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BVerwG - Entscheidung vom 25.03.2020

2 WNB 3.20

Normen:
WBO § 22a Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 25.03.2020 - Aktenzeichen 2 WNB 3.20

DRsp Nr. 2020/10163

Durchsuchung des Dienstlaptops eines Soldaten und Beschlagnahme von Dateien wegen des Verdachts des Dienstvergehens der verbotenen Privatnutzung staatlicher IT-Ausstattung

Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist nur dann gegeben, wenn auf den Einzelfall bezogene Umstände deutlich ergeben, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist.

Tenor

Die Beschwerde des Soldaten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 8. August 2019 wird zurückgewiesen.

Der Soldat trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

WBO § 22a Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Durchsuchung seines Dienstlaptops und die Beschlagnahme von Dateien.

1. Wegen des Verdachts des Dienstvergehens der verbotenen Privatnutzung staatlicher IT-Ausstattung ordnete das Truppendienstgericht mit Beschluss vom 22. Oktober 2018 die Durchsuchung eines Dienstlaptops des Soldaten und die Beschlagnahme der dabei aufgefundenen privaten Dateien an. Die dagegen erhobene Beschwerde wies es mit Beschluss vom 8. August 2019 als unbegründet zurück und ließ die Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht nicht zu. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde vom 24. September 2019 beanstandet der Soldat die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung und macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache sowie eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend.

2. Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

a) Das Verfahren hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO . Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung im angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2019 - 1 WNB 3.18 - juris Rn. 9 m.w.N.).

Die hier aufgeworfene Frage,

"Ist IT-Ausrüstung, welche für ein Projekt der Bundeswehr mit Mitteln beschafft wurde, welche nicht aus dem Etat des Bundesministeriums der Verteidigung stammen, als 'dienstlich gelieferte IT-Ausrüstung' zu betrachten und unterliegt damit den Vorschriften der ZDv A-960/1?",

erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Es wird schon keine Rechtsnorm des Bundesrechts benannt, deren Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung fortentwickelt werden soll, sondern lediglich eine Verwaltungsvorschrift in Form der ZDv A-960/1. Auch wird nicht aufgezeigt, inwiefern eine Fortbildung des für Durchsuchungen maßgeblichen prozessualen oder des für Dienstvergehen maßgeblichen materiellen Rechts in diesem auf die Überprüfung eines Durchsuchungsbeschlusses gerichteten Verfahren stattfinden könnte.

b) Der geltend gemachte Verfahrensmangel im Sinne von § 22a Abs. 1 Nr. 3 WBO liegt gleichfalls nicht vor. Der Grundsatz der Gewährleistung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG , § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO ) verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit sie entscheidungserheblich sind (BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 BvR 168/89 u.a. - BVerfGE 87, 363 <392 f.>). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nur dann dargetan, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Dazu muss das Gericht nicht auf sämtliches Tatsachenvorbringen und alle Rechtsauffassungen eingehen. Nur der wesentliche Kern des Vorbringens eines Beteiligten, der nach der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts von Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens ist, muss in den Gründen der Entscheidung behandelt werden. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist deshalb nur dann gegeben, wenn auf den Einzelfall bezogene Umstände deutlich ergeben, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146> und BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - 10 B 52.14 - juris Rn. 4).

Solche Umstände sind vorliegend nicht erkennbar. Der Soldat trägt vor, wesentliches Vorbringen im Schriftsatz vom 20. Februar 2019 sei bei der angefochtenen Beschwerdeentscheidung unberücksichtigt geblieben. Insbesondere sei sein Vortrag zur zwischenzeitlichen Einstellung des Disziplinarverfahrens, zum fehlenden Eigentum der Bundeswehr an dem vom Auswärtigen Amt beschafften Laptop, zur Unanwendbarkeit des in Nr. 11.11.3/5. ZDv A-960/1 niedergelegten Verbots privater Nutzung und zur Rechtswidrigkeit der ohne gerichtliche Beschlagnahmeanordnung erfolgten Sicherstellung teilweise willkürlich außer Acht gelassen worden.

Dies trifft jedoch nicht zu. Das Truppendienstgericht hat bereits im Sachbericht seines Beschlusses diese Argumente weitgehend wiedergegeben (UA S. 5). Es hat lediglich das Vorbringen, das Disziplinarverfahren sei mittlerweile eingestellt worden, nicht referiert. Es hat jedoch deutlich gemacht, dass es nach seiner Rechtsauffassung für die Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses auf das Vorliegen eines Tatverdachts bei Erlass des Beschlusses ankomme und dass dieser Tatverdacht damals vorgelegen habe. Deswegen kam es aus seiner Sicht auf die unerwähnt gebliebene spätere Einstellung des Disziplinarverfahrens nicht entscheidend an.

Mit dem Einwand, dass das Verbot der privaten Nutzung nur für Bundeswehr-Laptops gelte, hat sich das Truppendienstgericht eingehend befasst. Seines Erachtens handelt es sich auch bei mit Mitteln des Auswärtigen Amtes beschafften Rechnern um "dienstlich bereitgestellte" IT-Ausstattung, die ebenfalls nicht privat genutzt werden dürfe. Denn die Vorschrift stelle nicht darauf ab, ob die dienstlich bereitgestellte Ausstattung unmittelbare Schnittstellen zum IT-System der Bundeswehr habe (UA S. 6).

Ebenso hat es das Argument der rechtswidrigen Sicherstellung in Erwägung gezogen. Es hat in dem für mehrere Soldaten angeordneten Gerätetausch vom 24. Juli 2018 anders als der Beschwerdeführer keine unzulässige Beschlagnahme gesehen. Dieser Austausch der Laptops mit neuen Bundeswehrrechnern habe nicht auf einem konkreten disziplinaren Verdacht gegenüber dem Soldaten beruht. Das kann - wie der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 20. Februar 2019 ausführt - anders beurteilt werden und ist im späteren Disziplinarverfahren von dem ermittelnden Oberst in Zweifel gezogen worden. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Rechtsauffassung des Truppendienstgerichts nicht vertretbar oder gar willkürlich wäre. Wird doch in der Literatur die Ansicht vertreten, dass dienstliche Gegenstände jederzeit ohne Beschlagnahme in amtlichen Gewahrsam genommen werden können (Dau/Schütz, WDO , 7. Aufl. 2017, § 20 Rn. 18). Erst recht kann dem Truppendienstgericht nicht vorgehalten werden, dass es das zentrale Argument der Rechtswidrigkeit der Sicherstellung nicht erwogen habe. Soweit es auf das vom Beschwerdeführer auf die fehlende Beschlagnahme gestützte Beweisverwertungsverbot nicht explizit eingegangen ist, war dies von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent und verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG gleichfalls nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO .