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BVerwG - Entscheidung vom 14.12.2020

8 B 37.20

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1

BVerwG, Beschluss vom 14.12.2020 - Aktenzeichen 8 B 37.20

DRsp Nr. 2021/3971

Nichtzulassung der Revision wegen nicht grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. Januar 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Die Kläger begehren die Fortsetzung des Klageverfahrens, in dem das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Juli 2013 antragsgemäß festgestellt hat, ihnen wäre eine unter Bezugnahme auf eine Plandarstellung näher bestimmte Teilfläche des Flurstücks ... der Flur ... der Gemarkung G. nach Vermögensrecht zurückübertragen worden, wenn das gesamte Grundstück nicht aufgrund einer Grundstücksverkehrsgenehmigung wirksam veräußert worden wäre. Die Kläger haben dieses Urteil in einem ersten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - 8 B 80.13 - angegriffen und geltend gemacht, in die Feststellung hätten weitere Teilflächen des Grundstücks einbezogen werden müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hat dieses Rechtsmittel mangels formeller Beschwer verworfen und ausgeführt, Verfahrensfehler wegen eines etwaigen unechten Teilurteils, welches den Streitgegenstand nur vermeintlich erschöpfe, hätten die Kläger nicht fristgerecht gerügt.

Den anschließenden Antrag der Kläger, das Verfahren fortzusetzen und festzustellen, dass ihnen ohne die wirksame Veräußerung eine weitere Teilfläche des Grundstücks zurückübertragen worden wäre, hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil abgelehnt und festgestellt, das Klageverfahren sei durch das Urteil vom 18. Juli 2013 beendet worden. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen.

Die hiergegen gerichtete, auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn der Rechtsmittelführer darlegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ), dass die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern die Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Diese Voraussetzungen sind nach den Darlegungen der Beschwerdebegründung nicht gegeben. Mit ihren Fragen, ob in bestimmten Konstellationen ein Vollendurteil und kein Teilurteil vorliege und ob die Annahme einer konkludenten Klagerücknahme in einem näher bestimmten Fall ausgeschlossen sei, werfen die Kläger keine klärungsbedürftige Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung auf. Vielmehr beanstanden sie die vorinstanzliche Deutung ihres anwaltlichen Antrags unter den Randbedingungen des konkreten Verfahrens und rügen die fehlerhafte Anwendung des § 110 VwGO , ohne fallübergreifenden Klärungsbedarf bezüglich der von ihnen herangezogenen Prozessrechtsnormen aufzuzeigen.

2. Eine Abweichung des angegriffenen Urteils von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) legt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht dar. Eine solche Divergenz ist nur dann gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem ebensolchen, eine der angeblichen Divergenzentscheidungen tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschlüsse vom 21. Juni 1995 - 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18 und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3). Das ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist mit seinem dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 1994 - 9 C 529.93 - (BVerwGE 95, 269 <270 f.>) entnommenen Rechtssatz, eine vom Gericht als Vollendurteil gewollte Entscheidung sei auch dann ein Vollendurteil, wenn sie den Streitgegenstand nicht voll erschöpfe, nicht entscheidungstragend von dem von den Klägern zitierten Rechtssatz im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 1987 - 8 C 52.86 - (Buchholz 448.11 § 13 ZDG Nr. 4) abgewichen, wonach ein der Klage teilweise stattgebendes Urteil, welches über einen Teil des ausdrücklich gestellten Klageantrages nicht entschieden habe, kein verfahrensfehlerhaft ergangenes Vollendurteil, sondern ein Teilurteil sei. Anders als dieser Rechtssatz voraussetzt, hat das Verwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 18. Juli 2013 dem ausdrücklich gestellten Klageantrag vollumfänglich stattgegeben. Zur Nichtbescheidung eines im ausdrücklichen Antrag nicht enthaltenen Begehrens verhält sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 1987 nicht. Von einem solchen Fall geht jedoch die Beschwerde aus. Sie räumt ein, dass der ausdrückliche Antrag objektiv auf die straßenseitige Teilfläche beschränkt war und nicht die darüber hinaus von den Klägern zurückbegehrten Teilflächen umfasste.

3. Das angegriffene Urteil leidet nicht an den von den Klägern gerügten Verfahrensfehlern einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (a) und des Anspruchs der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (b).

a) Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht entscheidungserheblichen Akteninhalt in Gestalt der Sachverhaltsfeststellungen im Urteil vom 18. Juli 2013 übergangen hätte.

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist deshalb nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2017 - 6 B 31.16 - juris m.w.N.). Das legen die Kläger in ihrer Beschwerde nicht dar.

