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BVerwG - Entscheidung vom 11.03.2020

8 BN 3.19

Normen:
SächsLKrO § 5 Abs. 3 S. 3
SächsLKrO § 17 Abs. 2 S. 1
GG Art. 28 Abs. 1 S. 2

BVerwG, Beschluss vom 11.03.2020 - Aktenzeichen 8 BN 3.19

DRsp Nr. 2020/7354

Pflicht der Kreistagsmitglieder zur Amtsverschwiegenheit i.R.d. Rechts auf freie Mandatsausübung; Geheimhaltung der für die Beratung von Verhandlungsgegenständen in Kreistagssitzungen erforderlichen Unterlagen

Die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht vermag die Zulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung und Anwendung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen.

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30. August 2019 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Normenkette:

SächsLKrO § 5 Abs. 3 S. 3; SächsLKrO § 17 Abs. 2 S. 1; GG Art. 28 Abs. 1 S. 2;

Gründe

§ 5 der Geschäftsordnung des Kreistags des Antragsgegners regelt die allgemeinen Pflichten der Kreisräte. Nach § 5 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung sind amtliche Angelegenheiten geheim zu halten, wenn die Verschwiegenheit durch Gesetz oder Beschluss vorgeschrieben oder nach der Natur der Sache - wie etwa bei Gremienvorlagen - erforderlich ist. Der auf die Gremienvorlagen bezogene Einschub ist durch Beschluss des Kreistags vom 19. Oktober 2016 mit Wirkung vom 1. Januar 2017 in die Vorschrift eingefügt worden. Ferner wurde durch diesen Beschluss § 9 Abs. 5 Satz 5 in die Geschäftsordnung aufgenommen. Danach ist das Kreistagsmitglied dafür verantwortlich, dass unbefugte Dritte keinen Zugriff auf Einladungen und Beratungsunterlagen nehmen können.

Das Oberverwaltungsgericht hat den gegen die Neuregelungen gerichteten Normenkontrollantrag abgelehnt und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die - fristgerecht eingelegte und begründete - Beschwerde der Antragsteller.

Die allein auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die sich inhaltlich überschneidenden Fragen (Nr. 1 a, c, und e der Beschwerdebegründung):

Ist es mit dem sich aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Recht auf freie Mandatsausübung vereinbar, wenn pauschal hinsichtlich sämtlicher für die Beratung von Verhandlungsgegenständen in Kreistagssitzungen erforderlichen Unterlagen, die vom Landrat bei der Einberufung des Kreistags und der Mitteilung der Verhandlungsgegenstände beizufügen sind, eine Pflicht der Kreistagsmitglieder zur Amtsverschwiegenheit statuiert wird, ohne dass es insoweit auf den Inhalt der Unterlagen ankäme?,

Besteht pauschal hinsichtlich sämtlicher für die Beratung von Verhandlungsgegenständen in Kreistagssitzungen erforderlichen Unterlagen, die vom Landrat bei der Einberufung des Kreistags und der Mitteilung der Verhandlungsgegenstände beizufügen sind, eine Pflicht der Kreistagsmitglieder zur Amtsverschwiegenheit, ohne dass es insoweit auf den Inhalt der Unterlagen ankäme?,

Sind sämtliche für die Beratung von Verhandlungsgegenständen in Kreistagssitzungen erforderlichen Unterlagen, die vom Landrat bei der Einberufung des Kreistags und der Mitteilung der Verhandlungsgegenstände beizufügen sind, pauschal Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich ist?,

rechtfertigen nicht die Zulassung der Grundsatzrevision. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt und erläutert werden, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung der aufgeworfenen, bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfragen des Bundesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ) oder einer der in § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO genannten Vorschriften führen kann (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91[amp]#62;, vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.[amp]#62; VwGO Nr. 26 und vom 2. Oktober 2018 - 8 B 31.18 - juris Rn. 4). Daran fehlt es hier.

a) Soweit das Normenkontrollgericht seine Entscheidung darauf gestützt hat, dass die Neufassung von § 5 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung mit der Sächsischen Landkreisordnung (SächsLKrO), namentlich mit der dort geregelten Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SächsLKrO) und dem Recht der Kreisräte auf freie Mandatsausübung (§ 31 Abs. 3 SächsLKrO), vereinbar sei, betreffen die dazu von den Antragstellern aufgeworfenen Fragen nach dem Umfang der Geheimhaltungspflicht das irrevisible Landesrecht, das nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein kann (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ).

Die Grundsatzrevision ist auch nicht deswegen zuzulassen, weil die Antragsteller geltend machen, dass die Auslegung des irrevisiblen Landesrechts - der Geschäftsordnung und der Sächsischen Landkreisordnung - durch das Normenkontrollgericht mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung und Anwendung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 2008 - 6 B 7.08 - Buchholz 451.20 § 12 GewO Nr. 1 Rn. 9, vom 8. Mai 2008 - 6 B 64.07 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 132 Rn. 5 und vom 2. Oktober 2018 - 8 B 31.18 - juris Rn. 6). Das leistet die Beschwerdebegründung nicht. Sie zeigt auch nicht auf, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundesrechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (vgl. dazu u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 21. September 2001 - 9 B 51.01 - Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 44, vom 19. August 2013 - 9 BN 1.13 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 56 Rn. 4 und vom 2. Oktober 2018 - 8 B 31.18 - juris Rn. 6). Sie beschränkt sich vielmehr im Wesentlichen darauf, die Interpretation des Landesrechts durch das Normenkontrollgericht zu kritisieren und ihm vermeintliche Verstöße gegen Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG vorzuhalten, ohne Grundsatzfragen zu dieser Verfassungsnorm darzulegen.

b) Grundsätzlichen Klärungsbedarf bezüglich der Annahme des Normenkontrollgerichts, § 9 Abs. 5 Satz 5 der Geschäftsordnung verletze auch im Übrigen kein höherrangiges Recht, hat die Beschwerde ebenfalls nicht dargelegt.

2. Soweit die Beschwerde die von ihr als grundsätzlich bezeichneten Fragen auch im Hinblick auf Unterlagen, die Gegenstand von Gemeinderatssitzungen sind, aufwirft (Nr. 1 b, d und f der Beschwerdebegründung), wären sie in dem angestrebten Revisionsverfahren - abgesehen von ihrer mangelnden Klärungsfähigkeit - nicht entscheidungserheblich, da die angegriffenen Regelungen der Geschäftsordnung ausschließlich Pflichten für die Kreisräte des Antragsgegners festlegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: OVG Sachsen, vom 30.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 4 C 12/17