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BVerwG - Entscheidung vom 03.11.2020

9 A 6.19

Normen:
GG Art. 28 Abs. 2
GG Art. 28 Abs. 2
GG Art. 28 Abs. 2 S. 1
BrSchG SH § 2

Fundstellen:
BVerwGE 170, 266
DÖV 2021, 318

BVerwG, Urteil vom 03.11.2020 - Aktenzeichen 9 A 6.19

DRsp Nr. 2021/931

Erschweren der Erfüllung der Selbstverwaltungsaufgabe einer Gemeinde zur Unterhaltung einer leistungsfähigen Feuerwehr wegen zusätzlicher Kosten des Brandschutzes; Vollständiger und finanzkraftunabhängiger Ausgleich für solche zusätzliche Kostenbelastungen als Anspruch einer Gemeinde hinsichtlich Verletzung des Selbstverwaltungsrechts

1. Eine Gemeinde kann gegen ein fachplanerisches Vorhaben geltend machen, dass es ihr wegen zusätzlicher Kosten des Brandschutzes die Erfüllung der Selbstverwaltungsaufgabe (Art. 28 Abs. 2 GG ), eine leistungsfähige Feuerwehr zu unterhalten, wesentlich erschwere oder gar unmöglich mache (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 8.15 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 170 Rn. 15). Das Selbstverwaltungsrecht ist unter diesem Gesichtspunkt aber jedenfalls dann nicht verletzt, wenn die Gemeinde einen Anspruch auf vollständigen und finanzkraftunabhängigen Ausgleich für solche zusätzliche Kostenbelastungen hat.2. Auch eine vom Fremdenverkehr geprägte Gemeinde ist grundsätzlich nicht befugt, eine befürchtete Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen des Fremdenverkehrs als eigene Rechtsbeeinträchtigung geltend zu machen. Das kann ausnahmsweise anders sein, wenn die Auswirkungen des Vorhabens ihre Wirtschaftsstruktur und Leistungsfähigkeit massiv und nachhaltig verschlechtern (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 63 und vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 - BVerwGE 161, 17 Rn. 110).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Normenkette:

GG Art. 28 Abs. 2 S. 1; BrSchG SH § 2;

Gründe

I

Die klagende Stadt Fehmarn wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 31. Januar 2019 für den deutschen Vorhabenabschnitt des Neubaus einer Festen Fehmarnbeltquerung von Puttgarden nach Rødby. Gegenstand der Planung ist ein rund 18 km langer kombinierter Straßen- und Eisenbahntunnel, der die Insel Fehmarn mit der dänischen Insel Lolland verbinden soll.

Das Stadtgebiet der Klägerin umfasst die gesamte Insel Fehmarn und endet zum Meer hin an der Uferlinie. Sie unterhält eine freiwillige Feuerwehr als gemeindliche Einrichtung. Zur Sicherstellung des Brandschutzes im Tunnel hat der schleswig-holsteinische Landesgesetzgeber mit dem Bezirkserweiterungsgesetz vom 13. Februar 2019 (GVOBl. S. 42) die Regelung über die örtliche Zuständigkeit der Behörden in § 30 des Landesverwaltungsgesetzes um folgenden Absatz 4 ergänzt:

"Die Bezirke der Behörden des Landes, des Kreises Ostholstein und der Stadt Fehmarn sowie sonstiger Träger der öffentlichen Verwaltung, deren Bezirke das Gebiet des Landes, des Kreises Ostholstein oder der Stadt Fehmarn umschließen, erstrecken sich auch auf den Bereich der Festen Fehmarnbeltquerung, soweit er sich im deutschen Küstenmeer und in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone befindet. Satz 1 gilt ab der öffentlichen Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses zur Festen Fehmarnbeltquerung. Bereits spezialgesetzlich bestehende Zuständigkeitszuweisungen für den in Satz 1 bezeichneten Bereich bleiben von dieser Regelung unberührt."

