Mengen

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Normenkette:

MOG (i.d.F. v. 24.06.2005) § 10 Abs. 1 S. 1; MOG (i.d.F. v. 24.06.2005) § 10 Abs. 3 ; VwVfG § 48 ; VwVfG § 49a Abs. 1 S. 1; VwVfG § 49a Abs. 2 ;

Gründe

I

Die Klägerin, ein Unternehmen der Zucker erzeugenden Industrie, wendet sich gegen die Rückforderung von Lagerkostenvergütungen für die Einlagerung von Zucker im Wirtschaftsjahr 1990/1991.

Ihr wurden in dem genannten Zuckerwirtschaftsjahr auf ihre monatlichen Anträge Lagerkostenvergütungen in einer Gesamthöhe von umgerechnet 19 747 041,59 € gewährt. Nach einer Marktordnungsprüfung 1997 und mehrjährigen Ermittlungen legte das Zollfahndungsamt am 12. Februar 2002 einen Schlussbericht zum Tatvorwurf der Steuerhinterziehung vor; parallel erstellten die am Ermittlungsverfahren beteiligten Betriebsprüfer der Beklagten am 28. Februar 2002 unter anderem betreffend das hier streitgegenständliche Zuckerwirtschaftsjahr einen Schlussbericht zur Schadenshöhe infolge Subventionsbetrugs. Dieser wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin im April 2002 übersandt. Zur beabsichtigten Teilrücknahme der Bewilligungen von Lagerkostenvergütungen nahm die Klägerin mit Schreiben vom 20. August 2002 Stellung.

Mit Bescheid Nr. 802 262 vom 30. Januar 2003 hob die Beklagte die Festsetzungen der Lagerkostenvergütungen mit Wirkung für die Vergangenheit in Höhe von insgesamt 963 942,98 € auf und forderte diesen Betrag zurück. Die Klägerin habe in ihren Anträgen überhöhte Zuckermengen abgerechnet. Unter anderem habe sie insgesamt 87 238 dt WW (Weißzuckerwert) von ihr gekauften französischen Quotenzuckers als lagerkostenvergütungsfähigen Zucker in ihre Lagerkostenvergütungsanträge von Juni bis September 1990 eingestellt und gleichzeitig unzulässigerweise als Abgang von C-Zucker aus eigener Erzeugung verbucht. Außerdem habe sie 17 308 dt WW des ohne Lagerung wieder exportierten französischen Zuckers um einen Monat verspätet als Abgang angegeben. In dem Bescheid stellte die Beklagte zugleich dem Grunde nach fest, dass der zurückgeforderte Betrag vom Zeitpunkt des Empfangs der Vergütung an zu verzinsen sei; die Berechnung des Zinsbetrages behielt sie einem gesonderten Zinsbescheid vor. Zur Begründung ihres Widerspruchs berief sich die Klägerin unter anderem auf die Verjährung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2006 beschränkte die Beklagte die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung auf 638 740,90 € und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

