Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 16.01.2020

2 WD 2.19

Normen:
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
EMRK Art. 6
WDO § 82 Abs. 1 S. 1
WDO § 18 Abs. 2
WDO § 84 Abs. 2
WDO § 16 Abs. 1 Nr. 2
SG § 7
SG § 11 Abs. 1
SG § 17 Abs. 2 S. 1 und 3
SG § 17 Abs. 1
StGB § 316 Abs. 1
StGB § 316 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
EMRK Art. 6
WDO § 82 Abs. 1 S. 1
WDO § 18 Abs. 2
WDO § 84 Abs. 2
WDO § 16 Abs. 1 Nr. 2
SG § 7
SG § 11 Abs. 1
SG § 17 Abs. 2 S. 1 und S. 3
SG § 17 Abs. 1
StGB § 316 Abs. 1
StGB § 316 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
EMRK Art. 6
WDO § 82 Abs. 1 S. 1
WDO § 18 Abs. 2
WDO § 84 Abs. 2
WDO § 16 Abs. 1 Nr. 2
SG § 7
SG § 11 Abs. 1
SG § 17 Abs. 2 S. 1 und S. 3
SG § 17 Abs. 1
StGB § 316 Abs. 1
StGB § 316 Abs. 2

Fundstellen:
NVwZ-RR 2020, 647
ZBR 2020, 266

BVerwG, Urteil vom 16.01.2020 - Aktenzeichen 2 WD 2.19

DRsp Nr. 2020/5706

Gerichtliches Disziplinarverfahren gegen einen Soldaten wegen Vorwürfen des vorschriftenwidrigen Umgangs mit Schusswaffen, des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst, einer außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt und der Gehorsamsverweigerung; Angemessehnheit einer Degradierung wegen einer Vielzahl nach Art und Schwere vergleichsweise weniger schwerwiegender Dienstpflichtverletzungen und gravierender Persönlichkeitsdefizite

1. Der Grundsatz des einheitlichen Dienstvergehens verleiht dem Berufungsgericht nicht die Befugnis, weitere angeschuldigte Pflichtverletzungen abzuurteilen, wenn über sie erstinstanzlich noch nicht entschieden ist.2. Da beim Disziplinarrecht nicht die Tat als solche im Vordergrund steht, sondern die durch sie zum Ausdruck gekommenen Charakter- und Persönlichkeitsmängel, können Gesichtspunkte zur Persönlichkeit und besondere Vertrauensbeeinträchtigungen eine bestimmte Disziplinarmaßnahme selbst dann gebieten, wenn sie nach Eigenart und Schwere des Dienstvergehens für sich genommen nicht verlangt wäre.

1. Das Berufungsgericht ist nicht befugt, weitere angeschuldigte Pflichtverletzungen abzuurteilen, über die erstinstanzlich noch nicht entschieden worden ist.2. Stehen mehrere Verfehlungen in Rede, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Regelmaßnahme für diejenige Verfehlung, die den Schwerpunkt des Dienstvergehens bildet.3. Der vorsätzliche Verstoß eines Soldaten gegen Sicherheitsvorschriften im Umgang mit Schusswaffen rechtfertigt grundsätzlich eine Herabsetzung im Dienstgrad.

Tenor

Die Berufung des früheren Soldaten gegen das Urteil der 3. Kammer des Truppendienstgericht Süd vom 25. September 2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass er in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten der Reserve herabgesetzt wird.

Der frühere Soldat trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen.

Normenkette:

GG Art. 19 Abs. 4 ; GG Art. 2 Abs. 1 ; GG Art. 20 Abs. 3 ; EMRK Art. 6 ; WDO § 82 Abs. 1 S. 1; WDO § 18 Abs. 2 ; WDO § 84 Abs. 2 ; WDO § 16 Abs. 1 Nr. 2 ; SG § 7 ; SG § 11 Abs. 1 ; SG § 17 Abs. 2 S. 1 und S. 3; SG § 17 Abs. 1 ; StGB § 316 Abs. 1 ; StGB § 316 Abs. 2 ;

Gründe

I

Das Verfahren betrifft die disziplinaren Vorwürfe des vorschriftenwidrigen Umgangs mit Schusswaffen, des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst, einer außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt und der Gehorsamsverweigerung.