Der Planfeststellungsbeschluss sieht vor, dass der Brandschutz im Fehmarnbelttunnel im Wesentlichen durch die nach dem Brandschutzgesetz Schleswig-Holstein eingerichteten Feuerwehren gewährleistet wird und legt zugrunde, dass die Klägerin hierdurch im Hinblick auf Zusicherungen des Landes nicht mit zusätzlichen Kosten belastet wird. Gegen den Beschluss hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben.

Auf eine parallel geführte Kommunalverfassungsbeschwerde der Klägerin hat das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht mit Urteil vom 14. September 2020 - LVerfG 3/19 - das Bezirkserweiterungsgesetz mit der Landesverfassung insoweit für unvereinbar erklärt, als dort kein entsprechender finanzieller Ausgleich für die Mehrbelastung durch die Kosten des Brandschutzes im neu zugewiesenen Zuständigkeitsbereich geschaffen worden ist. Es hat das Land Schleswig-Holstein verpflichtet, bis zum 30. September 2021 auf gesetzlicher Grundlage den Ausgleich zu schaffen, und ausgesprochen, dass die Norm bis dahin weiter anwendbar ist.

Die Klägerin hält die Annahmen des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausgleich ihrer Kostenbelastung im Zusammenhang mit dem Brandschutz der Festen Fehmarnbeltquerung für ungenügend und auch nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts weiterhin für rechtlich fehlerhaft. Ferner bezweifelt sie die Planrechtfertigung und hält die Auswirkungen des Vorhabens auf den Tourismus der Insel für nicht hinreichend berücksichtigt. Die streitgegenständliche Planung sowie die Hinterlandanbindung des Tunnels einschließlich der Erneuerung der Fehmarnsundquerung hätten einer einheitlichen Problembewältigung bedurft.

Die Klägerin beantragt,

1.

den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 31. Januar 2019 für den Neubau einer Festen Fehmarnbeltquerung von Puttgarden nach Rødby, deutscher Vorhabenabschnitt, in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 22. September bis 1. Oktober 2020 (Klageverfahren 9 A 7.19 u.a.) und der im Verhandlungstermin vom 6. Oktober 2020 erklärten Änderungen und Ergänzungen aufzuheben,

2.

hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses und treten dem Vorbringen im Einzelnen entgegen.

II

A. Die Klage ist zulässig. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Klägerin die Erfüllung ihrer Selbstverwaltungsaufgabe (Art. 28 Abs. 2 GG ), eine leistungsfähige Feuerwehr zu unterhalten (§ 2 des schleswig-holsteinischen Gesetzes über den Brandschutz und die Hilfeleistungen der Feuerwehren <Brandschutzgesetz - BrSchG SH> vom 10. Februar 1996 <GVOBl. Schl.-H. S. 200>), durch das Vorhaben wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 8.15 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 170 Rn. 15).

B. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin kann weder die Aufhebung noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses beanspruchen. Denn hinsichtlich der von ihrer Rügebefugnis umfassten Belange ist der Beschluss rechtmäßig. Eine Kommune kann keine umfassende gerichtliche Überprüfung eines ihr Gemeindegebiet betreffenden Planfeststellungsbeschlusses verlangen; ihre Rechtsposition ist vielmehr beschränkt auf die Geltendmachung ihres Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 GG ). Die Gemeinde kann vor allem geltend machen, ein fachplanerisches Vorhaben störe nachhaltig eine bestimmte kommunale Planung, entziehe wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung oder beeinträchtige gemeindliche Einrichtungen - wie etwa eine freiwillige Feuerwehr - erheblich (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 8.15 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 170 Rn. 14 und vom 9. November 2017 - 3 A 2.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 79 Rn. 30). Daran gemessen ist der angefochtene Planfeststellungsbeschluss nicht zu beanstanden.

