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BVerwG - Entscheidung vom 05.11.2020

3 C 9.19

Normen:
AMG § 15 Abs. 1 S. 1
AMG § 52a Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 12 Abs. 1

BVerwG, Urteil vom 05.11.2020 - Aktenzeichen 3 C 9.19

DRsp Nr. 2021/3555

Nachweis der erforderlichen Sachkenntnisse im Umgang mit den Arzneimitteln im Großhandel für die Tätigkeit einer verantwortlichen Person (hier: Großhandelserlaubnis)

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Februar 2019 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Normenkette:

AMG § 15 Abs. 1 S. 1; AMG § 52a Abs. 2 Nr. 3 ; GG Art. 12 Abs. 1 ;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die von ihr benannte Mitarbeiterin die erforderliche Sachkenntnis zur Ausübung der Tätigkeit der für den Großhandel mit Arzneimitteln verantwortlichen Person besitzt.

Die Klägerin ist Inhaberin einer von der Bezirksregierung D. erteilten Erlaubnis zum Großhandel mit Arzneimitteln. Die Erlaubnis ist auf die Beschaffung und Abgabe von Arzneimitteln beschränkt; sie umfasst nicht die Lagerung, Ausfuhr oder andere Aktivitäten. Mit Schreiben vom 21. April 2015 teilte die Klägerin mit, dass ab 1. Juni 2015 ihre Mitarbeiterin Stefanie H. (H) als neue verantwortliche Person benannt werde. Frau H sei nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten ab Juli 2011 Sekretariatsmitarbeiterin gewesen und seit Oktober 2012 für Einkauf und Vertrieb verantwortlich. Aufgrund ihrer umfangreichen Berufserfahrung und der Absolvierung überbetrieblicher Fortbildungsmaßnahmen verfüge sie über die notwendigen Kenntnisse zur Erfüllung der Aufgaben und Pflichten einer Großhandelsbeauftragten. Dem Schreiben waren verschiedene Fortbildungsnachweise beigefügt.

Die Bezirksregierung D. teilte mit, die vorgelegten Nachweise seien nicht ausreichend, um die fachliche Verantwortung für einen ordnungsgemäßen Arzneimittelgroßhandel sicherzustellen. Sie lehnte eine Bestätigung von Frau H als verantwortliche Person ab und wies darauf hin, dass das Nichtvorhandensein einer verantwortlichen Person einen Versagungsgrund für die Großhandelserlaubnis begründe. Die Klägerin widersprach dieser Einschätzung und wies darauf hin, dass Frau H unter Anleitung des derzeitigen Großhandelsbeauftragten bereits zahlreiche Aufgaben wahrgenommen und umfassende praktische Kenntnisse erworben habe. Im Übrigen habe sie an einer Vielzahl firmeninterner Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen. Zur Vermeidung etwaiger Sanktionen werde der bisherige Großhandelsbeauftragte in seiner Funktion belassen.

Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, dass Frau H die spezifischen Kenntnisse erworben hätte, um mit entsprechendem naturwissenschaftlichen Verständnis die Produkte, mit denen die Klägerin Handel treibe, beurteilen zu können. Den Fortbildungen komme schon im Hinblick auf ihre kurze Dauer und den fehlenden wissenschaftlichen Bezug keine relevante Aussagekraft bei. Die vorgetragene praktische Berufserfahrung könne die erforderliche Ausbildung nicht ersetzen, sie sei vielmehr nur zu einer ergänzenden Fortbildung geeignet.

Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen. Pharmazeutischer Mindestkenntnisse der verantwortlichen Person bedürfe es auch im vorliegenden Fall einer Großhandelserlaubnis, bei der eine Lagerung nicht stattfinde. Mit Blick auf die Auslieferung der gehandelten Arzneimittel müsse ein jeweils dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprechendes Qualitätssicherungssystem etabliert und auf Stand gehalten werden. Darüber hinaus sei auch im Betrieb der Klägerin die - auf einer pharmazeutisch-naturwissenschaftlichen Risikoanalyse basierende - Entscheidung über die Verkehrsfähigkeit zurückgegebener Arzneimittel zu treffen und zu verantworten. Die hierfür erforderliche Sachkunde sei für Frau H nicht nachgewiesen. Dies erfordere zwar nicht zwingend eine bestimmte Ausbildung. Die benannte Person müsse aber pharmazeutische Kenntnisse nachweisen, die mit denjenigen vergleichbar seien, die in einer pharmazeutischen (Berufs-)Ausbildung vermittelt würden.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt insbesondere vor, das Berufungsgericht habe die einzelfallbezogenen Besonderheiten nicht erkannt und auf Aufgaben- und Verantwortungsbereiche Bezug genommen, die in ihrem Betrieb gar nicht anfielen. Tatsächlich sei für die Aufgabe des Großhandelsbeauftragten in ihrem Betrieb eine spezifisch pharmazeutisch-naturwissenschaftliche Sachkenntnis nicht erforderlich. Eine Arzneimittelprüfung finde nicht statt, entsprechende Labore stünden auch gar nicht zur Verfügung. In der konkreten Betriebsstätte gebe es keine Lagerung, kein Umfüllen, kein Abpacken oder Kennzeichnen von Arzneimitteln. Vielmehr beschränke sich die Tätigkeit des Großhandelsbeauftragten im Wesentlichen auf logistische Aufgaben und den Abgleich von Messergebnissen. Über die hierfür erforderlichen Kenntnisse verfüge Frau H. Anderes folge auch nicht mit Blick auf die Verantwortlichkeit für das Qualitätssicherungssystem. Die Feststellung und Bewertung von Qualitätsmängeln sei Aufgabe des Stufenplanbeauftragten, dieser veranlasse auch den Rückruf. Der Großhandelsbeauftragte dagegen sei nur für die Durchführung verantwortlich.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, dass Frau H über die erforderlichen naturwissenschaftlichen Kenntnisse verfüge. Die Weiterbildungsnachweise bezögen sich vielmehr überwiegend auf rechtliche und kaufmännische Aspekte des Arzneimittelgroßhandels.

II

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das angegriffene Berufungsurteil beruht auf einem Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO ). Das Berufungsgericht hat die Feststellungsklage zutreffend als zulässig erachtet (1.). Die Annahme, die für den Großhandel mit Arzneimitteln verantwortliche Person müsse pharmazeutische Grundkenntnisse nachweisen, die im Wesentlichen mit den Pharmaziekenntnissen vergleichbar sind, die in einer pharmazeutischen (Berufs-)Ausbildung vermittelt werden, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar (2.). Das Bundesverwaltungsgericht kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weil das Berufungsurteil die hierfür erforderlichen Tatsachenfeststellungen nicht enthält (3.). Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ).

1. Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist zulässig.

Durch die Beanstandung der Benennung von Frau H als neue verantwortliche Person ist zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein konkretes und feststellungsfähiges Rechtsverhältnis entstanden (vgl. § 43 Abs. 1 VwGO ). Es findet seine Grundlage in § 52a Abs. 2 Nr. 3 des Arzneimittelgesetzes ( AMG ) in der für das Feststellungsbegehren der Klägerin maßgeblichen aktuellen Fassung vom 28. April 2020 (BGBl. I S. 960 ). Die Beteiligten streiten aus konkretem Anlass über Umfang und Nachweis der erforderlichen Sachkenntnis einer für den Großhandel mit Arzneimitteln verantwortlichen Person.

Der Klägerin kommt auch das erforderliche Feststellungsinteresse zu. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass ein Betroffener ein schutzwürdiges Interesse daran hat, eine verwaltungsgerichtliche Feststellung zu erhalten, wenn ihm wegen verwaltungsrechtlicher Fragen ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren droht (BVerfG, Beschluss vom 7. April 2003 - 1 BvR 2129/02 [ECLI: DE: BVerfG: 2003: rk20030407.1bvr212902] - NVwZ 2003, 856 <857>; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 - 2 C 18.15 [ECLI: DE: BVerwG: 2016: 230616U2C18.15.0] - Buchholz 421.20 Hochschulpersonalrecht Nr. 58 Rn. 19 f.). Entsprechendes kann gelten, wenn die Behörde - wie hier - den Erlass verwaltungsrechtlicher Sanktionen androht (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 [ECLI: DE: BVerwG: 2016: 161216U8C6.15.0] - BVerwGE 157, 126 Rn. 15 für betriebsbezogene Einschränkungen). Der Klägerin kann nicht zugemutet werden, den Widerruf oder das Ruhen ihrer Großhandelserlaubnis hinzunehmen, um eine gerichtliche Klärung der streitigen Frage zu erreichen, ob Frau H die erforderliche Sachkenntnis für die Tätigkeit als verantwortliche Person besitzt.

