Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 01.07.2020

1 WDS-VR 6.20

Normen:
WBO § 20 Abs. 3
VwGO § 161 Abs. 2 S. 1
ZDv A-1340/36 Nr. 101
ZDv A-1340/36 Nr. 102
ZDv A-1340/36 Nr. 202

BVerwG, Beschluss vom 01.07.2020 - Aktenzeichen 1 WDS-VR 6.20

DRsp Nr. 2020/11735

Kostenentscheidung nach übereinstimmend für erledigt erklärtem Rechtsstreit um die Versetzung eines Soldaten im Eilverfahren; Offene Erfolgsaussichten in einem erledigten Rechtsstreit um eine vorübergehend nicht dienstpostengerechte Verwendung; Keine Klärung komplexer Streitfragen in einem erledigten Eilverfahren

Bei übereinstimmender Erledigungserklärung ist über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden zur Hälfte dem Bund auferlegt. Im Übrigen wird der Antrag, die Kosten dem Bund aufzuerlegen, abgelehnt.

Normenkette:

WBO § 20 Abs. 3 ; VwGO § 161 Abs. 2 S. 1; ZDv A-1340/36 Nr. 101; ZDv A-1340/36 Nr. 102; ZDv A-1340/36 Nr. 202;

Gründe

I

Der Rechtsstreit betraf eine nicht dienstpostengerechte Verwendung des Antragstellers, eines Berufssoldaten im Dienstgrad eines Oberstleutnants der Besoldungsgruppe A 15.

Seit Februar 2017 wurde er auf einem mit A 15 dotierten Dienstposten als Referatsleiter beim Bundesamt ... verwendet. Mit Schreiben vom 16. September 2019, dem Antragsteller ausgehändigt am 20. September 2019, wurde der Antragsteller durch die Vizepräsidentin des Bundesamtes X von seinen Aufgaben als Referatsleiter entbunden und "bis auf Weiteres" mit der Wahrnehmung von Aufgaben im Stab des Bundesamtes X betraut.

Unter dem 4. Oktober 2019 beschwerte sich der Antragsteller gegen diese Anordnung. Er rügte die fehlende Zuständigkeit der Vizepräsidentin, die Verletzung von Vorgaben aus Verwaltungsvorschriften, insbesondere der ZDv A-1340/36 über die dienstpostengerechte Verwendung von Soldaten, der ZDv A-1300/14 über die Versetzung, Dienstpostenwechsel und Kommandierung von Soldatinnen und Soldaten und des Zentralerlasses B-1300/46 über Zuständigkeiten und Verfahren bei Personalmaßnahmen. Die Verwaltungsvorschriften über eine nicht dienstpostengerechte Verwendung von Soldaten seien verletzt. Die notwendige Rechtsbehelfsbelehrung fehle. Sein Einsatz im Referat ... sei dienstlich nicht begründet. Er könne dort nicht dotierungsgleich oder förderlich verwendet werden. Die Aufgaben im Stab des Bundesamtes X könnten durch andere Generalstabsoffiziere des Bundesamtes X besser wahrgenommen werden. Seine Entbindung von den Referatsleiteraufgaben sei nicht erforderlich. Die Maßnahme stelle eine ungerechtfertigte und ehrverletzende Amtsenthebung dar.

Unter dem 13. Dezember 2019 beantragte das Bundesamt X beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Zustimmung zu einer nicht dienstpostengerechten Verwendung des Antragstellers für den Zeitraum vom 16. September 2019 bis zum 15. März 2020 im Leitungsstab ... des Bundesamtes X. Die Personalführung Offiziere stimmte dieser Verwendung für den beantragten Zeitraum am 7. Januar 2020 zu. Die Zustimmung wurde dem Antragsteller am 20. Januar 2020 eröffnet.

Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2020 beantragte der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde.

Mit Bescheid vom 19. März 2020 wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde des Antragstellers und dessen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zurück. Nach dem Ende seiner zum 15. März 2020 befristeten nicht dienstpostengerechten Verwendung sei Erledigung eingetreten. Mangels Erfolgsaussichten der Beschwerde sei von der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde während des Beschwerdeverfahrens abgesehen worden. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sei mit der Beschwerdeentscheidung unzulässig geworden.

Am 24. April 2020 stellte der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Rechtsbehelfs. Die nicht dienstpostengerechte Verwendung sei über den 15. März 2020 hinaus verlängert worden. Die ursprüngliche Anordnung vom 16. September 2019 bestehe damit fort. Für die Anordnung sei die Präsidentin des Bundesamtes X nicht zuständig. Melde- und Zustimmungspflichten seien verletzt worden, Fristen hierfür nicht gewahrt. Die Begründung des Bundesamtes X für die dienstliche Notwendigkeit seiner nicht dienstpostengerechten Verwendung entspreche nicht den Tatsachen und sei nur ein Vorwand, um seinen Dienstposten frei zu machen. Er werde nicht seiner Dotierungshöhe und seiner Förderperspektive entsprechend verwendet. Im Stab habe er keine konkreten Funktionen, Zuständigkeiten, Befugnisse oder Aufgaben. Der Vortrag des Bundesamtes X zur Vakanz von Dienstposten sei unzutreffend. Er habe einer Abordnung in den Stab in Gesprächen mit der Vizepräsidentin des Bundesamtes X und mit seinen Disziplinarvorgesetzten nicht zugestimmt. Erst nach seinen Anträgen und Beschwerden seien Meldungen und Anträge des Bundesamtes X an das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr erfolgt. Gegenstand seiner Beschwerde sei auch die Entbindung von seinen Aufgaben als Referatsleiter, für die es keine Begründung gebe. Vielmehr könne er diese Aufgaben auch neben der temporären Hilfestellung wahrnehmen, zumal ihm gegenwärtig kaum anspruchsvolle oder zielgerichtete Aufgaben übertragen seien. Der Entscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr lägen nicht sachgerechte Annahmen zur weiteren Personalentwicklung zugrunde.