1. Die "vorsorgliche Rüge" sämtlicher Verfahrensfehler des Planfeststellungsbeschlusses erfüllt - ungeachtet der Reichweite der Rügebefugnis der Klägerin - nicht das Erfordernis einer eigenen Prüfung und rechtlichen Durchdringung des Prozessstoffs durch die Prozessbevollmächtigten (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO , vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2019 - 9 A 13.18 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 76 Rn. 134 f. <in BVerwGE 166, 132 insoweit nicht abgedruckt>). Soweit einzelne angebliche Verfahrensfehler benannt werden, geht dies nicht über eine stichpunktartige Aufzählung hinaus und erschöpft sich im Wesentlichen darin, Passagen aus dem Planfeststellungsbeschluss wiederzugeben, in denen im Verwaltungsverfahren vorgebrachte Einwendungen behandelt werden.

2. An der Planrechtfertigung für das Vorhaben fehlt es - ungeachtet der Frage der diesbezüglichen Rügebefugnis einer Gemeinde - entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Der Verkehrsbedarf für eine Feste Fehmarnbeltquerung ist mit Bindung für das Bundesverwaltungsgericht gesetzlich festgestellt. Zwar ist das Vorhaben weder im Schienen- noch im Fernstraßen-Bedarfsplan des Bundes (Anlagen zu § 1 Abs. 1 Fernstraßenausbaugesetz in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 - BGBl. I S. 3354 - bzw. zu § 1 Abs. 1 des Gesetzes über den Ausbau der Schienenwege des Bundes in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 - BGBl. I S. 3221 -) enthalten. Die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Dänemark haben jedoch in Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Staatsvertrags über eine Feste Fehmarnbeltquerung vereinbart, zwischen Puttgarden und Rødby eine kombinierte Schienen- und Straßenverkehrsverbindung zu errichten, die aus einer elektrifizierten zweigleisigen Schienenstrecke und einer vierstreifigen Straße mit der technischen Qualität eines Autobahnstandards besteht. Damit entspricht die Konkretisierung des Vorhabens mindestens derjenigen in den Bedarfsplänen der Ausbaugesetze. Der Staatsvertrag ist durch das deutsche Zustimmungsgesetz vom 17. Juli 2009 (BGBl. II S. 799 ) in unmittelbar geltendes nationales Recht überführt worden und gilt hiernach verbindlich mit Gesetzesrang (Art. 59 Abs. 2 GG ; vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12 - BVerfGE 141, 1 Rn. 45 f.).

Anhaltspunkte dafür, dass diese gesetzliche Bedarfsfeststellung fehlerhaft und verfassungswidrig sein könnte, bestehen nicht. Das wäre nur der Fall, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich wäre, weil es für das Vorhaben im Hinblick auf die bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung oder auf die verkehrliche Erschließung eines zu entwickelnden Raumes an jeglicher Notwendigkeit fehlte oder sich die Verhältnisse seit der Bedarfsentscheidung des Gesetzgebers so grundlegend gewandelt hätten, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden könnte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 43 und vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 25). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

Die EU-Kommission zählt die Fehmarnbeltquerung zu den fünf wichtigsten grenzüberschreitenden Projekten des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (Mitteilung vom 7. Januar 2014 <COM (2013) 940 final>). Die mit der Verwirklichung des Projekts verbundene Verkürzung der Fahrzeit zwischen Hamburg und Kopenhagen wird absehbar zu einer Verlagerung von Verkehren führen, die derzeit mit einem erheblichen Umweg über den Großen Belt abgewickelt werden. Zwar bleibt auch dann das erwartete Kraftfahrzeugaufkommen deutlich unterhalb der durchschnittlichen Auslastung deutscher Autobahnen. Davon mussten die Vertragsstaaten aber den Bedarf für eine Anbindung der wesentlich dünner besiedelten und an der Peripherie Europas gelegenen skandinavischen Staaten an das kontinentaleuropäische Verkehrsnetz nicht abhängig machen. Auch die von der Klägerin angesprochenen Schwankungen bei der Prognose des Schienengüterverkehrs auf dem Korridor der Festen Fehmarnbeltquerung führen - gemessen an dem oben dargelegten strengen Maßstab - nicht zum Wegfall der gesetzlichen Planrechtfertigung.