Das Verwaltungsgericht hat die ergangenen Bescheide wegen eines anderen, im Revisionsverfahren nicht mehr streitgegenständlichen Sachverhaltskomplexes in Höhe von 113 226,46 € sowie insoweit aufgehoben, als die Verzinsungspflicht auch bezüglich des restlichen Rückforderungsbetrages für den Zeitraum vor dem 31. Januar 2003 festgestellt worden war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat den nach diesem Urteil noch verbleibenden Rückforderungsbetrag an die Beklagte gezahlt und mit ihrer Berufung auch eine Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung des genannten Betrages nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz beantragt. Das Oberverwaltungsgericht hat dem Europäischen Gerichtshof mehrere Fragen zur Zulässigkeit des Zuckeraustausches vorgelegt. Nach der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs mit Urteil vom 11. Juni 2015 - C-51/14 [ECLI: EU: C: 2015: 380] - (ZfZ 2016, 43 ) hat das Oberverwaltungsgericht die Klage auf die Berufung der Beklagten auch insoweit abgewiesen, als die angefochtenen Bescheide das Bestehen einer Zinspflicht für den Zeitraum ab dem 1. Januar 1999 feststellen. Im Übrigen hat es die Berufungen zurückgewiesen. In Höhe des im Berufungsverfahren noch streitigen Betrages von 525 514,44 € seien der Klägerin zu Unrecht Lagerkostenvergütungen bewilligt worden. Die nach der bindenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bestehenden Voraussetzungen für einen Statuswechsel von C-Zucker zu vergütungsfähigem Zucker nach dem Austausch gegen Quotenzucker hätten nicht vorgelegen, weil der Austauschzucker nicht in demselben Mitgliedstaat hergestellt worden sei. Auch die verspätete Abgangsmeldung einer Teilmenge des französischen Zuckers durch die Klägerin habe zu einer überhöhten Bewilligung geführt. Der Erstattungsanspruch der Beklagten sei nicht verjährt. Die nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 geltende Verjährungsfrist von vier Jahren ab Begehung der Unregelmäßigkeit habe frühestens am 20. Januar 2000 zu laufen begonnen, weil die Klägerin bis dahin Vergütungsanträge mit überhöhten Zuckermengen gestellt habe. Damit liege eine wiederholte Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 vor. Der Rückforderungsbescheid sei der Klägerin vor Ablauf der Verjährungsfrist zugegangen. Weiterer Maßnahmen zur Durchsetzung des Erstattungsanspruchs habe es nicht bedurft. Der Zinsanspruch sei, soweit er die Zeit ab dem 1. Januar 1999 betreffe, ebenfalls nicht verjährt.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Revision vor, der Rückforderungsanspruch sei nach Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 und jedenfalls in Anwendung der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit verjährt. Die Voraussetzungen einer wiederholten Unregelmäßigkeit seien nicht erfüllt. Die Sachverhaltskomplexe des französischen Quotenzuckers dürften nicht mit anderen als Unregelmäßigkeit anerkannten Sachverhaltskomplexen zu einer wiederholten Unregelmäßigkeit verklammert werden. Auch Rechtsverstöße aus nachfolgenden Zeiträumen, wegen derer kein Rückforderungsbescheid ergangen sei, dürften nicht als Wiederholung berücksichtigt werden. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Juni 2015 (C-52/14 [ECLI: EU: C: 2015: 381]) ergebe sich nichts Anderes. Es habe dazu keine bindenden einzelfallbezogenen Aussagen zur Klägerin getroffen, sondern lediglich Auslegungshinweise erteilt. Jedenfalls aber sei der Rückforderungsanspruch mit Ablauf der absoluten Verjährungsfrist von acht Jahren nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 erloschen. Wegen der mittlerweile über zwanzigjährigen Dauer des Verfahrens folge die Verjährung auch aus höherrangigem Recht.

Hilfsweise macht die Klägerin geltend, nach Art. 34 bis 36 AEUV müsse der gegen eigenen C-Zucker eingetauschte französische Quotenzucker als vergütungsfähige Lagermenge behandelt werden, weil Quotenzucker als Handelsware innerhalb des gemeinsamen Zuckermarktes frei vermarktet werden dürfe. Weder das Oberverwaltungsgericht noch der erkennende Senat seien insoweit an die in der Sache unrichtige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Juni 2015 in der Rechtssache C-51/14 gebunden. Vielmehr sei ein neues Vorabentscheidungsverfahren durchzuführen. Der Gerichtshof habe die Gewährleistung rechtlichen Gehörs verletzt, indem er überraschend angenommen habe, die Beschränkung des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2670/81 müsse auch bei der Gewährung von Lagerkostenvergütungen als Voraussetzung für das Funktionieren des Quotensystems beachtet werden. Eine Regionalisierung der Austauschmöglichkeit im Rahmen der Gewährung von Lagerkostenvergütungen sei unverhältnismäßig.

