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BVerwG - Entscheidung vom 25.06.2020

1 WB 72.19

Normen:
WBO § 6 Abs. 1
WBO § 7 Abs. 1
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1

BVerwG, Beschluss vom 25.06.2020 - Aktenzeichen 1 WB 72.19

DRsp Nr. 2020/11746

Kein Anspruch auf rückwirkende Zulassung zum Laufbahnaufstieg bei entgegenstehender Bestandskraft; Ablehnung der Zulassung eines Soldaten zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes mangels erforderlicher Mindestrestdienstzeit vor Rechtsänderung; Kein unabwendbarer Zufall im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO bei Versäumung der Beschwerdefrist aufgrund mangelnder Rechtskenntnisse; Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens

1. Kenntnis vom Beschwerdeanlass liegt nicht erst dann vor, wenn der Beschwerdeführer weiß, dass seine Beschwerde jedenfalls im gerichtlichen Antragsverfahren Erfolg haben wird.2. Es ist einem Soldaten zumutbar, sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrages auch dann zu wehren, wenn höchstrichterliche Rechtsprechung, deren Anwendung seinen Rechtsbehelf erfolgreich macht, noch nicht besteht oder ihm noch nicht bekannt ist.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Normenkette:

WBO § 6 Abs. 1 ; WBO § 7 Abs. 1 ; VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

I

Der Antrag betrifft die rückwirkende Zulassung des Antragstellers zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes.

Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Mit Wirkung vom 11. Juni ... wurde er zum Stabsfeldwebel befördert. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem September ... enden.

Mit Bescheid vom 22. Juni 2015, dem Antragsteller ausgehändigt am 27. Juli 2015, lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antrag vom 14. August 2014 auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes ab. Dem Antragsteller fehle bezogen auf die besondere Altersgrenze eines Hauptmanns und Berufssoldaten die erforderliche Mindestrestdienstzeit von 15 Jahren.

Auf einen erneuten Antrag auf Laufbahnwechsel vom 27. Mai 2016 wurde der Antragsteller mit Wirkung vom 1. Oktober 2017 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zugelassen. Die Entscheidung war ihm mit Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 18. April 2017 eröffnet worden.

Unter dem 17. Februar 2018 bat der Antragsteller unter Bezugnahme auf Parallelfälle um Prüfung auch seiner rückwirkenden Zulassung zum Laufbahnaufstieg für das Auswahljahr 2015. Dies lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr mit Bescheid vom 14. März 2018, dem Antragsteller am 28. März 2018 ausgehändigt, ab. Die Ablehnung der Zulassung durch Bescheid vom 22. Juni 2015 sei nach damaliger Rechtslage rechtmäßig gewesen, da erst mit einem Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 5. Oktober 2015 die allgemeine Altersgrenze als Bezugsgröße für die Restdienstzeit festgelegt worden sei. In den angeführten Parallelfällen hätten die Betroffenen anders als der Antragsteller gegen ablehnende Bescheide Rechtsmittel eingelegt.

Am 19. November 2018 legte der Antragsteller gegen den Bescheid vom 22. Juni 2015 und den Bescheid vom 14. März 2018 Beschwerde ein, beantragte die Rücknahme dieser Bescheide und ein Wiederaufgreifen des Verfahrens sowie die umgehende Beförderung zum Leutnant und Schadlosstellung. Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 14. Januar 2019 führte er aus, er habe erst durch eine Anfrage beim Deutschen Bundeswehrverband e.V. am 13. November 2018 Kenntnis vom Beschluss des Senats vom 28. März 2018 - 1 WB 8.17 - erhalten, nach dem die Forderung nach einer Restdienstzeit von 15 Jahren rechtswidrig gewesen sei. Die Beschwerde sei nicht verfristet, da der Bescheid vom 14. März 2018 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalte. Zudem bestehe wegen einer Änderung der Sach- und Rechtslage durch Außerkraftsetzung einer Erlassregelung ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens. Es liege auch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor. Mit der Entscheidung vom 28. März 2018 - 1 WB 8.17 - habe das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung geändert, die zuvor von der Vereinbarkeit von Restdienstzeiten mit dem Vorbehalt des Gesetzes ausgegangen sei (BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 1 WDS-VR 23.13 -). Hierin liege keine Fortentwicklung einer bestehenden Rechtsprechung, sondern die Abkehr von früheren Grundsätzen und eine neue Rechtsauffassung. Dass dies Berücksichtigung finden müsse, komme im Rechtsgedanken des § 48 Abs. 2 SGB X zum Ausdruck. Jedenfalls habe er einen Anspruch auf Rücknahme. Das Rücknahmeermessen sei auf Null reduziert, weil der Bestand der Ablehnung mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar und damit schlichthin unerträglich sei.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2019, am 3. Juni 2019 beim Bundesministerium der Verteidigung eingegangen, hat der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 4. November 2019 dem Senat vorgelegt.