Die Planrechtfertigung scheitert schließlich nicht an der fehlenden Finanzierbarkeit des Projekts. Die Art der Finanzierung ist nicht Gegenstand des fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses. Allerdings darf die Planfeststellungsbehörde den Mangel der Finanzierbarkeit eines Vorhabens nicht ignorieren; einer aus finanziellen Gründen nicht realisierbaren Planung fehlt die Planrechtfertigung, weil sie nicht vernünftigerweise geboten ist. Die Planfeststellungsbehörde hat deshalb vorausschauend zu beurteilen, ob dem geplanten Bauvorhaben unüberwindbare finanzielle Schranken entgegenstehen (stRspr, zuletzt BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 Rn. 58).

Die Klägerin bezweifelt, dass die vorgesehene Finanzierung mit Hilfe von Staatsgarantien Dänemarks europarechtlich zulässig ist. Es spricht schon vieles dafür, dass die unionsrechtliche Zulässigkeit von Beihilfen in Klageverfahren gegen Planfeststellungsbeschlüsse generell nicht zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Oktober 2006 - 3 C 33.05 - BVerwGE 127, 42 Rn. 40 und vom 26. Oktober 2016 - 10 C 3.15 - BVerwGE 156, 199 Rn. 14). Jedenfalls ist das Gericht in Planfeststellungsverfahren auf eine Evidenzkontrolle europäischen Beihilferechts beschränkt. Hieran gemessen ist die Finanzierbarkeit des Vorhabens nicht ausgeschlossen. Das Europäische Gericht hat in seinem Urteil vom 13. Dezember 2018 - T-630/15 - lediglich das Unterlassen eines förmlichen Prüfverfahrens beanstandet, aber keine grundlegenden materiellen Bedenken gegen die Beihilfefinanzierung geäußert. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt auch nicht - erst recht nicht offensichtlich - gegen das Verbot, eine beabsichtigte Beihilfemaßnahme vor der abschließenden Entscheidung der Kommission durchzuführen (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ). Denn er bezieht sich nicht auf die Gewährung von Beihilfen, sondern nur auf den Bau und den Betrieb des Vorhabens. Auch unter diesen Umständen scheitert der Planfeststellungsbeschluss nicht an einer evidenten Europarechtswidrigkeit der Finanzierung.

3. Die Abwägung des Planfeststellungsbeschlusses zum abwehrenden Brandschutz in dem geplanten Tunnelbauwerk ist nicht deshalb fehlerhaft, weil sie sich auf das Bezirkserweiterungsgesetz stützt, das die Zuständigkeit der Klägerin auf die Feste Fehmarnbeltquerung im Bereich des deutschen Küstenmeeres und der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone erstreckt. Zwar hat das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht dieses Gesetz mit Urteil vom 14. September 2020 - LVerfG 3/19 - (juris) mit der Landesverfassung insoweit für unvereinbar erklärt, als kein entsprechender finanzieller Ausgleich für die Mehrbelastung durch die Kosten des Brandschutzes im neu zugewiesenen Zuständigkeitsbereich geschaffen worden ist, und das Land Schleswig-Holstein verpflichtet, bis zum 30. September 2021 auf gesetzlicher Grundlage den Ausgleich zu schaffen. Da das Gesetz eine zuvor nicht bestehende Zuständigkeit der Klägerin auf dem Gebiet des Brandschutzes begründet, ist ein vollständiger und finanzkraftunabhängiger Ausgleich der gesamten finanziellen Mehrbelastung geboten, die der Klägerin durch die Erfüllung der Verpflichtung entsteht (LVerfG SH, a.a.O. Rn. 117 f., 121). Das Landesverfassungsgericht hat aber gleichzeitig ausgesprochen, dass die Norm bis zum Ablauf der genannten Frist weiter anwendbar ist. Deshalb darf der Planfeststellungsbeschluss von der Geltung des Gesetzes ausgehen. In ihn musste auch kein Vorbehalt für den Fall des Scheiterns des Gesetzes aufgenommen werden. Falls die vom Landesverfassungsgericht geforderte Neuregelung nicht fristgerecht zustande kommt, entfällt die Erweiterung des Stadtbezirks und damit auch die durch das Gesetz begründete Zuständigkeit der Klägerin für den Brandschutz im Tunnel.

