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BVerwG - Entscheidung vom 28.07.2020

9 B 24.20 (9 B 66.19)

Normen:
VwGO § 152a Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 28.07.2020 - Aktenzeichen 9 B 24.20 (9 B 66.19)

DRsp Nr. 2020/12865

Berücksichtigen eines weiteren Begründungsschriftsatzes innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist hinsichtlich Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

Tenor

1.

Auf die Anhörungsrüge des Klägers wird das Verfahren BVerwG 9 B 66.19 unter dem neuen Aktenzeichen BVerwG 9 B 29.20 fortgeführt, soweit es um den bislang nicht berücksichtigten Schriftsatz des Klägers vom 2. Dezember 2019 geht.

2.

Im Übrigen wird die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. April 2020 zurückgewiesen.

Normenkette:

VwGO § 152a Abs. 1 ;

Gründe

1. Die Anhörungsrüge, über die der Senat in seiner der aktuellen Geschäftsverteilung entsprechenden Besetzung entscheidet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2007 - 8 C 17.07 - juris Rn. 1), ist begründet, soweit es um den Schriftsatz des Klägers vom 2. Dezember 2019 geht (Beschwerdebegründung Teil 2). Der Senat hat insoweit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 VwGO ).

Der Senat hat mit Beschluss vom 16. April 2020 - 9 B 66.19 - (juris) die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. August 2019 zurückgewiesen. Dabei hat er allerdings nur die ihm vom Oberverwaltungsgericht übermittelte Beschwerdebegründung vom 26. November 2019 berücksichtigt. Erst aufgrund der Anhörungsrüge vom 8. Juni 2020 hat sich herausgestellt, dass der Kläger am 2. Dezember 2019 - und damit noch innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist - einen weiteren Begründungsschriftsatz beim Oberverwaltungsgericht eingereicht hatte, den dieses versehentlich nicht an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet hat.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht unter Berücksichtigung des zweiten Schriftsatzes zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre, ist das Verfahren nach § 152a Abs. 5 Satz 1 VwGO fortzusetzen.

2. Im Übrigen ist die Anhörungsrüge unbegründet.

Der Kläger kann nicht mit seiner Rüge durchdringen, der Senat habe seinen Vortrag zur Frage einer hinreichenden Entschuldigung (S. 4 seiner Nichtzulassungsbeschwerde vom 26. November 2019) übergangen; dort habe er beanstandet, dass die Zurückweisung des Vortrages zur fehlenden Leistungsfähigkeit und die Ablehnung des damit verbundenen Beweisantrages sein rechtliches Gehör verletzt habe. Zur näheren Begründung führt er in seiner Anhörungsrüge aus (S. 5 ff.), bei dem geltend gemachten Fehler habe es sich um einen Zufallsfund des eingeschalteten Privatgutachters gehandelt. Daher sei der Zeitpunkt der Anforderung von Akten bzw. der Akteneinsicht völlig unerheblich gewesen; insoweit fehle es an jedem kausalen Zusammenhang. Auch wenn er die fehlenden Unterlagen noch am Tage der Klageeinreichung angefordert hätte, wäre es unmöglich gewesen, den Fehler in der 6-Wochen-Frist zu erkennen, vorzutragen oder unter Beweis zu stellen. Sei die Versäumung der Klagefrist aber entschuldigt, könne es nicht mehr auf den Zeitpunkt der Nachholung eines bis zum Ablauf der Frist entschuldigt nicht getätigten Vortrages ankommen. Ein Wiederaufleben der Zurückweisungsmöglichkeit bei unentschuldigter Versäumung der Frist sehe das Gesetz nicht vor (gemeint ist wohl bei entschuldigter Versäumung).

Mit diesem Vortrag hat sich der Senat indes bereits auseinandergesetzt: So hat er zum einen zum geltend gemachten "Zufallsfund" ausgeführt, dass nicht jede Tatsache, die ein Kläger erst nach Ablauf der Klagebegründungsfrist erfährt, dazu führt, dass der Nichtvortrag dieser Tatsache (automatisch) entschuldigt ist. Ob neue Tatsachen vorliegen, die der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht vortragen konnte, so dass der Nichtvortrag entschuldigt ist, muss das Gericht vielmehr im jeweiligen Einzelfall prüfen und bewerten (BVerwG, Beschluss vom 16. April 2020 - 9 B 66.19 - juris Rn. 9). Hiervon ausgehend hat der Senat keine grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage erkennen können. Zum anderen ist der Senat auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts eingegangen, dass das Vorbringen unentschuldigt erst 2019 - also sehr lange nach Klageeinreichung (April 2017) - vorgebracht worden sei; die Kläger hätten "die Verspätung offenkundig selbst verschuldet". Insoweit konnte der Senat keinen Verfahrensfehler erkennen (BVerwG, Beschluss vom 16. April 2020 - 9 B 66.19 - juris Rn. 22).

Damit folgt der Senat in der Sache nicht der Auffassung des Klägers, der meint, es stehe ihm frei, neue Tatsachen, die ihm außerhalb der 6-Wochen-Frist bekannt werden, noch jederzeit als entschuldigt in das Verfahren einzuführen. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass eine solche Auslegung Sinn und Zweck der Klagebegründungsfrist des § 6 UmwRG n.F. bzw. § 4a UmwRG a.F. entgegensteht. Die Norm nimmt auf die Regelung zur Zurückweisung verspäteten Vorbringens in § 87b Abs. 3 VwGO Bezug, um zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen. Damit steht die Auffassung des Klägers in Widerspruch.

Schließlich ist der Senat auch auf die Ablehnung des Beweisantrages eingegangen (BVerwG, Beschluss vom 16. April 2020 - 9 B 66.19 - juris Rn. 28).

3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil Gerichtskosten gemäß KV-Nr. 5400 der Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 GKG nur entstehen, wenn die Rüge in vollem Umfang verworfen oder zurückgewiesen wird.