Die Klägerin beantragt,

1.

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Januar 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. November 2009 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2003 (Nr. 802 262) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2006 (Az. 221-324-2003-83) auch bezüglich des verbliebenen Rückforderungsbetrages von 525 514,44 € aufzuheben,

2.

die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 525 514,44 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Berufungsurteil.

II

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO ). Die Rückforderung von Lagerkostenvergütungen ist rechtmäßig (1.). Der Erstattungsanspruch der Beklagten ist nicht verjährt (2.). Die Klägerin hat deshalb auch keinen Anspruch auf Rückzahlung und Verzinsung des von ihr gezahlten Erstattungsbetrages (3.). Die Beklagte durfte für den Zeitraum ab dem 1. Januar 1999 feststellen, dass der Erstattungsanspruch dem Grunde nach zu verzinsen ist (4.).

1. Die Rücknahme der Bewilligung und die Rückforderung der konkludent durch Auszahlung an die Klägerin gewährten Lagerkostenvergütungen im Zuckerwirtschaftsjahr 1990/1991 sind im verfahrensgegenständlichen Umfang rechtmäßig. Rechtsgrundlage dafür ist § 10 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz - MOG -) in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides geltenden Fassung vom 24. Juni 2005 (BGBl. I S. 1847 ) i.V.m. § 48 Abs. 2 bis 4 , § 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG . Die Bewilligung von Vergütungen war in dieser Höhe, die nach den das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO ) rechnerisch der anteiligen Lagerkostenvergütung für Zucker in der Menge des importierten französischen Quotenzuckers entspricht, rechtswidrig.

a) Bezüglich dieser Zuckermenge lagen die Voraussetzungen für die Gewährung von Lagerkostenvergütungen nicht vor. Der von der Klägerin in die Gesamtmenge des von ihr gelagerten Zuckers im Vergütungsantrag für Juni 1990 eingerechnete C-Zucker war weder als solcher noch im Umfang des zum Austausch importierten französischen Quotenzuckers lagerkostenvergütungsfähig. Weil Letzterer nicht im Inland produziert worden war, durfte die ihm entsprechende Menge an C-Zucker nicht als lagerkostenvergütungsfähiger A-Zucker behandelt werden.

Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1358/77 des Rates vom 20. Juni 1977 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für den Ausgleich der Lagerkosten für Zucker und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 750/68 (ABl. L 156 S. 4) wird für den hier maßgeblichen Zeitraum die Vergütung für Lagerkosten für Zucker unter anderem für nicht denaturierten Weiß- und Rohzucker und bestimmte Sirupe nur dann gewährt, wenn sie im Rahmen der Höchstquote erzeugt und in einem von dem Belegenheitsmitgliedstaat anerkannten Lager gelagert wurden. Die Vergütung wird nach Art. 4 der Verordnung auf Grundlage monatlicher Erhebungen über die gelagerten Mengen berechnet. Die dem Unternehmen zuzuteilende Höchstquote für den von ihm erzeugten Zucker ergibt sich aus Art. 24 der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. L 177 S. 4) i.V.m. Art. 25 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3330/74 des Rates vom 19. Dezember 1974 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. L 359 S. 1) und Art. 26 ff. der Verordnung (EG) Nr. 2038/1999 des Rates vom 13. September 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. L 252 S. 1). Sogenannter C-Zucker, der die Summe der A- und B-Quoten des zuckererzeugenden Unternehmens überschreitet (vgl. Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81), ist nicht innerhalb der Höchstquote erzeugt und deshalb nicht lagerkostenvergütungsfähig. Er ist nach Art. 26 der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 aus der Gemeinschaft auszuführen.