1. Der 33-jährige frühere Soldat war von Juli 2006 bis Juni 2008 und von Oktober 2013 bis Ende September 2019 Zeitsoldat. In den ersten Jahren führte sich der ledige und kinderlose Soldat ohne Beanstandungen und nahm an einem Auslandseinsatz teil. 2014 wurde er zum Stabsgefreiten befördert. Wegen mehrerer Vorfälle von Mai 2015 bis Februar 2016 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft den früheren Soldaten nach Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens am 12. Dezember 2016 beim Truppendienstgericht wie folgt angeschuldigt:

1. Der Soldat hielt sich am 24. Mai 2015 im Wachlokal der ...- Kaserne ... während seines Wachdienstes zu einem unbekannten Zeitpunkt in der Zeit zwischen 07:30 Uhr und 13:37 Uhr eine Pistole P8 an die rechte Schläfe, obwohl er wusste, zumindest hätte wissen können und müssen, dass nach Nummer 423 der Zentralrichtlinie A2-222/0-0-4740 "Die Pistolen P1, P7, P8 und die Maschinenpistolen MP2/MP2A1, MP5K" der spielerische Umgang mit der Pistole Menschen gefährden kann und es verboten ist, die Waffe ohne Ausbildungszwecke oder entsprechenden Auftrag zu benutzen.

2. Der Soldat blieb am 31. Mai 2015 in der ...-Kaserne ... seinem von 07:00 Uhr bis 19:30 Uhr dauernden Dienst als Torposten unerlaubt fern, obwohl er wusste, dass ihm die Ableistung des Wachdienstes gemäß Diensteinteilung des Kompaniefeldwebels des Stabszugs ... vom 23. April 2015 befohlen war.

3. Der Soldat befuhr am 12. Juni 2015 gegen 00:45 Uhr den Kreisverkehr auf der ...-Straße in G. in Fahrtrichtung ...- Kaserne mit dem Personenkraftwagen, amtliches Kennzeichen, ..., obwohl er, was er zumindest hätte erkennen können und müssen, aufgrund seines vorangegangenen Alkoholkonsums (Blutalkoholgehalt der um 01:45 Uhr entnommenen Blutprobe: 1,09 g ) nicht mehr in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen.

4. Der Soldat sagte am Vormittag des 25. Februar 2016 während einer Crowd-Riot-Control-Ausbildung in der ...-Kaserne ... in Richtung seines Ausbilders, dem Zeugen Hauptfeldwebel der Reserve ..., "Ihr könnt mich alle mal am Arsch lecken", weil dieser ihn zuvor wiederholt ermahnt hatte, nicht so aggressiv nach dem Schutzschild der Lehrgangsteilnehmer in der Postenkette zu greifen. Als der Zeuge daraufhin sein Verhalten rügte, warf er aus Verärgerung seinen Schutzhelm auf den Boden.

2. Der Disziplinarvorgesetzte hatte wegen des Anschuldigungspunktes 3 zunächst am 5. August 2015 einen strengen Verweis erteilt und wegen der Anschuldigungspunkte 1 und 3 mit Verfügung vom 21. Januar 2016 unter Feststellung eines Dienstvergehens von einer einfachen Disziplinarmaßnahme abgesehen.

Am 14. März 2017 wurde dem früheren Soldaten eine Disziplinarbuße erteilt, weil er am 10. Januar 2017 auf dem Kasernengelände Pkw-Driftübungen durchgeführt hatte, gegen einen Container geprallt war und dadurch zwei Kameraden im Pkw gefährdet hatte, worüber er wahrheitswidrige Angaben gemacht hatte.

3. Das Truppendienstgericht hat den früheren Soldaten mit Urteil vom 25. September 2018 unter Aufhebung des strengen Verweises vom 5. August 2015 in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten herabgesetzt. Er habe die Vorwürfe Nr. 1 bis 3 der Anschuldigungsschrift eingeräumt. Auch der Vorwurf Nr. 4 sei abgesehen vom konkreten Inhalt der Bemerkung erwiesen. Er habe sich damit eines Dienstvergehens schuldig gemacht. Erschwerend wirke, dass er keinen Dienst an Waffen leisten und kein dienstliches Kraftfahrzeug mehr führen dürfe. Kameraden hätten seine Funktionen übernehmen müssen. Auch das teilweise Bekanntwerden seiner Verfehlungen bei den Strafverfolgungsbehörden gehe zu seinen Lasten, da es ein schlechtes Licht auf die Bundeswehr werfe. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen Dienstvorschriften im Umgang mit Schusswaffen eine Herabsetzung im Dienstgrad. Die Kammer habe diese auf einen Dienstgrad beschränkt, obwohl dem früheren Soldaten nur in geringem Umfang persönliche Milderungsgründe zur Seite stünden und seine Leistungen und Dienstwilligkeit eher mäßig seien. Sie habe sein Teilgeständnis, seine Reue und seine fehlende strafrechtliche und disziplinare Vorbelastung mildernd berücksichtigt.