Schließlich steht der Feststellungsklage auch nicht die Subsidiarität gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen. Ein Verpflichtungsanspruch, mit dem die Klägerin eine bestätigende Entscheidung des Beklagten erhalten könnte, steht nicht zur Verfügung. Nach § 52a Abs. 8 Satz 1 AMG muss jede Änderung der in Absatz 2 genannten Angaben - und damit auch ein Wechsel der verantwortlichen Person - zwar vorher bei der zuständigen Behörde angezeigt werden. Eine Bestätigung dieser Anzeige durch die Behörde sieht die Vorschrift aber nicht vor (vgl. Brixius, Pharm. Ind. 78 <2016>, 396 <400>). Eine sachnähere oder wirksamere Klageart als die Feststellungsklage ist damit nicht ersichtlich (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 3 C 18.14 [ECLI: DE: BVerwG: 2015: 101215U3C18.14.0] - Buchholz 418.32 AMG Nr. 71 Rn. 18).

2. Die Klage kann nicht mit der im Berufungsurteil gegebenen Begründung abgewiesen werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, die für den Großhandel mit Arzneimitteln verantwortliche Person müsse pharmazeutische Kenntnisse nachweisen, die im Wesentlichen mit den in einer pharmazeutischen (Berufs-)Ausbildung vermittelten Kenntnissen vergleichbar sind, findet im geltenden Recht keine Grundlage.

a) Die normativen Vorgaben für die Qualifikation der verantwortlichen Person verlangen weder eine pharmazeutische Ausbildung noch vergleichbare pharmazeutische Kenntnisse.

Nach § 52a Abs. 2 Nr. 3 AMG muss der Inhaber einer Erlaubnis zum Großhandel mit Arzneimitteln eine verantwortliche Person benennen, die die zur Ausübung der Tätigkeit erforderliche Sachkenntnis besitzt. Nähere Angaben zu Art, Umfang oder Nachweis der vorausgesetzten Kenntnisse enthält das Arzneimittelgesetz nicht.

Auch die unionsrechtlichen Bestimmungen enthalten keine inhaltlichen Vorgaben zu der erforderlichen Sachkunde. Art. 79 Buchst. b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 S. 67), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/1243 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 (ABl. L 198 S. 241), verweist hinsichtlich der Qualifikation vielmehr auf die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats.

Anderes folgt auch nicht aus den auf Grundlage des Art. 84 Satz 1 der Richtlinie 2001/83/EG von der Europäischen Kommission veröffentlichten Leitlinien vom 5. November 2013 für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln (ABl. C 343 S. 1 - GDP-Leitlinien -), die vom Inhaber der Großhandelserlaubnis einzuhalten sind (vgl. § 1a Satz 1 AM-HandelsV, Art. 80 Buchst. g der Richtlinie 2001/83/EG ). Nach Nr. 2.2 der GDP-Leitlinien ist ein Hochschulabschluss in Pharmazie für die vom Großhändler benannte verantwortliche Person zwar wünschenswert, vorgeschrieben ist diese Qualifikationsanforderung aber nicht.

Der Gesetzgeber des Arzneimittelgesetzes hat diese Wunschvorstellung nicht aufgegriffen. Anders als in den Vorschriften über die erforderliche Sachkenntnis der für die Erteilung einer Herstellungserlaubnis zu benennenden sachkundigen Person (§ 15 Abs. 1 Satz 1 AMG ) ist in § 52a Abs. 2 Nr. 3 AMG hinsichtlich der für den Großhandel verantwortlichen Person kein bestimmter Ausbildungsgang vorausgesetzt; insbesondere sieht die Vorschrift nicht das Erfordernis eines abgeschlossenen Hochschulstudiums vor.

Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass die Vorgaben aus § 15 Abs. 1 Satz 1 AMG auch nicht in entsprechender Anwendung für die Sachkenntnis der für den Großhandel verantwortlichen Person herangezogen werden können. Zwar liegt insoweit eine Parallele vor, als die Herstellungserlaubnis auch die Erlaubnis zum Großhandel mit Arzneimitteln umfasst (§ 52a Abs. 6 AMG ). Art und Umfang der mit einer Herstellungserlaubnis in Bezug genommenen Tätigkeiten sind aber mit der Großhandelserlaubnis nicht vergleichbar. Die mit einer Herstellungserlaubnis verbundenen Befugnisse gehen weit über den Großhandel mit Arzneimitteln hinaus und umfassen mit der Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln (vgl. § 19 Satz 1 AMG ) genuin pharmazeutische Bereiche. Der Umstand, dass für die Erteilung einer Herstellungserlaubnis die Approbation als Apotheker oder ein bestimmtes Hochschulstudium der sachkundigen Person vorausgesetzt wird, kann daher nicht auf die für den Großhandel verantwortliche Person übertragen werden.

Anders als § 75 Abs. 2 AMG für den Pharmaberater stellen die Vorschriften über die für den Großhandel verantwortliche Person auch nicht auf eine nichtakademische pharmazeutisch-naturwissenschaftliche Ausbildung ab. Auch in Bezug auf den Pharmaberater liegt eine vergleichbare Situation nicht vor, weil der Pharmaberater und die für den Großhandel verantwortliche Person völlig unterschiedliche Aufgaben haben. Eine entsprechende Anwendung der Vorgaben zur erforderlichen Sachkenntnis scheidet daher ebenfalls aus.

In Anbetracht der sonst im Arzneimittel- (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1, § 75 Abs. 2 AMG ) oder Apothekengesetz (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 , § 21 Abs. 2 Nr. 4 ApoG , § 1a Abs. 2 ApBetrO ) anzutreffenden ausdrücklichen und regelmäßig detaillierten Regelung der geforderten Ausbildung sowie der expliziten Wunschvorstellung in Nr. 2.2 der GDP-Leitlinien kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der unterlassenen Benennung eines bestimmten Ausbildungsniveaus in § 52a Abs. 2 Nr. 3 AMG um eine unbewusste Regelungslücke handelt. Vielmehr spricht der Hinweis in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 15/2109 S. 34), die erforderliche Qualifikation könne durch berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung gewonnen werden, für ein bewusstes Absehen von der Vorgabe einer pharmazeutischen Ausbildung oder entsprechender pharmazeutischer Kenntnisse.

Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung kann diese Anforderung daher auch nicht im Wege der Auslegung in das Gesetz "hineingelesen" werden. Dabei bliebe zudem offen, welche pharmazeutische Ausbildung als Referenzgröße herangezogen werden sollte und welche pharmazeutischen Kenntnisse eine durch praktische Erfahrung qualifizierte Person nachzuweisen hätte.

b) Welche Sachkenntnis zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich ist, muss daher anhand des Aufgaben- und Verantwortungsbereichs bestimmt werden, den der Gesetzgeber der für den Großhandel verantwortlichen Person zugewiesen hat.

