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BVerwG - Entscheidung vom 15.12.2020

20 F 4.20

Normen:
VwGO § 99 Abs. 1 S. 1-2

BVerwG, Beschluss vom 15.12.2020 - Aktenzeichen 20 F 4.20

DRsp Nr. 2021/2442

Pflicht der Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und Auskünften hinsichtlich Abgabe einer Sperrerklärung aufgrund Geheimhaltungsbedürftigkeit der Dokumente (hier: Schwärzung von Dokumenten bzgl. der Europäischen Patentreform)

Tenor

Der Antrag des Klägers wird abgelehnt.

Normenkette:

VwGO § 99 Abs. 1 S. 1-2;

Gründe

I

Der Kläger begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren vollständigen Zugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu zwei Dokumenten der Beklagten betreffend die Europäische Patentreform (31 859/2014 und 31 835/2015).

Er ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und stellt auf einer Internetseite Informationen zur europäischen Patentreform bereit. Auf seine Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 13. Februar 2020 ( 2 BvR 739/17) das Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht, mit dem die Voraussetzungen für die Ratifikation des Übereinkommens durch die Bundesrepublik Deutschland geschaffen werden sollten, für nichtig erklärt.

Die Beklagte hat im Hauptsacheverfahren die zwei Dokumente mit teilweisen Schwärzungen vorgelegt. Sie hat zunächst fehlende Anlagen zum Dokument 31 859/2014 nachgereicht, einen geschwärzten Teil des Dokuments 31 859/ 2014 offengelegt sowie eine Dienstliche Erklärung eingereicht; insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht hat der Beklagten mit einem zu den weiteren Schwärzungen erlassenen Beweisbeschluss vom 27. November 2019 aufgegeben, die - im Einzelnen bezeichneten - Originaldokumente ungeschwärzt vorzulegen.

Daraufhin hat die Beklagte unter dem 24. Januar 2020 eine Sperrerklärung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO abgegeben, weil eine Offenlegung der geschwärzten Passagen dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten würde.

Auf den sinngemäßen Antrag des Klägers, die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung festzustellen, hat das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 9. April 2020 unter Erläuterung der Entscheidungserheblichkeit der geschwärzten Aktenbestandteile an den Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts zur Durchführung eines Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO abgegeben.

II

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Er ist zulässig. Das Verwaltungsgericht hat die Entscheidungserheblichkeit der begehrten Auskünfte für das Hauptsacheverfahren ordnungsgemäß bejaht.

Aus der durch § 99 VwGO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen dem Fachgericht und dem Hauptsachegericht folgt, dass zunächst das zur Sachentscheidung berufene Gericht zu prüfen und förmlich darüber zu befinden hat, ob und welche Informationen aus den Akten für eine Sachentscheidung erforderlich sind, bevor die oberste Aufsichtsbehörde nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO über die Freigabe oder Verweigerung der in Rede stehenden Aktenteile befindet. Hat das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit in einem Beschluss geprüft und bejaht, ist der Fachsenat grundsätzlich an dessen Rechtsauffassung gebunden. Eine andere Beurteilung durch den Fachsenat kommt nur in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist oder wenn es seiner Verpflichtung nicht genügt, die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts zu erschöpfen, um auf dieser Grundlage über die Erforderlichkeit der Aktenvorlage zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 20 F 2.15 - NVwZ 2016, 467 Rn. 4 m.w.N.).

Ist - wie hier - ein Anspruch auf Informationszugang Gegenstand des Verfahrens vor dem Gericht der Hauptsache, folgt daraus nicht zwingend, dass es für eine Sachentscheidung der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Ob es zur Beurteilung des Geheimhaltungsbedarfs als Erkenntnishilfe der streitigen Akten bedarf, kann neben dem Zuschnitt der Geheimhaltungsgründe davon abhängen, ob der Akteninhalt seinem Gegenstand nach unstreitig ist und auf dieser Grundlage über die fachgesetzlichen Geheimhaltungsgründe entschieden werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 20 F 2.15 - NVwZ 2016, 467 Rn. 5). Auch wenn das Gericht der Hauptsache in einem Beweisbeschluss in ausreichender Weise die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen verlautbart hat, kann es verpflichtet sein, die Entscheidungserheblichkeit nach Abgabe der Sperrerklärung erneut zu prüfen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 20 F 2.15 - NVwZ 2016, 467 Rn. 6 m.w.N.).