Der Antragsteller macht geltend, die Beschwerde sei nicht verfristet. Für die Fristberechnung sei nicht die Kenntnis der angegriffenen Bescheide, sondern die Kenntnis des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. März 2018 maßgeblich, von dem der Antragsteller erst nach einer Nachfrage beim Deutschen Bundeswehrverband e.V. erfahren habe. Als juristischem Laien sei ihm nicht zuzumuten, selbst die Rechtsprechungsentwicklung zu verfolgen und hieraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Der Bescheid vom 14. März 2018 sei in Unkenntnis des genannten Beschlusses ergangen und enthalte keinen Anhaltspunkt für generelle Änderungen der Erlasslage. Er biete daher keinen Anlass für die Annahme von Handlungsbedarf. Jedenfalls lägen Umstände im Sinne von § 7 Abs. 2 WBO vor. Davon unabhängig bestehe auch ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens aus § 51 VwVfG , der nicht im Ermessen des Dienstherrn stehe. Eine Änderung der Sachlage liege in der Änderung von Erlassen des Dienstherrn. Eine Änderung der Rechtslage folge aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. März 2018. Die Entscheidung stelle nicht nur eine Änderung der Rechtsprechung dar, habe vielmehr das materielle Fachrecht geändert. Er habe nämlich das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage festgestellt und damit Handlungsbedarf für den Erlass eines materiell-rechtlichen Gesetzes ausgelöst. Auch die Voraussetzungen des § 48 VwVfG lägen vor. Der Bestand der auf seinen Fall angewandten früheren Rechtslage wäre hiernach schlichthin unerträglich. Die Rücknahme des Ablehnungsbescheides verpflichte zu der sinngemäß beantragten Neubescheidung.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung der Bescheide vom 22. Juni 2015 sowie 14. März 2018 das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, ihn mit Wirkung zum 1. Oktober 2015 zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zuzulassen.

Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beschwerde des Antragstellers vom 19. November 2018 sei verfristet. Hinsichtlich beider mit ihr angegriffener Bescheide sei die Monatsfrist längst abgelaufen gewesen. Als truppendienstliche Erstmaßnahmen hätten die Bescheide keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedurft. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG . Von der durch Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung geänderten Erlasslage habe der Antragsteller mit Aushändigung des Bescheides vom 14. März 2018 Kenntnis gehabt, sodass der Antrag auf Wiederaufgreifen die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht wahre. Wenn man im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. März 2018 eine Änderung der Rechtslage sehe, sei der Antrag ebenfalls verfristet, denn hierfür komme es auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme an, die mit der Veröffentlichung des Beschlusses auf der Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts am 24. April 2018 bestanden habe. Zudem ändere der Beschluss nicht die Rechtslage, sondern entscheide in einem Einzelfall mit Wirkung unter den Beteiligten. Nach dem Beschluss sei eine Rechtsdienstzeit sogar grundsätzlich zulässig, sodass der Bestand des Ablehnungsbescheides auch nicht schlechthin unerträglich sei. Auf Folgerungen aus dem Beschluss könne sich nur berufen, wer fristgerecht Beschwerde eingelegt habe. Das Wiederaufgreifen liege im pflichtgemäßen Interesse des Dienstherrn. Hier sei der Rechtssicherheit Vorrang eingeräumt worden, da das Wiederaufgreifen die Neubewertung einer Vielzahl bestandskräftiger Entscheidungen bedeute. Der Antragsteller habe auch keinen Anspruch auf eine Rücknahme nach § 48 VwVfG . Mit einer bloßen Rücknahme könne der Antragsteller das Ziel einer rückwirkenden Laufbahnzulassung zudem nicht erreichen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist er zulässig als Untätigkeitsantrag gestellt worden, weil das Bundesministerium der Verteidigung über die Beschwerde des Antragstellers nicht innerhalb eines Monats entschieden hat (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO ).

Der Antragsteller ist auch antragsbefugt. Er kann wegen seines Antrages auf Zulassung zum Aufstieg in eine höhere Laufbahn eine mögliche Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruches aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG geltend machen. Zudem kann er auch geltend machen, möglicherweise einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen entsprechenden Antrag zu haben.