4. Mit seiner fristgerechten unbeschränkten Berufung macht der frühere Soldat geltend, in der Pistole sei lediglich ein leeres Magazin gewesen. Er bedauere diese persönlichkeitsfremde Augenblickstat. Er sei bereits in einem Auslandseinsatz gewesen und vorher nie wegen derartiger Verstöße aufgefallen. Den Wachdienst habe er versehentlich versäumt und dafür bereits einen strengen Verweis erhalten. Wegen der fahrlässigen Trunkenheitsfahrt sei gegen ihn schon mit dem Strafbefehl und der Abnahme des Dienstführerscheins vorgegangen worden. Die im Vorwurf Nr. 4 wiedergegebene Äußerung habe er nicht getätigt. Er habe lediglich wegen einer ungerechten Behandlung seinen Schutzhelm auf den Boden geworfen, wofür er sich entschuldigt habe. Eine Dienstgradherabsetzung sei unverhältnismäßig. Er sei strafrechtlich und disziplinar nicht vorbelastet und habe sich nicht bewähren können, weil er nur noch mit einfachsten unterstützenden Tätigkeiten betraut worden sei. Auch sei er wegen des Disziplinarverfahrens für einen Einsatz in Mali nicht berücksichtigt worden. Durch die Beförderungssperre und die Abnahme des Dienstführerscheins sei er bereits erheblich bestraft worden.

5. Nach Einleitung eines weiteren gerichtlichen Disziplinarverfahrens durch Verfügung vom 22. Juli 2019 ist der frühere Soldaten am 15. Januar 2020 beim Truppendienstgericht wie folgt angeschuldigt worden:

"Der frühere Soldat blieb im Zeitraum vom 3. bis 21. Dezember 2018 im Rahmen eines Berufsorientierungspraktikums seinem Dienst ... aufgrund einer - tatsächlich nicht bestehenden - Krankheit fern und unterließen es, seinen nächsten Disziplinarvorgesetzten hierüber in Kenntnis zu setzen, obwohl er aufgrund des Bescheides des Karrierecenters der Bundeswehr ... vom 21. November 2018 dazu verpflichtet war, was er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen."

6. Der frühere Soldat bezieht Übergangsgebührnisse. Die Übergangsbeihilfe wurde einbehalten. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Person, zur Anschuldigung, zum truppendienstlichen Verfahren und zur Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf das Urteil des Truppendienstgerichts verwiesen. Zu den im Berufungsverfahren eingeführten Urkunden, Vernehmungsprotokollen, Augenscheinsobjekten und Zeugenvernehmungen wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung Bezug genommen.

II

Die zulässige Berufung des früheren Soldaten ist unbegründet.

1. Verfahrensfehler liegen nicht vor. Insbesondere ist die Sache nicht gemäß § 121 Abs. 2 WDO wegen eines Verstoßes des Truppendienstgerichts gegen den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens an das Truppendienstgericht zurückzuverweisen. Zwar sind nach § 18 Abs. 2 WDO mehrere Pflichtverletzungen eines Soldaten dann als ein Dienstvergehen zu ahnden, wenn über sie gleichzeitig entschieden werden kann. Über die am 15. Januar 2020 angeschuldigte Tat konnte das Truppendienstgericht im angefochtenen Urteil jedoch noch nicht entscheiden, weil der Tatzeitpunkt nach Erlass des Urteils datiert. Es konnte auch nicht über die der Disziplinarbuße vom 14. März 2017 zugrundeliegende Tat entscheiden, weil diese nicht angeschuldigt worden ist.

2. Da der frühere Soldat die Berufung in vollem Umfang eingelegt hat, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung aufgrund eigener Tat- und Schuldfeststellungen unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO ) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Zu beurteilen sind dabei nach § 18 Abs. 2 WDO ebenfalls nur die am 12. Dezember 2016 angeschuldigten Vorwürfe. Über den zuletzt angeschuldigten Vorwurf hat der Senat nicht zu entscheiden, weil dazu noch kein erstinstanzliches Urteil ergangen und kein Berufungsverfahren anhängig ist, das mit dem vorliegenden Verfahren verbunden werden könnte. Würde man den nachträglich angeschuldigten Sachverhalt unmittelbar ins Berufungsverfahren einbeziehen, ginge dem früheren Soldaten eine Instanz verloren. Damit wäre der Rechtsweg des früheren Soldaten unzulässig verkürzt. Außerdem stünde der maßnahmeverschärfenden Berücksichtigung weiterer Anschuldigungspunkte das im vorliegenden Berufungsverfahren geltende Verschlechterungsverbot des § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO entgegen, so dass auch deswegen eine gleichzeitige Entscheidung nicht im Sinne von § 18 Abs. 1 WDO möglich ist. Soweit der Senat im Beschluss vom 5. Februar 2002 - 2 WDB 16.01 - (NZWehrr 2002, 214 ) eine abweichende Auffassung vertreten hat, hält er daran nicht mehr fest. Eine Aussetzung des Berufungsverfahrens bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über die nachträgliche Anschuldigung würde dem Beschleunigungsgebot des § 17 Abs. 1 WDO widersprechen.