Bezugspunkt hierfür ist die Tätigkeit der verantwortlichen Person in der von der Großhandelserlaubnis erfassten Betriebsstätte. Denn nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über den Großhandel und die Arzneimittelvermittlung in der aktuellen Fassung vom 9. August 2019 (BGBl. I S. 1202 - AM-HandelsV -) ist für jede Betriebsstätte eine verantwortliche Person zu bestellen. Die erforderliche Sachkenntnis muss daher an den in der Betriebsstätte vertriebenen Arzneimitteln sowie Art und Umfang des dortigen Großhandels ausgerichtet sein (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand: April 2019, § 52a Rn. 13; Sander, Arzneimittelrecht, Stand: Oktober 2017, § 52a Rn. 6; Stumpf, in: Kügel/Müller/Hofmann <Hrsg.>, AMG , 2. Aufl. 2016, § 52a Rn. 23). Dies liegt gerade im Hinblick auf die notwendigen pharmazeutischen Kenntnisse auf der Hand. Wenn in der Betriebsstätte z.B. mit kühlpflichtigen Arzneimitteln, Blutprodukten oder anderen sensiblen Arzneimitteln gehandelt wird, die aus Gründen der Arzneimittelsicherheit besondere Vorkehrungen und Überwachungsschritte erfordern, können hierfür auch bestimmte pharmazeutische Kenntnisse erforderlich sein.

Die danach erforderliche Sachkenntnis muss die verantwortliche Person selbst haben. Denn nach Nr. 2.2. Abs. 2 Satz 2 der GDP-Leitlinien kann die verantwortliche Person zwar bestimmte Aufgaben delegieren, nicht aber ihre Verantwortung. Dementsprechend sieht auch § 2 Abs. 1 der AM-HandelsV vor, dass die verantwortliche Person für den ordnungsgemäßen Betrieb und insbesondere die Einhaltung der in der Verordnung festgelegten Vorschriften verantwortlich ist. Die verantwortliche Person muss daher über diejenigen Kenntnisse verfügen, die sie in die Lage versetzen, die ihr zugewiesene Verantwortung zu tragen (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2014 - 16 K 8853/13 - juris Rn. 17; VG Köln, Urteil vom 3. März 2020 - 7 K 6854/18 [ECLI: DE: VGK: 2020: 0303.7K6854.18.00] - juris Rn. 52).

Zum Verantwortungsbereich der verantwortlichen Person gehören nicht nur Organisation und Kontrolle der Verfahrensabläufe des Großhandelsbetriebs - also organisatorische und logistische Angelegenheiten. Die benannte Person hat vielmehr auch die Durchführung von Arzneimittel-Rückrufaktionen, die Entscheidung über den endgültigen Verbleib zurückgegebener, zurückgewiesener, zurückgerufener oder gefälschter Arzneimittel oder die Genehmigung der Wiederaufnahmen in den verkaufsfähigen Bestand zu verantworten (vgl. Nr. 2.2 Abs. 5 Ziffern iv, x, xi der GDP-Leitlinien). Zurückgenommene Arzneimittel sind vor der Entscheidung über ihre weitere Verwendung einer Prüfung zu unterziehen (vgl. § 7b Abs. 3 Satz 1 AM-HandelsV). Die verantwortliche Person hat daher auch Entscheidungen zu verantworten, die spezifische pharmazeutische Kenntnisse voraussetzen können.

c) Wie die Klägerin zutreffend ausführt, ist aber nicht erforderlich, dass die verantwortliche Person selbst pharmazeutisch-naturwissenschaftliche Risikoanalysen durchführen könnte. Es ist im Übrigen auch nicht erkennbar, dass hierfür die vom Berufungsgericht geforderte Ausbildung z.B. als pharmazeutisch-technischer Assistent oder ein vergleichbarer pharmazeutischer Kenntnisstand ausreichend wäre. Vielmehr sind die im Arzneimittel-Großhandel auftretenden pharmazeutischen Fragen regelmäßig - und jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall des Großhandels mit Fertigarzneimitteln - durch standardisierte Verfahrensabläufe des Qualitätssicherungssystems vorgezeichnet (vgl. Nr. 2.2 Abs. 5 Ziffer i der GDP-Leitlinien sowie § 1a der AM-HandelsV). Dementsprechend obliegt der verantwortlichen Person primär die Sicherstellung der Implementierung und Aufrechterhaltung eines Qualitätssicherungssystems sowie die Koordination und Dokumentation der wesentlichen Ablaufschritte.