Unter dem 12. März 2020 beantragte das Bundesamt X beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Verlängerung der nicht dienstpostengerechten Verwendung bis voraussichtlich 15. September 2020. Diese wurde am 20. März 2020 erteilt und dem Antragsteller am 31. März 2020 eröffnet. Mit Schreiben vom 25. April 2020, beim Bundesamt X am 29. April 2020 eingegangen, hat der Antragsteller auch hiergegen Beschwerde eingelegt.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat Abhilfe abgelehnt sowie den Hauptsacheantrag (BVerwG 1 WB 14.20) und den Eilantrag (BVerwG 1 WDS-VR 6.20) mit einer Stellungnahme vom 29. April 2020 dem Senat vorgelegt.

Mit Wirkung vom 17. Juni 2020 wurde der Antragsteller auf einen mit A 15 bewerteten Dienstposten eines ...stabsoffiziers (DP-ID ...) beim Bundesamt X versetzt. Unter dem 22. Juni 2020 erklärte der Antragsteller unter Verwahrung gegen die Kosten Erledigung bezüglich des Eilantrages, verfolgt den Antrag in der Hauptsache aber in der Form eines Feststellungsantrags weiter. Das Bundesministerium der Verteidigung hatte bereits mit Schriftsatz vom 18. Juni 2020 erklärt, sich einer Erledigungserklärung des Antragstellers unter Verwahrung gegen die Kosten anzuschließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.

II

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit im Eilverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist dieses Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO , § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ; vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 2008 - 1 WB 4.08 - beck-online Rn. 8 m.w.N.).

Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Eilverfahrens zur Hälfte dem Bund aufzuerlegen, weil die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers nach dem bisherigen Sach- und Streitstand im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses - hier der Versetzung des Antragstellers auf einen anderen Dienstposten und die damit verbundene Beendigung seiner vorübergehend nicht dienstpostengerechten Verwendung - als offen einzuschätzen sind (vgl. zum Grundsatz der hälftigen Kostenteilung bei offenen Erfolgsaussichten: BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 1 WB 66.09 - jurion Rn. 10). Der weitergehende Antrag des Antragstellers hinsichtlich der Kosten bleibt daher ohne Erfolg.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war entgegen den Ausführungen des Beschwerdebescheides nicht bereits vor der Versetzung des Antragstellers mit Ablauf des 15. März 2020 erledigt. Die den Gegenstand der Beschwerde des Antragstellers vom 4. Oktober 2019 und des Beschwerdebescheides vom 19. März 2020 bildende Anordnung ist vielmehr ausdrücklich "bis auf Weiteres" ausgesprochen worden. Dass die Zustimmung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr zu dieser Maßnahme zeitabschnittsweise erteilt und bis zum 15. September 2020 verlängert worden ist, ändert nichts daran, dass die Anordnung bis zum Wirksamwerden seiner Versetzung für den Antragsteller Geltung beansprucht.

Da der Eilantrag mithin nicht bereits mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig war, sind bis zur Erledigung komplexe Fragen sowohl der formellen als auch der materiellen Rechtmäßigkeit der angegriffenen Anordnung im Zusammenhang mit den Erfolgsaussichten in der Hauptsache entscheidungserheblich gewesen. Fraglich ist insbesondere, ob die Vizepräsidentin des Bundesamtes X für die streitgegenständliche Anordnung nach Nr. 102 ZDv A-1340/36 "Dienstpostengerechte Verwendung von Soldatinnen und Soldaten" zuständig war, ob Meldepflichten erfüllt und fristgerecht die nach Nr. 202 ZDv A-1340/36 erforderlichen Zustimmungen eingeholt worden sind. Zu klären wäre des Weiteren die zwischen den Beteiligten streitigen Fragen, ob die in Rede stehende nicht dienstpostengerechte Verwendung des Antragstellers im Hinblick auf seine Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 unterwertig war und ob die Grenzen des dem Dienstherrn im Rahmen von Nr. 101 ZDv A-1340/36 zukommenden Einschätzungs- und Organisationsspielraums hinsichtlich der dienstlichen Gründe für die Maßnahme als auch hinsichtlich der Dauer der Maßnahme überschritten waren. Die damit aufgeworfenen Fragen sind nicht ohne Weiteres auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu beantworten. Ein erledigtes Eilverfahren ist nicht der Ort für die abschließende Klärung der genannten Streitpunkte.