Ausgehend davon ist jedenfalls keine mildere als die vom Truppendienstgericht verhängte Herabsetzung um einen Dienstgrad geboten.

3. In tatsächlicher Hinsicht sind die Vorwürfe Nr. 1 bis 3 der Anschuldigungsschrift vollumfänglich, der Vorwurf Nr. 4 teilweise erwiesen.

a) Die Anschuldigung Nr. 1 hat der frühere Soldat eingeräumt. Sie wird durch ein Foto bestätigt. Dabei ist nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" davon auszugehen, dass in der Pistole - wie der frühere Soldat unwiderlegbar behauptet hat - ein leeres Magazin steckte. Er wusste als Wachsoldat, dass sein Verhalten gleichwohl unzulässig war und nahm dies billigend in Kauf.

b) Den Vorwurf Nr. 2 hat der frühere Soldat in objektiver Hinsicht ebenfalls bestätigt. Nach der "Diensteinteilung Wache für den Zeitraum Mai 2015" vom 23. April 2015 war er an dem Tag als stellvertretender Wachhabender für den Wachdienst eingeteilt und ist - auch ausweislich der Dokumentation - nicht erschienen. Allerdings konnte ihm nicht nachgewiesen werden, dass er dem Dienst wissentlich fernblieb. Dagegen spricht sein Anruf beim Wachhabenden gegen 9:40 Uhr, der nach seinen Angaben sofort erfolgte, nachdem er dessen zwei Stunden zuvor erfolgten Anruf auf seinem Handy wahrgenommen hatte.

c) Die Anschuldigung Nr. 3 steht für den Senat aufgrund des rechtskräftigen Strafbefehls vom 27. August 2015 nach § 84 Abs. 2 WDO fest. Die dahingehende Indizwirkung des Strafbefehls ist nicht entkräftet worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2019 - 2 WD 26.18 - juris Rn. 17 m.w.N.). Vielmehr hat der frühere Soldat die Vorsatztat zugegeben.

d) Hinsichtlich des Vorwurfs Nr. 4 hat er eingeräumt, während der Crowd-and-Riot-Control-Ausbildung aus Verärgerung seinen Schutzhelm auf den Boden geworfen zu haben, was die Zeugen A, B und C in der Berufungshauptverhandlung bestätigt haben. Die Beweisaufnahme hat ferner ergeben, dass er bei der Übung entgegen der mit einem Anspruch auf Gehorsam verbundenen Anweisung des Ausbilders D aggressiv nach dem Schutzschild von Lehrgangsteilnehmern in der Postenkette griff. Dies ist aus der glaubhaften Aussage des Zeugen B zu schließen, welche sich mit der entsprechenden schlüssigen Behauptung des erstinstanzlich vernommenen Ausbilders D deckt. Aus den Aussagen der übrigen Zeugen folgt nichts Gegenteiliges. Demgegenüber hat keiner der in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen bestätigt, dass der frühere Soldat in Richtung des Ausbilders D "Ihr könnt mich alle mal am Arsch lecken" geäußert hat.

4. Nach § 23 Abs. 1 SG hat der frühere Soldat mit den erwiesenen Vorwürfen ein gemäß § 18 Abs. 2 WDO einheitlich zu ahndendes Dienstvergehen begangen, indem er mehrfach schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt hat.