Weder die Ausarbeitung und Erstellung genereller Verhaltensregeln oder Ablaufpläne noch die abschließende Entscheidung pharmazeutischer Zweifelsfragen kann realistischerweise von der für den Großhandel verantwortlichen Person erwartet werden (vgl. Brixius, Pharm. Ind. 78 <2016>, 396 <400>); derartiges wird in den Rechtsvorschriften von ihr auch nicht verlangt. Hierzu müsste sie über ein dem zuständigen Fachpersonal überlegenes Fachwissen auf pharmazeutischem Gebiet verfügen. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist vielmehr, dass die verantwortliche Person den standardisierten Verfahrensregeln folgend Entscheidungen oder Stellungnahmen des zuständigen pharmazeutischen Fachpersonals oder des pharmazeutischen Unternehmens einholt und die praktische Umsetzbarkeit der Entscheidungen eigenständig beurteilen kann.

Dies gilt auch im Hinblick auf die vom Berufungsgericht in den Vordergrund gerückte Anforderung in § 7b Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 der AM-HandelsV, nach der Arzneimittel nur in die zum Verkauf bestimmten Bestände wieder aufgenommen werden dürfen, wenn auch keine sonstigen Anhaltspunkte für eine fehlende Verkehrsfähigkeit bestehen. Wie bereits im Berufungsurteil zutreffend ausgeführt, muss die für den Großhandel verantwortliche Person diese Entscheidung nicht selbst treffen; die Prüfung und Entscheidung muss durch dafür besonders eingewiesenes Personal erfolgen (§ 7b Abs. 4 Satz 1 AM-HandelsV). Dieses Personal muss auch etwaige pharmazeutisch-naturwissenschaftliche Fragen beantworten. Ein solches arbeitsteiliges Zusammenwirken steht der Verantwortlichkeit der benannten Person nicht entgegen. Nach Nr. 2.2 der GDP-Leitlinien kann sie bestimmte Aufgaben delegieren, nicht aber ihre Verantwortung. Wenn sie bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme eines zurückgenommenen Arzneimittels in die verkaufsfähigen Bestände für die Einhaltung der standardisierten Verfahrensregeln zu sorgen hat, ist dies eine ausreichende Grundlage, um ihr im Verhältnis zu Dritten die Verantwortung auch für die getroffene Entscheidung zuzuweisen.

Welche spezifisch pharmazeutischen Kenntnisse insoweit für die verantwortliche Person erforderlich sein sollten, ist nicht ersichtlich. Nach der unwidersprochenen Darstellung der Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung geht es bei der Retourenprüfung - jedenfalls im hier vorliegenden Fall - nicht um pharmazeutisch-naturwissenschaftliche Kontrollvorgänge. Maßgebliche Prüfpunkte sind danach in der Praxis vielmehr die Kontrolle auf Beschädigungen sowie der Nachvollzug der vom Rücksender vorgelegten Dokumentation zu Lagerung und Transport. Die Beantwortung produktbezogener pharmazeutischer Fragen obliegt dem Arzneimittelhersteller. Auch der Beklagte war weder im Rahmen des Berufungsverfahrens noch im Termin zur Verhandlung vor dem Revisionsgericht in der Lage, konkrete Fallkonstellationen zu benennen, in denen eigenständiges pharmazeutisches Fachwissen der für den Großhandel verantwortlichen Person zur ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung notwendig wäre.

Liegen ausreichend belastbare Sachgründe nicht vor, die abstrakte pharmazeutische Kenntnisse für die Tätigkeit der für den Großhandel verantwortlichen Person generell erforderlich machen, können derartige Anforderungen jedenfalls nicht ohne ausdrückliche Festlegung des Gesetzgebers im Wege der Auslegung durch Gerichte statuiert werden. Nur soweit Gründe der Arzneimittelsicherheit oder andere sachlich gerechtfertigte Umstände dies erfordern, kann die freie Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG eingeschränkt werden.

d) Erforderlich für die Tätigkeit einer verantwortlichen Person im Sinne des § 52a Abs. 2 Nr. 3 AMG sind Sachkenntnisse im Umgang mit den Arzneimitteln, die Gegenstand der Großhandelserlaubnis sind. Die Kenntnisse können durch praktische Erfahrungen gewonnen werden, insbesondere durch Tätigkeiten unter Anleitung und Aufsicht einer verantwortlichen Person in deren Aufgabenbereich. Pharmaziekenntnisse vergleichbar denen, die in einer pharmazeutischen (Berufs-)Ausbildung vermittelt werden, sind nicht erforderlich. Pharmazeutische Kenntnisse können aber verlangt werden, soweit sie für konkret benannte Tätigkeiten im Umgang mit bestimmten Arzneimitteln erforderlich sind.

