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BVerwG - Entscheidung vom 02.01.2020

6 B 63.19

Normen:
LHG BW § 32 Abs. 5 S. 3

BVerwG, Beschluss vom 02.01.2020 - Aktenzeichen 6 B 63.19

DRsp Nr. 2020/2450

Klage eines Studenten gegen den Verlust seines Prüfungsanspruchs im Studienfach Humanmedizin; Fehlende Anerkennung eingereichter Atteste zur Prüfungsunfähigkeit

Die Feststellung des Inhalts der zwischen den Beteiligten getroffenen vergleichsweisen Regelungen im Wege der Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof ist aus der Perspektive des Revisionsrechts eine solche im tatsächlichen Bereich. Sie bindet das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 2. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 € festgesetzt.

Normenkette:

LHG BW § 32 Abs. 5 S. 3;

Gründe

I

Der Kläger wendet sich gegen den Verlust seines Prüfungsanspruchs im Studienfach Humanmedizin.

Der Kläger führte vor dem Verwaltungsgericht ein (erstes) Klageverfahren gegen die Entscheidung der beklagten Universität, wonach er im Rahmen der Wiederholung der Lehrveranstaltung "makroskopische Anatomie" im Februar 2011 die Teilprüfung "ventrale Rumpfwand, obere Extremität" als eine für die Erteilung des Scheins erforderliche Teilprüfung nicht bestanden habe. In diesem Klageverfahren schlossen die Beteiligten unter dem 22. März 2013 einen Vergleich. In dem Vergleich hob die Beklagte die seinerzeit angefochtene Entscheidung auf und räumte dem Kläger die Möglichkeit ein, im Wintersemester 2013/2014 an folgenden Prüfungen der Lehrveranstaltung "makroskopische Anatomie" teilzunehmen: An einer schriftlichen Prüfung im Teilgebiet "ventrale Rumpfwand, obere Extremität", an einer schriftlichen Prüfung und an einem Wiederholungsversuch zur Notenverbesserung - mündliche Prüfung im Rahmen eines Kolloquiums - im Teilgebiet "zentrales Nervensystem" sowie an einer schriftlichen Wiederholungsklausur über den Inhalt der gesamten Lehrveranstaltung. Der Kläger verzichtete auf die erneute Teilnahme an der Lehrveranstaltung im Wintersemester 2013/2014. Ferner war geregelt, dass die Beklagte die genannten Prüfungen im Rahmen der ersten Wiederholung der Lehrveranstaltung "makroskopische Anatomie" im Wintersemester 2010/2011 anerkennen und anrechnen sowie bei Absolvierung mit mindestens der Note "ausreichend" das Bestehen der Prüfungsleistungen zu dieser Lehrveranstaltung bescheinigen werde. Nachdem sich der Kläger im Wintersemester 2013/2014 hatte krankheitsbedingt beurlauben lassen, schlossen die Beteiligten unter dem 3. Juni 2014 einen außergerichtlichen Vergleich, in dem der zeitliche Rahmen für die Wahrnehmung der Möglichkeit, an Teilprüfungen der Lehrveranstaltung "makroskopische Anatomie" teilzunehmen, die dem Kläger in dem Prozessvergleich vom 22. März 2013 eingeräumt worden war, auf das Wintersemester 2014/2015 erstreckt wurde.

Der Kläger nahm weder am 24. November 2014 an der schriftlichen Prüfung im Teilgebiet "ventrale Rumpfwand, obere Extremität" noch am 9. bzw. 12. Februar 2015 an den Prüfungen im Teilgebiet "zentrales Nervensystem" oder am 20. Februar 2015 an der Klausur für die gesamte Lehrveranstaltung "makroskopische Anatomie" teil. Er übersandte jeweils Atteste zwecks Darlegung einer Prüfungsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen. Die Beklagte erkannte diese Atteste nicht an. Unter dem 26. Februar 2015 beschied die Beklagte den Kläger dahingehend, dass er die studienbegleitende Prüfungsleistung "makroskopische Anatomie" nach den Vorgaben des mit ihm geschlossenen Vergleichs endgültig nicht bestanden habe. Er habe keinen Anspruch auf Anerkennung eines wichtigen Grundes für seine Nichtteilnahme an der schriftlichen Prüfung im Teilgebiet "ventrale Rumpfwand, obere Extremität" am 24. November 2014 bzw. an den schriftlichen Prüfungen in dem Zeitraum vom 9. bis zum 20. Februar 2015. Der Kläger habe seinen Prüfungsanspruch verloren und sei von Amts wegen zu exmatrikulieren. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 30. April 2015 zurück.