a) Mit dem erwiesenen Vorwurf Nr. 1 hat er vorsätzlich seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG ) verletzt, die zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung verpflichtet. Danach sind Weisungen des Dienstherrn auch in Form von Verwaltungsvorschriften zu beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2011 - 2 WD 5.10 - juris Rn. 39). Nach Ziffer 423 der Zentralrichtlinie A2-222/0-0-4740 ("Die Pistolen P1, P7, P8 und die Maschinenpistolen MP2/MP2A1, MP5K") ist es verboten, die Waffe ohne Ausbildungszweck oder entsprechenden Auftrag zu benutzen, auf Personen zu zielen (außer im Verlauf von Übungen mit Manövermunition und im Einsatz) und am Abzug oder an der Sicherung zu spielen, weil der spielerische Umgang mit der Pistole andere gefährden oder zu Schäden an der Waffe führen kann. Dies war dem früheren Soldaten bekannt. Nach Sinn und Zweck der Weisung umfasst sie auch das Verbot, sich im Dienst eine Pistole P8 mit leerem Magazin an die eigene Schläfe zu halten. Wenngleich durch eine solche Handhabung die körperliche Unversehrtheit nicht konkret gefährdet wird, birgt sie die Gefahr, dass die Hemmschwelle für Spielereien mit der Pistole sinkt oder dass sie z. B. "aus der Hand rutscht" und beschädigt wird. Damit einher geht eine vorsätzliche Verletzung der Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG ).

b) Mit der erwiesenen Anschuldigung Nr. 2 hat der frühere Soldat die Pflicht zum treuen Dienen verletzt, die auch zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung verpflichtet, ferner die Gehorsamspflicht (§ 11 Abs. 1 SG i.V.m. der "Diensteinteilung Wache für den Zeitraum Mai 2015" des Kompaniefeldwebels des Stabszugs ... vom 23. April 2015 i.V.m. Teil II Nr. 3 f der Besonderen Wachanweisung des Kasernenkommandanten vom 1. Juli 2013) sowie die Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG ). Die Pflichtverletzungen hat er fahrlässig begangen, weil er hätte erkennen können und müssen, dass er an dem Tag Dienst hatte.

c) Mit dem erwiesenen Vorwurf Nr. 3 hat der frühere Soldat fahrlässig seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 SG ) verletzt. Die angeschuldigte Trunkenheitsfahrt im Stadtgebiet von G. mit 1,09 fand außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen statt. Sie war geeignet, die Achtung und das Vertrauen, die die dienstliche Stellung des früheren Soldaten erforderte, ernsthaft zu beeinträchtigen. Bei einer außerdienstlichen Straftat sind die aus dem Verstoß gegen die Strafrechtsordnung resultierenden Zweifel an der Rechtstreue eines Soldaten und damit an seiner Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit umso größer, je höher die Sanktionsdrohung der betreffenden Strafnorm ist. Ermöglicht die Sanktionsdrohung - wie hier (vgl. § 316 Abs. 1 und 2 StGB ) - noch keine Freiheitsstrafe im mittleren Bereich, bedarf es zur Begründung einer allein aus Zweifeln an der Rechtstreue des Soldaten resultierenden Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Fehlverhaltens zusätzlicher Umstände (BVerwG, Urteil vom 24. August 2018 - 2 WD 3.18 - BVerwGE 163, 16 Rn. 53). Solche liegen hier vor. Denn die Trunkenheitsfahrt begann auf dem Kasernengelände und sollte dorthin zurückführen. Zudem hat der frühere Soldat durch die Trunkenheitsfahrt die körperliche Unversehrtheit seines Kameraden E gefährdet. Diesen hatte er - wie sich aus dem polizeilichen Unfallbericht vom 12. Juni 2015 ergibt - als Beifahrer mitgenommen. Im Unfallbericht wird weiter ausgeführt, dass der frühere Soldat im Kreisverkehr von der Fahrbahn abkam und es angesichts des massiven Aufpralls allein glücklicher Umstände zu verdanken war, dass sein Kamerad nicht verletzt wurde.

d) Soweit hinsichtlich des Vorwurfs Nr. 4 erwiesen ist, dass der frühere Soldat entgegen einer Anweisung des Zeugen D - der ihm als Hauptfeldwebel der Reserve während der Crowd-and-Riot-Control-Ausbildung nach § 4 Abs. 3 VorgV Befehle erteilen durfte - während der Übung aggressiv nach dem Schutzschild von Lehrgangsteilnehmern in der Postenkette griff, hat er vorsätzlich die Gehorsamspflicht (§ 11 Abs. 1 SG ), die Pflicht zur Wahrung der Disziplin (§ 17 Abs. 1 SG ) und die Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG ) verletzt. Mit dem Werfen des Schutzhelms auf den Boden hat er ebenfalls vorsätzlich seine Pflicht zur Wahrung der Disziplin und seine Wohlverhaltenspflicht verletzt.