Der von der Klägerin in ihre Vergütungsanträge eingestellte C-Zucker stellte auch nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1998/78 der Kommission vom 18. August 1978 über Durchführungsbestimmungen zur Regelung des Ausgleichs der Lagerkosten für Zucker (ABl. L 231 S. 5) keinen vergütungsfähigen, innerhalb der Höchstquote der Klägerin erzeugten Zucker dar. Nach dieser Regelung wird eine über die Höchstmenge hinaus erzeugte Zuckermenge, die bei der Ausfuhr durch eine entsprechende Menge Zucker ersetzt wird, die innerhalb der Höchstquote erzeugt wurde, von dem Tag an, an dem die Ausfuhrzollförmlichkeiten erfüllt sind, für die Gewährung der Vergütung als innerhalb der Höchstquote erzeugt angesehen. Nach der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs im vorliegenden Verfahren legt Art. 14 Abs. 3 der Verordnung lediglich den Zeitpunkt fest, an dem eine vorschriftsmäßig durch Quotenzucker ersetzte C-Zuckermenge bei der Berechnung der Lagerkostenvergütung als vergütungsfähiger Zucker anzusehen ist (EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - C-51/14 - ZfZ 2016, 43 = juris Rn. 30). Die Vorschriftsmäßigkeit des Zuckeraustausches und damit der Statuswechsel des C-Zuckers zu lagerkostenvergütungsfähigem Quotenzucker hängt von den Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2670/81 der Kommission vom 14. September 1981 mit Durchführungsbestimmungen für die Erzeugung außerhalb von Quoten im Zuckersektor (ABl. L 262 S. 14) ab. In der im hier maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung dieser Regelung konnte ein Hersteller bei der Ausfuhr C-Zucker durch einen anderen Weiß- oder Rohzucker in unverändertem Zustand der Tarifnummer 17.01 des Gemeinsamen Zolltarifs oder C-Isoglukose durch eine andere Isoglukose austauschen, die von einem anderen auf dem Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats ansässigen Hersteller erzeugt worden waren. Das traf auf den von der Klägerin im Rahmen des Vergütungsantrages als Austauschzucker eingesetzten, außerhalb Deutschlands erzeugten französischen Quotenzucker nicht zu. Mithin durfte sie die dem französischen Zucker entsprechende Menge an von der Klägerin hergestelltem C-Zucker nicht in ihren Gesamtbestand lagerkostenfähigen Quotenzuckers einrechnen.

Die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist nach Art. 267 AEUV , Art. 91 Abs. 1 VerfOEuGH für alle mit demselben Verfahrensgegenstand befassten Gerichte einschließlich des Revisionsgerichts bindend (vgl. Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand August 2020, Art. 267 AEUV Rn. 102; EuGH, Urteile vom 24. Juni 1969 - C-29/68 [ECLI: EU: C: 1969: 27] - Firma Milch-, Fett- und Eierkontor GmbH, Hamburg, Slg. 1969 S. 167 (178) Rn. 3, vom 3. Februar 1977 - C-52/76 [ECLI: EU: C: 1977: 16] - Benedetti, Slg. 1977 S. 164 (183) Rn. 26 und vom 14. Dezember 2000 - C-446/98 [ECLI: EU: C: 2000: 691] - Fazenda Publica, juris Rn. 49 f.). Entgegen der Auffassung der Klägerin können deshalb weder das Berufungsgericht noch der erkennende Senat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs überprüfen. Der Anregung der Klägerin, die Sache erneut dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, war nicht zu folgen. Dessen Aussage, ein Zuckeraustausch setze auch im Rahmen der Gewährung von Lagerkostenvergütungen die Herstellung des Austauschzuckers im Hoheitsgebiet des antragstellenden Herstellers voraus, ist klar und deutlich und bedarf keiner erneuten Erläuterung (vgl. Art. 104 Abs. 2 VerfOEuGH). Der Europäische Gerichtshof hat in ebenso eindeutiger Weise die Frage nach der Vereinbarkeit der Regionalisierungsbestimmung mit Art. 34 und 35 AEUV bejaht. Dabei hat er auch nicht, wie die Klägerin meint, den in der Vorlage des Berufungsgerichts ausdrücklich erwähnten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit übersehen. Dies ergibt sich aus seiner eingehenden Begründung der sachlichen Rechtfertigung dieser Beschränkung. Das Verfahren wirft weder neue Rechtsfragen auf noch sieht der Senat neue Gesichtspunkte, die es rechtfertigen könnten, den Gerichtshof um eine weitere Vorabentscheidung zu ersuchen (zu den Kriterien einer erneuten Vorlage vgl. Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand August 2020, Art. 267 AEUV Rn. 103).

