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BVerwG - Entscheidung vom 17.02.2020

8 PKH 10.19 (8 B 83.19)

Normen:
BerRehaG § 1 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 17.02.2020 - Aktenzeichen 8 PKH 10.19 (8 B 83.19)

DRsp Nr. 2020/5709

Fehlende Rehabilitierungsfähigkeit der Nichterfüllung eines bloßen Ausbildungs- oder Berufswunsches eines Verfolgten; Beschränkte Schutzwirkung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ; Keine Berücksichtigung bloß hypothetischer Karrieremöglichkeiten; Abgrenzung sogenannter Aufstiegsschäden von einer beruflichen Benachteiligung im Sinne des § 1 Abs. 1 BerRehaG

Die Schutzwirkung des § 1 Abs. 1 BerRehaG erstreckt sich nicht auf Fälle, in denen ein Beruf lediglich im Sinne einer sozialen Wahrscheinlichkeit angestrebt wurde, ohne dass eine entsprechende Ausbildung begonnen oder der Beruf tatsächlich ausgeübt worden wäre.

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 9. Oktober 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

BerRehaG § 1 Abs. 1 ;

Gründe

Der Kläger begehrt seine weitergehende Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz. Er war in der DDR ohne berufliche Ausbildung sowohl vor seiner Inhaftierung in den Jahren 1973 bis 1975 wegen Wehrdienstverweigerung als auch danach in verschiedenen Betrieben tätig. Bewerbungen um eine Tätigkeit bei einem volkseigenen Betrieb der Hochseefischerei blieben erfolglos.

Der Beklagte stellte fest, dass der Kläger bezogen auf die Zeit seiner Inhaftierung Verfolgter im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerRehaG ist. Den weitergehenden Rehabilitierungsantrag des Klägers lehnte er ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage hiergegen abgewiesen. Der Kläger habe einen Seefahrtsberuf weder erlernt noch ausgeübt. Die Nichterfüllung eines bloßen Ausbildungs- oder Berufswunsches sei nicht rehabilitierungsfähig. Für einen Arbeitsplatzverlust oder eine Degradierung des Klägers nach der Haftentlassung fehle es an konkreten Anhaltspunkten oder entsprechendem Vortrag. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist abzulehnen, weil diese nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Dem Vorbringen des Klägers lassen sich keine zureichenden Anhaltspunkte für den von ihm allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entnehmen.

Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr; BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Die Beschwerdebegründung führt nicht auf eine solche Grundsatzfrage.

Die vom Kläger sinngemäß aufgeworfene Frage,

ob § 1 Abs. 1 BerRehaG auch dann auf angestrebte Berufe anzuwenden ist, wenn nachweisbar ist, dass der Betroffene zwar keine Ausbildung in diesem Beruf begonnen hat bzw. ein Eintritt in den Beruf noch nicht stattgefunden hat, jedoch eine hinreichende soziale Wahrscheinlichkeit für das Ergreifen des Berufes bestand,

ist bereits auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - im verneinenden Sinne - beantwortet.

Nach § 1 Abs. 1 BerRehaG hat Anspruch auf Leistungen nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz, wer u.a. infolge einer zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung oder durch eine andere der politischen Verfolgung dienende Maßnahme im Beitrittsgebiet zumindest zeitweilig weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen, erlernten oder durch den Beginn einer berufsbezogenen Ausbildung nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben konnte. Der Gesetzgeber hat die Schutzwirkung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes demnach auf Eingriffe in eine verfestigte berufsbezogene Position beschränkt. Dies sind nur Eingriffe in eine begonnene, tatsächlich ausgeübte Berufstätigkeit oder Fälle der Verhinderung, einen erlernten Beruf auszuüben oder eine Ausbildung abzuschließen. Das lässt eine Berücksichtigung bloß hypothetischer Karrieremöglichkeiten nicht zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1998 - 3 C 25.97 - Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 11 S. 20; Beschluss vom 20. Dezember 2010 - 3 PKH 6.10 - juris Rn. 5). Maßnahmen der DDR, durch die einem Einstellungsbewerber der Zugang zu einer neuen - berufsadäquaten - Tätigkeit verwehrt worden ist, sind als sogenannte Aufstiegsschäden einzuordnen und stellen keine berufliche Benachteiligung im Sinne des § 1 Abs. 1 BerRehaG dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 2010 - 3 B 11.10 - ZOV 2010, 234 <235>).

Danach erstreckt sich die Schutzwirkung des § 1 Abs. 1 BerRehaG nicht auf Fälle, in denen ein Beruf lediglich im Sinne einer sozialen Wahrscheinlichkeit angestrebt wurde, ohne dass eine entsprechende Ausbildung begonnen oder der Beruf tatsächlich ausgeübt worden wäre. Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage wäre unabhängig hiervon im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil das Verwaltungsgericht eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger einen Seefahrtsberuf ausüben würde, nicht festgestellt hat.

Vorinstanz: VG Potsdam, vom 09.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 11 K 2393/18