5. Bei Art und Maß der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme legt der Senat ein zweistufiges Prüfungsschema an:

a) Auf der ersten Stufe bestimmt er zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie zur Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die betreffende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Stehen - wie hier - mehrere Verfehlungen in Rede, ist von der Regelmaßnahme für diejenige Verfehlung auszugehen, die den Schwerpunkt des Dienstvergehens bildet. Dies ist hier der vorsätzliche Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften im Umgang mit Schusswaffen. Insoweit stellt eine Herabsetzung im Dienstgrad grundsätzlich eine angemessene Ahndung dar (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2018 - 2 WD 12.18 - juris Rn. 36 m.w.N.). Dies gilt auch, wenn sich nach Überzeugung des Soldaten in einer auf die eigene Person gerichteten Waffe ein leeres Magazin befindet. Denn die missbräuchliche Verwendung von Waffen erfordert schon aus generalpräventiven Gründen eine strenge disziplinare Ahndung. Jeder "Scherz" und jede Maßnahme zu Demonstrationszwecken bergen die Gefahr in sich, im Umgang mit der Waffe leichtfertig zu werden, was potenziell die körperliche Unversehrtheit von Personen gefährdet (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 9. Februar 1993 - 2 WD 24.92 - NVwZ-RR 1993, 497 und vom 3. Februar 1998 - 2 WD 16.97 - BVerwGE 113, 182 <186>).

b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme gebieten. Dabei ist zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlichen Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Situation zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht - wie hier - hinsichtlich des Disziplinarmaßes einen Spielraum eröffnet (BVerwG, Urteil vom 28. August 2019 - 2 WD 28.18 - juris Rn. 52 m.w.N.).

c) Danach liegt ein mittelschwerer Fall schuldhafter Pflichtverletzungen vor, für den dem Grunde nach eine Herabsetzung um zwei Dienstgrade tat- und schuldangemessen erscheint.

Nach Eigenart und Schwere bewegt sich zwar das Halten der Pistole mit leerem Magazin an die eigene Schläfe während des Dienstes als Schwerpunkt des Dienstvergehens im Vergleich zu anderen Fällen der vorsätzlichen Verletzung von Sicherheitsvorschriften im Umgang mit Schusswaffen im weniger schwerwiegenden Bereich. Jedoch wirkt es erschwerend, dass sich der Vorfall während eines Wachdienstes ereignete, der wesentlich zur Gewährleistung der militärischen Sicherheit und Einsatzbereitschaft der Bundeswehr beiträgt und für den die Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Handhabung von Waffen von grundlegender Bedeutung ist. Zudem hat sich der frühere Soldat dabei fotografiert, um das Foto anschließend in einen Chat einzustellen. Hinzu treten die mit den weiteren erwiesenen Vorwürfen verbundenen Verletzungen wesentlicher Dienstpflichten. Zwar wiegen diese nach Eigenart und Schwere im Vergleich zu anderen Fällen des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst, außerdienstlicher Trunkenheitsfahrten und Fällen der Gehorsamsverweigerung und Disziplinlosigkeit jeweils für sich genommen ebenfalls vergleichsweise gering; ihre Vielzahl führt aber dazu, dass das einheitlich zu bewertende Dienstvergehen nach Eigenart und Schwere insgesamt als mittelschwer anzusehen ist.

Zwar ist dem früheren Soldaten zugute zu halten, dass er sich von Anfang an im Wesentlichen reuig und geständig gezeigt hat. Allerdings kommt dem kein großes Gewicht zu, weil hinsichtlich der davon erfassten Vorwürfe die Beweislage eindeutig gegen ihn sprach. Ebenso spricht es zu seinen Gunsten, dass er 2007/08 an einem Einsatz in Afghanistan teilnahm, wenngleich dies inzwischen mehr als zehn Jahre zurückliegt (BVerwG, Urteil vom 28. August 2019 - 2 WD 18.18 - juris Rn. 62). Des Weiteren hat er sich für das Werfen des Schutzhelms auf den Boden beim Ausbilder D entschuldigt.

Im Übrigen fallen die Bemessungskriterien aber stark zu seinen Lasten aus:

So hatte das Dienstvergehen wegen des damit verbundenen Verbots des Umgangs mit Waffen und Munition und des dienstlichen Führens von Kraftfahrzeugen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Der frühere Soldat konnte nur noch mit einfachsten unterstützenden Tätigkeiten in der Ausbildungsvorbereitung betraut werden. Selbst diese konnte er nur beschränkt wahrnehmen, weil der Umgang mit Waffen, Munition und Fahrzeugen auch dafür grundlegend war. Auch konnte er nicht mehr zum Wachdienst eingeteilt werden. Dies musste ebenso wie sein unerlaubtes Fernbleiben vom Wachdienst von Kameraden "aufgefangen" werden. Zwar ist entgegen der Annahme des Truppendienstgerichts zu seinen Lasten nicht auch zu berücksichtigen, dass die Vorwürfe teilweise den Strafverfolgungsbehörden bekannt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2015 - 2 WD 13.14 - juris Rn. 29), wohl aber, dass seine Verfehlungen im Kameradenkreis Kreise zogen. Eine Integration des früheren Soldaten in die Kompanie gestaltete sich dadurch als äußerst schwierig, weil er dort eine negative Stellung einnahm und die Kompanieführung das Vertrauen in ihn vollständig verloren hatte.