Die Abwägung der kommunalen Belange der Klägerin ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Planfeststellungsbeschluss von ausreichenden Zusicherungen des Landes für den Ausgleich der zusätzlichen Kostenbelastungen ausgeht, dies nach der Klarstellung der Rechtslage durch das Landesverfassungsgericht aber nicht genügt, vielmehr ein Ausgleich auf gesetzlicher Grundlage erforderlich ist. Der Senat versteht den Planfeststellungsbeschluss an der betreffenden Stelle (PFB S. 1168 unten) dahin, dass maßgeblich für die Abwägung die Annahme war, die Klägerin werde von zusätzlichen Kostenbelastungen tatsächlich freigehalten, und deshalb die rechtliche Form - Zusicherung oder Gesetz - unerheblich ist.

Aber auch wenn man annimmt, dass die Abwägung im Planfeststellungsbeschluss insoweit nicht in jeder Hinsicht von zutreffenden Annahmen ausgeht, wäre ein eventueller Abwägungsfehler nicht entscheidungserheblich (§ 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG ). Wenn die Planfeststellungsbehörde die Belange der Klägerin dahin abgewogen hat, dass bereits die gegebene Zusicherung dazu führt, dass die Klägerin in ihrem wehrfähigen Recht aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht verletzt ist, gilt dies erst recht, wenn die Position der Klägerin nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts weitreichender ist und ihr ein Anspruch auf gesetzliche Regelung eines vollständigen und finanzkraftunabhängigen Ausgleichs zusteht.

4. Die Nebenbestimmung des Planfeststellungsbeschlusses unter Ziffer 2.2.5 Nr. 3 (PFB S. 40) zur Tunnelsicherheit in der Fassung der Protokollerklärung vom 6. Oktober 2020 ist nicht zu beanstanden. Die ursprüngliche Fassung stützte sich auf die Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 8.15 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 170 Rn. 18 und vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 Rn. 49), wonach es ausreicht, wenn der Vorhabenträger durch eine Nebenbestimmung im Planfeststellungsbeschluss verpflichtet wird, vor Verkehrsfreigabe bzw. vor Baubeginn die Sicherstellung des abwehrenden Brandschutzes zu belegen.

Durch die Neufassung der Nebenbestimmung sind eventuelle Bestimmtheitsmängel behoben worden. Die Klägerin war der Auffassung, es sei nach der ursprünglichen Fassung nicht eindeutig gewesen, ob schon der Baubeginn von der Vorlage des abgestimmten Sicherheitskonzepts abhängt. Nunmehr ist klargestellt, dass mit dem Bau des Vorhabens und der Baustelleneinrichtung erst begonnen werden darf, wenn das Rettungs- und Notfallkonzept der Planfeststellungsbehörde vorgelegt und von dieser geprüft und gebilligt worden ist. Die neu gefasste Nebenbestimmung ist - wie auch der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat - dahin auszulegen, dass die Planfeststellungsbehörde vor Inbetriebnahme des Tunnels (erneut) mit dem Sicherheitskonzept zu befassen ist. Sie muss zumindest darüber entscheiden, ob eine Fortschreibung des Konzepts notwendig ist bzw. ob eine vorgelegte Fortschreibung gebilligt werden kann.