Nach Maßgabe dessen hat das Verwaltungsgericht zunächst mit Beweisbeschluss vom 27. November 2019 die Entscheidungserheblichkeit der geschwärzten Textstellen förmlich verlautbart. Nach Abgabe der Sperrerklärung hat es die Entscheidungserheblichkeit unter Berücksichtigung des ergänzenden Schreibens der Beklagten vom 2. April 2020 erneut geprüft und in seinem Vorlagebeschluss vom 9. April 2020 nachvollziehbar erläutert, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits der Klärung des zwischen den Beteiligten streitigen Inhalts der geschwärzten Passagen bedarf. Eine Fehlerhaftigkeit seiner Rechtsauffassung drängt sich nicht auf. Das Verwaltungsgericht hat auch seiner Sachaufklärungspflicht genügt. Wegen der von der Beklagten mit Schreiben vom 2. April 2020 verweigerten Aussagegenehmigung hat es den streitigen Inhalt der geschwärzten Aktenbestandteile nicht durch die zunächst erwogene Zeugenvernehmung klären können.

2. Der Antrag ist unbegründet.

Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und Auskünften verpflichtet. Die zuständige oberste Aufsichtsbehörde kann die Vorlage nur verweigern, wenn das Bekanntwerden des Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ).

a) Die Sperrerklärung ist formell rechtmäßig. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz war als oberste Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO für die Sperrerklärung zuständig. Dies gilt ungeachtet dessen, dass im Hauptsacheverfahren die Vorlage von Akten aus seinem Geschäftsbereich begehrt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1964 - 6 B 15.62 - BVerwGE 19, 179 <183>). Entgegen der Auffassung des Klägers unterliegt es auch keinen Bedenken, dass die Sperrerklärung von einem Abteilungsleiter des Ministeriums (und nicht durch den Minister oder seinen Vertreter) unterzeichnet wurde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. November 2020 - 20 F 5.20 - Rn. 15).

b) Die Sperrerklärung ist auch in materieller Hinsicht rechtmäßig.

aa) Ein Nachteil für das Wohl des Bundes kann gegeben sein, wenn und soweit mit der Bekanntgabe des Akteninhalts eine Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen des Bundes verbunden wäre. Bezweckt wird damit zum einen der Schutz der auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland; zum anderen sollen die Beziehungen zu anderen Staaten von Belastungen verschont und insbesondere das diplomatische Vertrauensverhältnis gewahrt bleiben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. März 2015 - 20 F 14.13 - juris Rn. 7 m.w.N.).

Das Schutzgut der auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland umfasst die Wahrung der eigenen außenpolitischen Interessen bei Verhandlungen mit anderen Staaten. Dies setzt voraus, dass ungeachtet der - gegebenenfalls auf höchster politischer Ebene - offen ausgesprochenen allgemeinen Vorgaben die Verhandlungspositionen im Einzelnen nebst der Einschätzung der Positionen der Gegenseite und die Verhandlungsoptionen im Hinblick auf mögliche Kompromisse im Prozess des wechselseitigen Gebens und Nehmens nicht ohne Rücksicht auf den Gang und den Stand der Verhandlungen offengelegt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2012 - 20 F 10.11 - juris Rn. 12). Der Schutz des diplomatischen Vertrauensverhältnisses gebietet im Allgemeinen, dass der Verlauf von nicht-öffentlichen Verhandlungen und die dort vertretenen Standpunkte nicht einseitig, sondern nur einvernehmlich offenbart werden (BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2012 - 20 F 10.11 - juris Rn. 13). Ein Nachteil für das Wohl des Bundes kann bereits vorliegen, wenn auch nur unter einer der beiden genannten Schutzrichtungen die auswärtigen Beziehungen des Bundes beeinträchtigt werden.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kommt eine Verweigerung der Aktenvorlage noch nicht bei der bloßen Möglichkeit eines Nachteils für das Wohl des Bundes in Betracht, sondern nur, wenn das Bekanntwerden des Akteninhalts einen solchen Nachteil (tatsächlich) bereiten würde, wenn also dafür eine bestimmte Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 12).

Ob hiernach die Geheimhaltung der Akten geboten ist, unterliegt im Hinblick auf mögliche außenpolitische Folgen einer Beurteilungs- und Einschätzungsprärogative der Bundesregierung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Januar 2020 - 20 F 13.17 - juris Rn. 40 m.w.N.). Für die Regelung der auswärtigen Beziehungen räumt das Grundgesetz der Bundesregierung einen grundsätzlich weit bemessenen Gestaltungsspielraum ein (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 2008 - 2 BvE 1/03 - BVerfGE 121, 135 <158>). Demgemäß ist auch die Prognose, ob eine Offenlegung bestimmter Dokumente eine Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen erwarten lässt, verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - Buchholz 400 IFG Nr. 1 Rn. 20). Das gilt auch im Zwischenverfahren vor dem Fachsenat (BVerwG, Beschluss vom 3. Januar 2020 - 20 F 13.17 - juris Rn. 40).