Der Kläger ist mit seiner (zweiten) Klage, mit der er die Aufhebung der Bescheide vom 26. Februar und 30. April 2015 sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Zulassung zu den in dem Vergleich bezeichneten Prüfungen begehrt hat, vor dem Verwaltungsgericht erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung gegen dieses Urteil zurückgewiesen: Die angegriffenen Bescheide fänden ihre Rechtsgrundlage in § 32 Abs. 5 Satz 3 LHG BW i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 1 der für den Kläger in ihren hier maßgeblichen Bestimmungen noch anwendbaren Studienordnung der Beklagten für den Studiengang Humanmedizin (Vorklinischer und Klinischer Studienabschnitt) vom 23. Dezember 2011 (StO). Das Verwaltungsgericht habe im Ergebnis zutreffend zugrunde gelegt, dass ein Prüfungsanspruch des Klägers nach Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs vom 3. Juni 2014 allein noch auf dessen Grundlage bestanden habe. Selbst wenn man annehme, dass nach dem geschlossenen Vergleich für den Fall einer krankheitsbedingten Nichtteilnahme des Klägers an den bezeichneten Prüfungen die allgemeinen Regelungen des § 4 StO über den Rücktritt von Lehrveranstaltungen oder Prüfungen entsprechend gelten sollten, müsse die Klage ohne Erfolg bleiben. Der Kläger habe jedenfalls keinen nach dieser Vorschrift anzuerkennenden wichtigen Grund für seine Nichtteilnahme an den schriftlichen Prüfungen am 24. November 2014 sowie am 9. und 20. Februar 2015 nachgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Der Kläger erstrebt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision.

II

Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und - allenfalls sinngemäß - des Verfahrensmangels nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , welche ihr die Beschwerde beimessen will. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO maßgeblichen Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen für die von ihr als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen erfüllt sind.

Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam

- "die ... Frage, ... inwieweit sich starre Ausschlussfristen im Prüfungsverfahren verlängern lassen,"

- "die Frage ... (der) Verlängerbarkeit starrer Prüfungsfristen durch Führung eines Gerichtsverfahrens,"

- "vor dem Hintergrund, dass die einzelne Prüfungsleistung durchaus Verwaltungsaktqualität haben kann ... die Frage, wie sich eine solche Prüfungsanfechtung nicht der finalen Nichtbestehensentscheidung, sondern gerade der ersten oder wie im vorliegenden Fall zweiten Prüfung auf den Lauf einer Höchstfrist zur Prüfungsablegung auswirkt"

sowie

- "da der Kläger ... (während des laufenden Widerspruchs- und Gerichtsverfahrens) keine Prüfungsmöglichkeit eingeräumt bekam, ... die Frage, ob die Tatsache, dass der Kläger ein Gerichtsverfahren zur Überprüfung seiner zweiten Prüfung angestrengt hat, dazu führt, dass eine unverschuldete Säumnis vorlag."

Die derart aufgeworfenen Fragen führen allesamt nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Sie sind in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.

Dies ergibt sich für die letztgenannte Fragestellung bereits daraus, dass sich diese nach ihrem eindeutigen Wortlaut lediglich auf den durch das angefochtene Urteil entschiedenen Einzelfall - in seinem Verständnis durch die Beschwerde - bezieht.

Die anderen Fragen sind nach dem Inhalt des von den Beteiligten eingegangenen außergerichtlichen Vergleichs vom 3. Juni 2014 und des zu Grunde liegenden Prozessvergleichs vom 22. März 2013, den der Verwaltungsgerichtshof unter Berücksichtigung des irrevisiblen Landesrechts festgestellt hat, nicht entscheidungserheblich, weil hiernach für die von der Beschwerde angesprochenen Fristverlängerungen kein Raum war.