Die Beweggründe des früheren Soldaten waren eigennützig. Mit dem erwiesenen Vorwurf Nr. 1 hat er imponieren wollen. Die weiteren Pflichtverletzungen beruhen hauptsächlich auf Nachlässigkeit und Unbeherrschtheit.

Das Maß der Schuld des uneingeschränkt schuldfähigen früheren Soldaten wird vor allem durch sein vorsätzliches Handeln bei dem im Vordergrund stehenden erwiesenen Vorwurf Nr. 1 geprägt. Milderungsgründe in den Umständen der Tat liegen nicht vor, weil die Situationen, in denen er versagt hat, nicht von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet waren, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden konnte. Insbesondere ist nicht von persönlichkeitsfremden Augenblickstaten auszugehen.

Was die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" anbelangt, wurden dem früheren Soldaten in einer Leistungsbewertung vom 2. Dezember 2016 grundsätzliche Eignungsmängel für eine Beförderung zum Oberstabsgefreiten bescheinigt. Zwar war er vor Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens strafrechtlich und disziplinar nicht vorbelastet. Jedoch ist erschwerend zu gewichten, dass sich die erwiesene Anschuldigung Nr. 4 ereignete, nachdem ihm wegen des Vorwurfs Nr. 2 ein strenger Verweis erteilt worden und wegen des Vorwurfs Nr. 3 gegen ihn ein Strafbefehl ergangen war. Auch trat er nach Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens erneut in disziplinarrelevanter Weise durch die Driftübungen auf dem Kasernengelände in Erscheinung. Dies lässt darauf schließen, dass er letztlich unbelehrbar ist.

Dies folgt auch aus den glaubhaften, äußerst negativen Beschreibungen seiner Persönlichkeit und bisherigen Führung durch seine beiden letzten Disziplinarvorgesetzten. ... Hauptmann F hat erstinstanzlich ausgeführt, der frühere Soldat habe keinen guten Einfluss auf jüngere Kameraden gehabt, sei negativ aufgefallen und habe Missstände auch nach wiederholtem Ansprechen nicht abgestellt. Seine Lügen spiegelten seinen Charakter wieder. Er habe einen Hang zur Selbstdarstellung und ein Problem mit Disziplin. Freiwillige Leistungen habe er nie erbracht. Hätte sie die Soldaten seiner Dienstgradgruppe zur Beförderung reihen müssen, wäre er auf dem letzten Platz gelandet. Hauptmann G hat ihn erst- und zweitinstanzlich als "Problemfall der Kompanie" beschrieben. Die ihm eingeräumte Gelegenheit einer halbjährigen "Bewährung" zur Wiedererlangung des Dienstführerscheins habe der frühere Soldat nicht genutzt, sondern sei durch die Driftübungen auf dem Kasernengelände erneut auffällig geworden und habe ihn insoweit mehrfach belogen, wodurch das Vertrauen endgültig vernichtet worden sei. Der frühere Soldat habe auf seinen Wunsch zweimal heimatnah nach H und I versetzt werden sollen. Beide zu diesem Zweck angeordneten Kommandierungen hätten mangels hinreichenden Arbeitswillens aufgehoben werden müssen.

Der Einwand des früheren Soldaten, dass er wegen des Dienstvergehens nur noch mit einfachsten Tätigkeiten betraut worden sei und sich daher nicht habe bewähren können, bleibt ohne Erfolg. Zum einen hat er dies selbst zu verantworten. Zum anderen hat er selbst die einfachsten Tätigkeiten nicht zufriedenstellend ausgeführt. Dass er wegen des Disziplinarverfahrens nicht wunschgemäß nach Mali kommandiert wurde, ist ebenfalls nicht maßnahmemildernd zu berücksichtigen, weil er auch dies selbst zu verantworten hat. Die Kommandierung setzte den Umgang mit Waffen und Munition voraus, die ihm wegen des Dienstvergehens verboten war.