Seiner Zulassung steht nicht entgegen, dass der maßgebliche Zulassungstermin bereits verstrichen ist. Der Rechtsstreit hat sich hierdurch nicht in der Hauptsache erledigt, weil eine rückwirkende Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes rechtlich zulässig ist und nach der Praxis des Bundesministeriums der Verteidigung aufgrund einer Ausnahmegenehmigung noch erfolgen könnte, wenn der Zulassungsantrag in der Sache erfolgreich wäre (BVerwG, Beschluss vom 28. März 2018 - 1 WB 8.17 - Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002 Nr. 6 Rn. 14 m.w.N.).

2. Der Antrag ist aber unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf rückwirkende Zulassung zum Laufbahnaufstieg zum 1. Oktober 2015. Der Ablehnungsbescheid vom 22. Juni 2015 ist bestandskräftig und der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens.

a) Sein ursprünglicher Antrag vom 14. August 2014 ist mit Bescheid vom 22. Juni 2015 bestandskräftig abgelehnt worden. Die Beschwerde vom 19. November 2018 hiergegen ist verfristet.

Nach § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer Nacht und muss innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind, aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt (BVerwG, Beschluss vom 27. November 2014 - 1 WB 61.13 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 91 Rn. 32 m.w.N.).

Kenntnis vom Beschwerdeanlass hatte der Antragsteller durch die Aushändigung des Bescheides am 27. Juli 2015. Nach dessen Durchsicht wusste er um die Ablehnung seines Antrages und die Beeinträchtigung des von ihm mit der Antragstellung geltend gemachten Rechts. Er hatte damit Anlass, Beschwerde einzulegen. Kenntnis vom Beschwerdeanlass liegt nicht erst dann vor, wenn der Beschwerdeführer weiß, dass seine Beschwerde jedenfalls im gerichtlichen Antragsverfahren Erfolg haben wird. Es kommt daher nicht darauf an, ob und wann er einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem von ihm geltend gemachten Anspruch zur Kenntnis nimmt.

Der Fristablauf wurde nicht durch Umstände gehemmt, die im Sinne von § 7 WBO als unabwendbarer Zufall zu werten sind.

Es liegt kein Fall des § 7 Abs. 2 WBO vor. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr bedurfte als truppendienstliche Erstmaßnahme, gegen die nicht unmittelbar der Antrag auf gerichtliche Entscheidung eröffnet ist, keiner Rechtsbehelfsbelehrung, weil die Regelungen über die Beschwerdeeinlegung als jedem Soldaten bekannt vorausgesetzt werden können (BVerwG, Beschlüsse vom 6. Oktober 2015 - 1 WDS-VR 1.15 - Rn. 39 m.w.N., vom 1. März 2018 - 1 WB 27.17 - juris Rn. 22 und vom 21. November 2019 - 1 WB 16.19 - juris Rn. 22).

Ein unabwendbarer Zufall im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO liegt auch nicht in dem Umstand, dass der Soldat die Rechtswidrigkeit des Bescheids nicht erkennen konnte, weil der Senat erst mit Beschluss vom 28. März 2018 über die Zulässigkeit der Festsetzung einer mehrjährigen Restdienstzeit als Voraussetzung für den Laufbahnaufstieg in einer Verwaltungsvorschrift entschieden hat. Mangelnde Rechtskenntnisse sind keine unabwendbaren Zufälle (Dau/Scheuren, 7. Aufl. 2020, WBO § 7 Rn. 12 m.w.N.). Es ist einem Soldaten zumutbar, sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrages auch dann zu wehren, wenn höchstrichterliche Rechtsprechung, deren Anwendung seinen Rechtsbehelf erfolgreich macht, noch nicht besteht oder ihm noch nicht bekannt ist. Im Übrigen kam es im Fall des Antragstellers auf die Rechtsprechungsänderung nicht an, weil er bereits aufgrund eines Einwandes gegen die Berechnung der Restdienstzeit hätte Erfolg haben können.

Die Monatsfrist für die Einlegung der Beschwerde endete demgemäß mit Ablauf des 27. August 2015 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 187 Abs. 1 , § 188 Abs. 2 BGB ). Diese Frist ist mit der am 19. November 2018 abgefassten und am selben Tag beim Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers eingegangenen Beschwerde nicht gewahrt.