Dies entbindet die oberste Aufsichtsbehörde allerdings nicht davon, in der Sperrerklärung die konkret befürchteten Nachteile - so wie es unter Wahrung des in Anspruch genommenen Geheimnisschutzes möglich ist - nachvollziehbar und verständlich darzulegen, um unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange ein bestimmtes Maß an gerichtlicher Kontrolle und damit eine Gewährung effektiven Rechtsschutzes zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 20 f.). Bei abgeschlossenen Vorgängen der Zeitgeschichte ist dabei auch die seit den Vorgängen verstrichene Zeit in den Blick zu nehmen. Demgegenüber kann bei Vorgängen der jüngeren Vergangenheit, erst recht bei Vorgängen, die in die Gegenwart hineinreichen oder offensichtliche Bezüge zu einem aktuellen Geschehen aufweisen, ein Nachteil für das Wohl des Bundes schon aufgrund der zeitlichen Nähe und damit aus den anzunehmenden Auswirkungen auf die gegenwärtigen Verhältnisse auf der Hand liegen, ohne dass es weiterer Erläuterungen bedarf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 20 f.).

bb) Der Senat hat anhand dieser Maßstäbe durch Einsicht in die vollständigen und ungeschwärzten Vorgänge, soweit sie Gegenstand des vorliegenden Zwischenverfahrens sind, überprüft, ob der in der Sperrerklärung bezeichnete Weigerungsgrund eines Nachteils für das Wohl des Bundes im Hinblick auf die jeweiligen Schwärzungen vorliegt. Danach ist die Einschätzung der Beklagten, dass eine Offenlegung die auswärtigen Beziehungen des Bundes beeinträchtigen würde, rechtlich nicht zu beanstanden.

Die geschwärzten Inhalte sind in der Sperrerklärung jeweils zutreffend zusammengefasst worden:

Die drei geschwärzten Passagen in dem Dokument 31 859/2014 (Seite 2 letzter Satz im letzten Absatz; Seite 8 letzter Absatz/Seite 9 erster Absatz; Seite 10) betreffen, wie angegeben, verhandlungstaktische Erwägungen der deutschen Seite in Bezug auf den Ratifizierungszeitpunkt des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht. Sie haben ferner die möglichen Auswirkungen des vorgeschlagenen Vorgehens auf die weiteren Verhandlungen und auf die Implementierung des Projekts zum Gegenstand.

In der (kurzen) geschwärzten Passage in dem Dokument 31 835/2015 (Seite 3 erster Absatz am Ende) wird, wie geltend gemacht, ein weiterer Grund für die ablehnende Position Deutschlands bezüglich der Anwendung des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union auf die Richter des Einheitlichen Patentgerichts genannt, wobei dieser Grund die Zusammenarbeit mit der Europäischen Patentorganisation betrifft.

Vor diesem Hintergrund plausibel und nachvollziehbar sind auch die Darlegungen zur Gefährdung des Schutzguts der auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland im Falle einer Offenlegung der geschwärzten Informationen. Dies gilt sowohl für die dargelegten negativen Auswirkungen auf die Beziehungen zu den anderen Mitgliedstaaten (Dokument 31 859/2014) als auch für die drohende Verschlechterung der Beziehungen zur Europäischen Patentorganisation (Dokument 31 835/2015). Soweit der Kläger insoweit Darlegungsmängel geltend macht, ist zu berücksichtigen, dass die Notwendigkeit, die Geheimhaltungsbedürftigkeit von geschwärzten Inhalten so zu begründen, dass die Begründung der Geheimhaltung nicht den Geheimhaltungszweck unterläuft, der Möglichkeit einer detaillierten Erläuterung Grenzen setzt. Im Lichte des vollständigen Textes sind die Erläuterungen der Sperrerklärung zu den Geheimhaltungsgründen schlüssig und widerspruchsfrei. Hiernach ist insbesondere auch die Prognose einer Gefährdung deutscher Interessen nachvollziehbar.

Ebenso wenig greift der Einwand des Klägers durch, Gefährdungen der Verhandlungsposition Deutschlands seien durch den Abschluss der Verhandlungen über das Sekundärrecht zum Einheitlichen Patentgericht ausgeschlossen oder unwahrscheinlich. Der Kläger stellt insoweit seine eigene Einschätzung der gegenteiligen Einschätzung der Beklagten gegenüber. Damit legt er eine Überschreitung des Einschätzungsspielraums der Beklagten aber nicht dar. Dass deren Einschätzung plausibel ist, ergibt sich bereits daraus, dass wegen des Erfolgs der Verfassungsbeschwerde des Klägers Deutschland das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht noch nicht ratifiziert hat. Damit ist bis zu einem Inkrafttreten des Abkommens Raum für Nachverhandlungen zu Änderungen der Arbeiten des Vorbereitenden Ausschusses, auch soweit dieser die Arbeiten bereits abgeschlossen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2020 - 2 BvR 739/17 - juris Rn. 32).

cc) Nicht zu beanstanden ist schließlich die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung.