b) Die Bewilligung der Lagerkostenvergütung, welche nach den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts auf den auch für Juli 1990 noch einberechneten Bestand eigenen C-Zuckers im Austausch für importierten französischen Quotenzucker entfiel, war aus den vorgenannten Gründen sowie wegen des Exports des französischen Zuckers bereits im Vormonat ebenfalls rechtswidrig. Letzteres stellt auch die Klägerin nicht in Abrede.

c) Die sonstigen Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligung von Lagerkostenvergütungen liegen vor. Die Klägerin kann der Rücknahme keinen Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 VwVfG entgegenhalten. In der angefochtenen Höhe hat sie die Bewilligung durch Vergütungsanträge mit überhöhten Zuckermengen und damit durch Angaben herbeigeführt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig waren (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG ). Die Rücknahme ist innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erfolgt. Diese Entscheidungsfrist begann erst mit Eingang der Stellungnahme der Klägerin vom 20. August 2002 (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2019 - 8 C 9.18 - juris Rn. 28 m.w.N.) und war bei Zugang des Rückforderungsbescheids vom 30. Januar 2003 noch nicht abgelaufen.

2. Der infolge der Teilrücknahme der Bewilligungen von Lagerkostenvergütungen nach § 10 Abs. 3 MOG , § 49a VwVfG NRW entstandene öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Beklagten war im Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides noch nicht verjährt. Die hier anzuwendende vierjährige Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der europäischen Gemeinschaften (ABl. Nr. L 312 S. 1) begann erst mit der Stellung des letzten Vergütungsantrages mit einer überhöhten Zuckermenge am 20. Januar 2000 zu laufen, weil die Anträge der Klägerin bis dahin eine wiederholte Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Verordnung begründeten. Der Erlass des Rückforderungsbescheides am 30. Januar 2003 hielt die Frist der Verfolgungsverjährung ein. Allgemeine Grundsätze des Unionsrechts stehen dem nicht entgegen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des zwischen den Beteiligten ergangenen Urteils des Senats vom selben Tage im insoweit gleich gelagerten Verfahren 8 C 14.19 verwiesen (vgl. dort 3.).

3. Die Klägerin greift mit ihrem umfassenden Klageantrag auch die Feststellung der Pflicht zur Verzinsung des Rückforderungsbetrages dem Grunde nach an, beschränkt ihr Revisionsvorbringen dazu allerdings auf die von ihr angenommene Verjährung der Hauptforderung. Diese ist - wie erörtert - nicht eingetreten. Auch im Übrigen ist die Feststellung der Verzinsungspflicht dem Grunde nach rechtmäßig. Zur näheren Begründung kann ebenfalls auf das Urteil des Senats im Verfahren 8 C 14.19 verwiesen werden (vgl. dort 4.).

4. Nachdem die Rückforderung in der von den Vorinstanzen gebilligten Höhe Bestand hat, bleibt die Revision auch hinsichtlich des Antrages der Klägerin auf Erstattung und Verzinsung des zwischenzeitlich vorsorglich von ihr gezahlten Rückforderungsbetrages ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO .

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 525 514,44 € festgesetzt.

Verkündet am 9. Dezember 2020