Ein Fristmangel ist auch nicht deswegen unbeachtlich, weil die Beschwerdestelle dessen ungeachtet in der Sache entschieden hätte (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 1 WB 40.18 - Rn. 12), da das Bundesministerium der Verteidigung sich ausdrücklich auf die Verfristung der Beschwerde beruft und in eine erneute Sachprüfung nicht eingetreten ist.

b) Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens. Der den entsprechenden Antrag ablehnende Bescheid vom 14. März 2018 ist formell und materiell rechtmäßig.

aa) Truppendienstliche Maßnahmen können nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 48 - 51 VwVfG auch dann aufgehoben werden, wenn sie nach den Regelungen über die Frist zur Ausübung des Beschwerderechts (§§ 6 und 7 WBO ) unanfechtbar und damit bestandskräftig geworden sind. Diese Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind auf truppendienstliche Maßnahmen entsprechend anwendbar (BVerwG, Beschlüsse vom 28. Februar 2012 - 1 WB 22.11 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 82 Rn. 18 m.w.N. und vom 14. Dezember 2017 - 1 WB 42.16 - juris Rn. 24).

Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG liegen jedoch nicht vor. Die der Beurteilung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage hat sich nicht nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ).

Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers hat der Beschluss des Senats vom 28. März 2018 - 1 WB 8.17 - keine Änderung der Rechtslage bewirkt. Richterliche Rechtsanwendung und Rechtserkenntnis sind mit einer Änderung des maßgeblichen materiellen Rechts und damit der Rechtslage nicht verbunden. Auch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ändert jedenfalls grundsätzlich die Rechtslage nicht (BVerwG, Beschlüsse vom 25. Mai 1981 - 8 B 89.80 und 93.80 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 9 S. 1, vom 16. Februar 1993 - 9 B 241.92 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 29 S. 15 sowie Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 <89>). Etwas anderes mag in Betracht kommen, wenn eine geänderte Rechtsprechung Ausdruck einer neuen allgemeinen Rechtsauffassung ist (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 1 WB 22.11 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 82 Rn. 19). Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich hier allerdings nicht. Zum einen liegt keine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Festsetzung von Restdienstzeiten durch Verwaltungsvorschriften vor. Der Beschluss gibt keine vorherige anderslautende Rechtsprechung auf. Zum anderen ist er auch nicht Ausdruck einer neuen allgemeinen Rechtsauffassung. Denn er wendet - wie er auch ausdrücklich unter Verweis auf Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts anführt - den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfestigten Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, der auch bislang bereits Grundlage ständiger Rechtsprechung des Senats gewesen ist, auf die Frage nach der Zulässigkeit einer Regelung durch Verwaltungsvorschriften an.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 48 Abs. 2 SGB X . Denn der Anwendungsbereich dieser Norm ist nicht eröffnet. Als Ausnahmevorschrift ist sie einer Analogie nicht zugänglich.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass sich nach Erlass des Erstbescheides und in der Folge der Gerichtsentscheidung Verwaltungspraxis und Verwaltungsvorschriften änderten: Die Änderung einer behördlichen Verwaltungspraxis und der ihr zugrundeliegenden Verwaltungsvorschriften stellt keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 VwVfG dar (BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 1993 - 9 B 241.92 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 29 S. 16 m.w.N.).

bb) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass das Ermessen des zuständigen Vorgesetzten, ob er die Sache erneut aufgreifen soll, auf Null reduziert wäre. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass nach den besonderen Umständen des konkreten Falles die Aufrechterhaltung der bestandskräftigen Entscheidung schlechthin unerträglich wäre (BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 WB 12.04 - Buchholz 402.8 § 17 SÜG Nr. 2 m.w.N.).

Dass der Antragsteller durch die Verzögerung der Zulassung zum Laufbahnaufstieg unzumutbare finanzielle oder berufliche Nachteile erlitten hätte, macht er weder substantiiert geltend noch ist dies ersichtlich. Zudem war es ihm möglich und auch zumutbar, gegen den ablehnenden Bescheid vom 22. Juni 2015 Rechtsmittel einzulegen. Er nimmt selbst Parallelfälle von Kameraden in Bezug, die durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs und die Verhinderung der Bestandskraft der Ablehnung eine rückwirkende Zulassung erreicht haben. Gleichbehandlung mit diesen kann er daher aufgrund der wesentlich anders gelagerten Sachverhalte nicht verlangen.

c) Soweit der Antragsteller einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hatte, ist dieser durch den angegriffenen Bescheid erfüllt. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, dem öffentlichen Interesse am Erhalt der Bestandskraft Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers an ihrer Durchbrechung zu geben, wenn der Antragsteller - wie hier - eine zumutbare Möglichkeit gehabt hatte, den Eintritt der Bestandskraft durch ein Rechtsmittel zu verhindern.