§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde(n) zum Verwaltungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Behörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56).

Das Ermessen besteht nach dem eindeutigen Wortlaut des § 99 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 VwGO selbst dann, wenn der Inhalt der Schriftstücke oder der Auskunft geheimhaltungsbedürftig im Sinne dieser Vorschrift ist, mithin auch, wenn der Vorgang nach den fachgesetzlichen Vorgaben geheim gehalten werden müsste (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. August 2020 - 20 F 6.19 - juris Rn. 17).

Die Beklagte hat ihr Ermessen erkannt und rechtsfehlerfrei ausgeübt. Sie hat sich nicht darauf beschränkt, in der Sperrerklärung zu jeder Schwärzung den Weigerungsgrund eines Nachteils für das Wohl des Bundes durch eine Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen unter einem oder beiden der oben aufgezeigten Schutzrichtungen darzulegen, sondern hat zu jeder Schwärzung zudem eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten im Prozess beruhende Ermessensentscheidung getroffen. Dass die Abänderungen dennoch vielfach übereinstimmen, verlangt die Parallelität der jeweils widerstreitenden Interessen.

Insbesondere hat sie das festgestellte Geheimhaltungsinteresse gegen das private Auskunfts- bzw. Informationsinteresse des Klägers abgewogen. Dabei hat sie nicht nur dessen grundlegendes Interesse an einer vollständigen Kenntnis aller angefragten Dokumente berücksichtigt, sondern auch das Interesse an der Veröffentlichung von Informationen zur europäischen Patentreform auf seiner Internetseite sowie sein Interesse an Erkenntnissen, die für das von ihm bei Erlass der Sperrerklärung noch geführte Verfassungsbeschwerdeverfahren von Bedeutung waren.

Durch die teilweise Verwendung des in der Tat missverständlichen Begriffs "Aufklärungsinteresse des Gerichts" hat sie erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass sie das festgestellte Geheimhaltungsinteresse darüber hinaus gegen das öffentliche Interesse an der von Amts wegen gebotenen Sachverhaltsaufklärung durch das Hauptsachegericht abgewogen hat. Auch dies ist nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. August 2012 - 20 F 5.12 - juris Rn. 14).

Dass sie bei den Schwärzungen, für die ein Weigerungsgrund vorliegt, dem Geheimhaltungsinteresse einen höheren Stellenwert eingeräumt hat als dem Informationsinteresse des Klägers und dem öffentlichen Interesse an einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung, überschreitet das ihr eingeräumte Ermessen nicht.

Entgegen der Auffassung des Klägers stellt es auch keinen Ermessensfehler dar, dass die Beklagte sich auf einen Nachteil für das Wohl des Bundes wegen einer "Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen des Bundes" berufen und in den Erwägungen zu einzelnen Schwärzungen auf die "Erreichung der außenpolitischen Ziele der Bundesregierung" abgestellt hat. Dies ist nicht widersprüchlich, weil das Schutzgut der auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland - wie ausgeführt - die Wahrung der außenpolitischen Interessen bei Verhandlungen mit anderen Staaten umfasst.

Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Beklagte den geschwärzten Passagen die Bedeutung für die Verfassungsbeschwerde des Klägers gegen das Zustimmungsgesetz zum Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht abgesprochen hat. Denn das Bundesverfassungsgericht hat Art. 1 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes auch ohne Offenlegung der Passagen für unwirksam erklärt. Soweit es Rügen des Klägers für unzulässig erklärt hat, ist dies nicht mit dem Fehlen von tatsächlichem Vortrag aus den geschwärzten Passagen begründet worden (BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2020 - 2 BvR 739/17 - BVerfGE 153, 74 Rn. 103 ff.).

Die Beklagte musste diejenigen geschwärzten Textpassagen, für die ein Geheimhaltungsgrund besteht, auch nicht im Hinblick auf einzelne unverfängliche Satzbestandteile offenlegen, weil dies - soweit es überhaupt in Betracht gekommen wäre - zu einem inhaltsleeren und nichtssagenden Restbestand geführt hätte.

dd) Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 10 Halbs. 2 VwGO ).

3. Einer eigenständigen Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht, weil es sich im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren um einen unselbstständigen Zwischenstreit handelt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 74 Rn. 45 m.w.N.).