Soweit das Verwaltungsgericht eine konkludente Klagerücknahme bezüglich anderer Teilflächen des streitgegenständlichen Grundstücks als der von der ausdrücklichen Teilrücknahme der Kläger betroffenen, mit dem Wohnhaus bebauten Teilfläche von 500 m2 für nicht ausgeschlossen gehalten hat (UA S. 18), übergeht es keine Feststellungen seines ersten Urteils. Die in der Beschwerde zitierten Passagen aus dessen Tatbestand lassen die Annahme einer konkludenten Teilrücknahme weder denkfehlerhaft noch sonst willkürlich erscheinen; auch der Vorwurf selektiver Beweiswürdigung geht fehl. Ob und inwieweit die Kläger mit dem ausdrücklich gestellten Antrag von früher angekündigten oder in der ersten mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen abgerückt waren, hing von der Auslegung des zuletzt gestellten Antrages einschließlich seiner Bezugnahme auf die Darstellung der genannten Teilfläche im Teilungsvorschlag II des Bauamtes der Beigeladenen zu 2. (GA Bl. 212) ab. Das Verwaltungsgericht hat dabei nicht nur das ursprünglich umfassende Rückübertragungs- und Feststellungsbegehren, die schriftsätzliche Teilrücknahme bezüglich der mit dem Wohnhaus bebauten Teilfläche und den - auch nach Auffassung der Kläger - objektiv beschränkten ausdrücklichen Antrag berücksichtigt. Es hat auch die nachträgliche, im ersten Nichtzulassungsverfahren gegebene Erläuterung gewürdigt, der zufolge die Antragsbeschränkung auf einer Verwechslung von zwei ihrem Bevollmächtigten bekannten Plandarstellungen beruhte. Dass das Verwaltungsgericht dieser Erklärung einen für die Antragsauslegung unbeachtlichen Inhaltsirrtum entnommen hat, verletzt weder das Gebot der Würdigung des gesamten Prozessstoffs noch setzt es sich in Widerspruch zu den Feststellungen des ersten verwaltungsgerichtlichen Urteils.

b) Das Verwaltungsgericht hat den in der Beschwerdebegründung bezeichneten Vortrag der Kläger, für eine konkludente Teilrücknahme habe kein Anlass bestanden, nicht unter Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ) übergangen. Besondere Umstände, aus denen sich ergäbe, dass das Gericht aus seiner Sicht erhebliche, zum Kern des Vorbringens der Kläger gehörende Gesichtspunkte nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hätte (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2017 - 8 B 16.16 - Buchholz 451.622 EAEG Nr. 3 S. 13 f. = juris Rn. 4 m.w.N.), lassen sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen. Den Einwand der Kläger, nach den Tatbestandsfeststellungen des Verwaltungsgerichts im Urteil vom 18. Juli 2013 hätten sie ihren Antrag auf sämtliche Grundstücksflächen bezogen, soweit sie die Klage nicht ausdrücklich zurückgenommen hätten, hat das Verwaltungsgericht mit seinen Ausführungen zur Reichweite des protokollierten Klageantrages auf Seite 18 seines Urteils aufgegriffen. Ihrem Vortrag, das Gericht habe ihnen keinen rechtlichen Hinweis erteilt, dass es die Klage für teilweise unbegründet halte, und ihnen keine über die schriftsätzliche Teilrücknahme bezüglich der mit dem Wohnhaus bebauten Teilfläche hinausgehende weitere Teilrücknahme nahegelegt, ist das Verwaltungsgericht durch die Einholung von dienstlichen Stellungnahmen der am Urteil vom 18. Juli 2013 beteiligten Richter und durch Auswertung des Akteninhalts nachgegangen; beides hat es für unergiebig gehalten (UA S. 17). Auf den Hinweis der Kläger, das Verwaltungsgericht habe nicht die bei einer Teilrücknahme gebotenen prozessualen Nebenentscheidungen getroffen, ist das Verwaltungsgericht mit der Erwägung eingegangen, daraus folge allenfalls die Fehlerhaftigkeit des Urteils (UA S. 16). Es hat auch das Vorbringen der Kläger nicht übergangen, sie hätten darauf vertraut, dass die vom Vorsitzenden empfohlene Fassung des Klageantrages ihrem - umfassenden - Klagebegehren entspreche. Vielmehr hat es insoweit darauf verwiesen, dass der Inhaltsirrtum und die ihm zugrunde liegende, erst später mitgeteilte Verwechslung für das Gericht nicht erkennbar gewesen seien (UA S. 18).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: VG Frankfurt/Oder, vom 30.01.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 700/14