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass der Kläger, was die ihm zustehenden Prüfungsversuche im Rahmen der Lehrveranstaltung "makroskopische Anatomie" anbelangt, einen Prüfungsanspruch nur noch nach Maßgabe der in dem außergerichtlichen Vergleich vom 3. Juni 2014 getroffenen Regelung hatte. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich hierfür maßgeblich auf die in der landesrechtlichen Vorschrift des § 3 Abs. 2 StO enthaltene Frist von 24 Monaten nach Beginn einer scheinpflichtigen Lehrveranstaltung bezogen, binnen derer fünf Versuche von Teilprüfungen möglich sind. Diese Frist war nach Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs bereits bei Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs vom 3. Juni 2014 abgelaufen. Sie endete danach für die Lehrveranstaltung "makroskopische Anatomie" mit dem Ende des Sommersemesters 2013. Der Ablauf der Frist war durch den Prozessvergleich vom 22. März 2013 nur für die darin genannten Prüfungen bis zum Ende des Wintersemesters 2013/2014 hinausgeschoben worden.

Die Feststellung des Inhalts der zwischen den Beteiligten getroffenen vergleichsweisen Regelungen im Wege der Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof ist aus der Perspektive des Revisionsrechts eine solche im tatsächlichen Bereich. Sie bindet den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO . Denn zum einen hat die Beschwerde keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben (dazu unter 2.). Zum anderen beruht das Verständnis der Regelungen weder auf einem Rechtsirrtum - der Senat ist an den berufungsgerichtlich festgestellten Inhalt der irrevisiblen Vorschriften des § 3 Abs. 2 und des § 4 StO nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden - noch lässt es einen Verstoß gegen allgemeine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder anerkannte bundesrechtliche Auslegungsregeln erkennen. Der Vortrag der Beschwerde ist insoweit unergiebig. Soweit das Vorbringen unter der Überschrift "Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts" in diesem Zusammenhang überhaupt herangezogen werden kann, setzt die Beschwerde in ihm lediglich ihr Verständnis der Vergleichsregelungen demjenigen des Verwaltungsgerichtshofs entgegen (S. 4 bis 5 der Beschwerdebegründung vom 25. Oktober 2019).

2. Erfolglos bleibt die Beschwerde auch dann, wenn man annimmt, sie wolle sich nicht nur auf den - allein ausdrücklich benannten - Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO stützen, sondern mit dem Vortrag, den sie unter der Überschrift "Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts" anbringt, zusätzlich Verfahrensmängel des Verwaltungsgerichtshofs im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rügen. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass ein Verfahrensmangel vorliegen bzw. das angefochtene Urteil auf ihm beruhen könnte (S. 4 sowie S. 5 bis 6 der Beschwerdebegründung vom 25. Oktober 2019).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass sich für die Behauptung des Klägers, er habe während des ersten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht an weiteren Prüfungsversuchen teilnehmen dürfen, weder in der Akte der Beklagten noch in den Schriftsätzen und Unterlagen, die in dem zur Entscheidung stehenden Verfahren eingereicht worden sind, belastbare tatsächliche Anhaltspunkte finden. Die Beschwerde legt keinen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar, wenn sie ihrer - von der Beklagten nicht geteilten - Ansicht Ausdruck verleiht, die entsprechende Behauptung des Klägers sei unbestritten gewesen.

Ebenso wenig legt die Beschwerde eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO dar, wenn sie im Zusammenhang mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs, die Beklagte habe nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschrift des § 4 StO einen Rücktritt des Klägers von den in Rede stehenden Teilprüfungen auf der Basis der vorgelegten Atteste und ärztlichen Stellungnahmen zu Recht nicht genehmigt, eine unzureichende Sachverhaltsermittlung in Bezug auf die Frage eines Dauerleidens des Klägers rügt. Für die ordnungsgemäße Begründung einer Aufklärungsrüge muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände, die für das Gericht entscheidungserheblich waren, Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern deren Berücksichtigung auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Vorinstanz zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Dabei müssen die Beweismittel, deren Heranziehung sich dem Berufungsgericht hätte aufdrängen müssen, angegeben werden und es muss dargelegt werden, inwiefern das Urteil im Einzelnen auf der unterbliebenen Heranziehung beruht oder beruhen kann (stRspr, vgl. nur: BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2017 - 6 C 42.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:310517U6C42.16.0] - BVerwGE 159, 64 Rn. 31). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beschwerde bereits im Ansatz nicht.

3. Der Vortrag, den der Kläger mit Telefaxschreiben vom 30. Oktober 2019 persönlich angebracht hat, kann (jedenfalls) wegen der Nichteinhaltung des Vertretungserfordernisses aus § 67 Abs. 4 VwGO keine Berücksichtigung finden.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 02.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 9 S 283/18