Ohne Erfolg macht der frühere Soldat schließlich eine Maßnahmemilderung wegen eines faktischen Beförderungsverbots geltend. Zwar erfüllte er seit Oktober 2017 die zeitlichen Voraussetzungen für eine Beförderung zum Oberstabsgefreiten. Eine solche lag aber aufgrund seines Leistungsbildes offensichtlich fern.

d) Bei einer Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ist das Dienstvergehen als so gravierend anzusehen, dass eine Herabsetzung um zwei Dienstgrade tat- und schuldangemessen erscheint. Die Vielzahl an Pflichtverstößen spricht für eine nicht nur situative, sondern prinzipielle und persönlichkeitsbedingte Neigung, immer wieder "über die Stränge zu schlagen" und sich über Dienstvorschriften hinwegzusetzen. Da beim Disziplinarrecht nicht die Tat als solche im Vordergrund steht, sondern die durch sie zum Ausdruck gekommenen Charakter- und Persönlichkeitsmängel, können - die hier stark zum Nachteil des früheren Soldaten ins Gewicht fallenden - Gesichtspunkte zur Persönlichkeit und besondere Vertrauensbeeinträchtigungen eine hohe Disziplinarmaßnahme selbst dann rechtfertigen, wenn dies nach der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens für sich genommen nicht indiziert ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. September 2018 - 2 WD 14.17 - Buchholz 449 § 11 SG Nr. 3 Rn. 101 m.w.N.).

6. Im vorliegenden Fall ist allerdings zu Gunsten des früheren Soldaten die überlange Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens zu berücksichtigten, so dass im Ergebnis die vom Truppendienstgericht verhängte Herabsetzung um nur einen Dienstgrad angemessen ist.

Bei pflichtenmahnenden Disziplinarmaßnahmen wie einer Dienstgradherabsetzung ist bei einer gegen Art. 6 EMRK und Art. 19 Abs. 4 GG , Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verstoßenden überlangen Verfahrensdauer eine Maßnahmemilderung geboten. Denn das Verfahren als solches wirkt bereits belastend und ist deshalb mit pflichtenmahnenden Nachteilen verbunden, die nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz das Sanktionsbedürfnis mindern (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2019 - 2 WD 28.18 - juris Rn. 64 m.w.N.). Notwendigkeit, den mit einer überlangen Prozessdauer verbundenen Verfahrensmangel auszugleichen, besteht auch, wenn sich dadurch - wie hier - nicht konkret eine Beförderung verzögert hat.

Das etwa ein Jahr und neun Monate lange erstinstanzliche Gerichtsverfahren weist unter Berücksichtigung der nach § 198 Satz 2 GVG maßgeblichen Umstände des Einzelfalls eine nicht gerechtfertigte Überlänge von ca. neun Monaten auf. Angesichts der vorgerichtlich weitgehend geständigen Einlassung des früheren Soldaten, des bei Eingang der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht bereits vorliegenden rechtskräftigen Strafbefehls und der sonstigen Unterlagen bedurfte es nur hinsichtlich des Vorwurfs Nr. 4 weiterer Aufklärungsmaßnahmen durch eine Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung, die sich im üblichen Rahmen hielt. Im Hinblick auf die durchschnittliche Schwierigkeit des Verfahrens und die erhebliche Bedeutung des Verfahrens für den früheren Soldaten wäre zu erwarten gewesen, dass das Urteil binnen eines guten Jahres ergeht. Besondere Gründe für die mangelnde Förderung des Verfahrens sind der Akte nicht zu entnehmen. Dies lässt darauf schließen, dass sie auf die allgemein bekannte Überlastung der Truppendienstgerichte zurückgeht. Dieser strukturelle Mangel rechtfertigt die Überlänge nicht.

7. Der frühere Soldat kann auch nicht deswegen eine weitere Maßnahmemilderung erhalten, weil er wegen der angeschuldigten Trunkenheitsfahrt bereits vom Amtsgericht bestraft worden ist. Der rechtskräftige Strafbefehl vom 27. August 2015 steht einer Herabsetzung des früheren Soldaten um einen Dienstgrad nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO nicht entgegen.

8. Wegen der nachträglichen Verhängung der gerichtlichen Disziplinarmaßnahme verbleibt es nach § 96 Abs. 2 Satz 1 WDO bei der erstinstanzlichen Aufhebung des strengen Verweises. Die Absehensverfügung ist durch die Verhängung der gerichtlichen Disziplinarmaßnahme gegenstandslos geworden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. August 1999 - 2 WD 8.99 - BVerwGE 113, 376 <378 f.>). Der Tenor des erstinstanzlichen Urteils ist dahingehend anzupassen, dass der zwischenzeitlich regulär aus dem Dienst ausgeschiedene frühere Soldat in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten der Reserve herabgesetzt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 2 , § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO .

Fundstellen
NVwZ-RR 2020, 647
ZBR 2020, 266