Aus den Entstehungsmaterialien des § 52a Abs. 2 Nr. 3 AMG geht hervor, dass der Gesetzgeber bei der erforderlichen Sachkenntnis auch an eine durch praktische Erfahrung gewonnene Qualifikation gedacht hat (vgl. BT-Drs. 15/2109 S. 34). Eine solche Qualifikation erscheint auch sachdienlich, weil der Aufgaben- und Verantwortungsbereich der für den Großhandel verantwortlichen Person in besonderer Weise durch die praktischen Anforderungen geprägt wird (vgl. Nr. 2.2 Abs. 5 der GDP-Leitlinien sowie §§ 1a ff. AM-HandelsV). Die Tätigkeitsfelder der verantwortlichen Person machen sowohl Kenntnisse im organisatorischen Bereich des Arzneimittelgroßhandels als auch Erfahrungen im Umgang mit den jeweils vertriebenen Arzneimitteln erforderlich. Nur so kann einerseits dem regulatorischen Anforderungsprofil der verantwortlichen Person Rechnung getragen werden, andererseits aber auch dem Umstand, dass sich der Vertrieb auf Arzneimittel bezieht, also sensible Produkte mit besonderem Gefahrenpotential.

Allerdings kann nicht von jeder beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang mit Arzneimitteln auf die für die Tätigkeit der verantwortlichen Person erforderliche Sachkenntnis geschlossen werden. Diese Annahme setzt vielmehr voraus, dass die ausgeübte Tätigkeit aussagekräftig im Hinblick auf den Aufgabenbereich der verantwortlichen Person ist. Nur dann ist der Schluss von der praktischen Berufserfahrung auf eine durch sie erworbene Sachkenntnis im Hinblick auf die Tätigkeit der für den Großhandel verantwortlichen Person berechtigt. Das wird in der Regel der Fall sein, wenn die vom Erlaubnisinhaber benannte Person über einen längeren Zeitraum unter Anleitung und Aufsicht einer verantwortlichen Person tätig war und sich in diesem Aufgabenbereich "bewährt" hat.

Die erforderliche Sachkenntnis ist der zuständigen Behörde nachzuweisen. Die Benennung einer verantwortlichen Person, die die zur Ausübung der Tätigkeit erforderliche Sachkenntnis besitzt, ist Voraussetzung für Erteilung und Bestand der Großhandelserlaubnis. Im Fall der Benennung einer neuen verantwortlichen Person hat der Inhaber der Erlaubnis daher geeignete Nachweise vorzulegen (vgl. § 52a Abs. 8 Satz 1 AMG ). Dies umfasst im Fall der durch Berufserfahrung erworbenen Sachkenntnis auch eine detaillierte Aufstellung über Art und Umfang der bislang ausgeübten Tätigkeiten.

Ob die Unterlagen zum Nachweis der für die betreffende Betriebsstätte erforderlichen Sachkenntnis geeignet sind, muss durch eine einzelfallbezogene Prüfung ermittelt werden.

3. Die tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil reichen für eine abschließende Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht nicht aus.

Nach den Feststellungen im Berufungsurteil ist Frau H seit Oktober 2012 als Verantwortliche für Einkauf und Vertrieb tätig; sie hat in dieser Funktion auch Aufgaben zur Unterstützung der verantwortlichen Person wahrgenommen. Weder dem Berufungsurteil noch den vorliegenden Gerichts- und Behördenakten kann indes entnommen werden, welche tatsächlichen Aufgaben Frau H in welchem Zeitraum wahrgenommen hat, welcher Umfang diesen Tätigkeiten zukam und inwieweit Frau H dabei auch selbständig tätig geworden ist.

Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ). Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Verkündet am 5. November 2020

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 26.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 13 A 1020/17