Weitergehende Festlegungen im Planfeststellungsbeschluss sind nicht geboten. Soweit die Klägerin Regelungen dazu vermisst, ab welchem Zeitpunkt die für den späteren Betrieb erforderliche Feuerwehrwache vollständig errichtet und ausgestattet sein muss, erfolgen Festlegungen dazu in dem mit Beteiligung der Klägerin zu erarbeitenden Konzept. Darin muss auch die Brandbekämpfung während der Bauphase geregelt werden. Nicht erforderlich ist, dass die für die Brandbekämpfung im fertig gestellten Tunnel neu zu errichtende Feuerwehrwache für eine hauptamtliche Wachabteilung (vgl. LVerfG SH, Urteil vom 14. September 2020 - LVerfG 3/19 - juris Rn. 120) schon bei Baubeginn vollständig errichtet ist.

5. Die Klägerin ist nicht befugt, angebliche Defizite der küstenschutzrechtlichen Auflagen im Planfeststellungsbeschluss (Ziffer 2.2.7., S. 42 f.) ohne substantiierten Bezug zu ihrer kommunalen Planungshoheit oder der Beeinträchtigung kommunaler Einrichtungen (Art. 28 Abs. 2 GG ) gerichtlich geltend zu machen. Die Aufgabe des Küstenschutzes gehört nicht zu ihren Selbstverwaltungsangelegenheiten. Bau, Verstärkung und Unterhaltung der Landesschutzdeiche und Regionaldeiche auf den Inseln obliegen gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 des schleswig-holsteinischen Landeswassergesetzes vom 13. November 2019 (GVOBl. Schl.-H. S. 425) dem Land Schleswig-Holstein. Unabhängig davon hat das Vorhaben nach fachgutachterlicher Bewertung keine Auswirkungen auf die Hochwassersituation auf Fehmarn (PFB S. 1117).

6. Soweit die Klägerin beanstandet, durch das zeitliche Zusammentreffen des Baus der Festen Fehmarnbeltquerung mit dem Ausbau der B 207 auf ihrem Stadtgebiet komme es zu für den Tourismus erheblichen Beeinträchtigungen und zur Überlastung ihres Verkehrsnetzes während der langen Bauzeit, wird daraus keine Verletzung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts erkennbar. Der geltend gemachte Status als staatlich anerkanntes Seeheilbad kann zwar grundsätzlich in den Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallen, wenn die Anerkennung von der Gemeinde im Rahmen ihrer Selbstverwaltung geschaffene Einrichtungen und getätigte Maßnahmen voraussetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 61). Deren konkrete und erhebliche Beeinträchtigung ist allerdings nicht hinreichend dargetan. Darüber hinaus hat die Klägerin - wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat - im Herbst 2019 beschlossen, ab dem Jahr 2021 auf das Prädikat "Seeheilbad" zu verzichten.

Im Übrigen ist auch eine vom Fremdenverkehr geprägte Gemeinde grundsätzlich nicht befugt, eine befürchtete Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen des Fremdenverkehrs als eigene Rechtsbeeinträchtigung geltend zu machen. Die Wirtschaftsstruktur einer Gemeinde wird von vielfältigen Faktoren bestimmt und beeinflusst, die nicht speziell dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde zugeordnet sind. Das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht kann aber ausnahmsweise dann verletzt sein, wenn die Auswirkungen des Vorhabens die Wirtschaftsstruktur und die Leistungsfähigkeit einer durch Fremdenverkehr geprägten Gemeinde massiv und nachhaltig verschlechtern (BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 63 und vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 - BVerwGE 161, 17 Rn. 110). Konkrete Hinweise, dass sich das Vorhaben in derart nachteiliger Weise auf das Gemeindegebiet der Klägerin auswirkt, sind allerdings weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus der von der Klägerin vorgelegten "Einflussanalyse Tourismus" lediglich, dass der Anteil der touristischen Wertschöpfung im Jahr 2009 am gesamten Einkommen 46 % betrug. Negative Auswirkungen des Vorhabens auf die Wirtschaftsstruktur gehen daraus nicht hervor.

Der straßenseitige Baustellenverkehr für das Vorhaben soll nicht durch den Stadtteil Burg der Klägerin, sondern daran vorbei auf der B 207 nach Norden geführt werden und die Bundesstraße über eine Behelfsausfahrt verlassen; lediglich im Störungsfall wird der Baustellenverkehr durch den Ort fließen (PFB, Anlage 1, S. 204 f.). Die insbesondere für den Tourismus nachteilige mehrjährige Sperrung der Bahnstrecke nach Fehmarn für den Ausbau der Strecke nach Lübeck (Hinterlandanbindung) ist nicht Gegenstand des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses.

Die als zu unbestimmt gerügte Nebenbestimmung 2.1 Nr. 1 (PFB S. 21) zur Nutzung der Schienenstrecke zwischen Fehmarn und Lübeck für den Güterfernverkehr ist im Rahmen der vergleichsweisen Beendigung des Klageverfahrens der Hinterlandgemeinden (9 A 5.19) um einen Entscheidungsvorbehalt zu Lärmbelangen gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG ergänzt worden. Dieser lautet:

"Falls nach Inbetriebnahme der Festen Fehmarnbeltquerung vor der vollständigen Fertigstellung der geplanten Hinterlandanbindung bis Lübeck wider Erwarten Güterverkehr auf der bestehenden Bestandsstrecke zwischen Puttgarden und Lübeck abgewickelt werden soll, behält sich die Planfeststellungsbehörde vor, über Schutzauflagen zugunsten der an der Bestandsstrecke anliegenden Gemeinden (u.a. eine Begrenzung der höchstzulässigen Zahl von Güterzügen) zu entscheiden.

Der Vorhabenträgerin wird gemäß § 74 Abs. 3 Halbs. 2 VwVfG aufgegeben, vor einer geplanten Aufnahme von Güterverkehr auf der Bestandsstrecke der Planfeststellungsbehörde das beabsichtigte Betriebsprogramm (notwendige Angaben zur Berechnung der Lärmbelastung) mitzuteilen. Ihr obliegt es weiter, hierzu eine eventuell notwendige Mitwirkung des Infrastrukturbetreibers der Bestandsstrecke (DB Netz AG oder anderer) herbeizuführen. Güterverkehr darf erst nach einer Entscheidung über eine eventuelle Planergänzung mit Schutzauflagen zugunsten der anliegenden Gemeinden aufgenommen werden."

Damit ist den Interessen der Streckenanlieger hinreichend Rechnung getragen.

7. Schließlich liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der umfassenden Problembewältigung darin, dass die Feste Fehmarnbeltquerung nebst Anpassung der B 207, die Schienenhinterlandanbindung und die Erneuerung der Fehmarnsundquerung nicht in einem einheitlichen Planfeststellungsverfahren geplant worden sind. Im Übrigen könnte die Klägerin Fehler bei der Abschnittsbildung nur geltend machen, wenn damit eine fehlerhafte Abwägung eigener Belange verbunden wäre. Das ist nicht erkennbar. Auch soweit sich die Planungen für die B 207 und für die Feste Fehmarnbeltquerung an der Anschlussstelle Puttgarden überschneiden, wird die Klägerin durch die im hiesigen Planfeststellungsbeschluss erfolgte Überplanung der Bundesstraße nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 14. Februar 2020 - 4 KS 5/16 - juris Rn. 93 zum Planfeststellungsbeschluss betreffend den Ausbau der B 207).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO .

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60 000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG , Ziffer 34.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Verkündet am 3. November 2020

Fundstellen
BVerwGE 170, 266
DÖV 2021, 318