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BVerwG - Entscheidung vom 23.06.2020

9 A 23.19

Normen:
VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 6
FStrG § 17 Abs. 1
FStrG § 17e
VwVfG § 48 Abs. 1 S. 1
VwVfG § 72 Abs. 1
VwVfG § 75 Abs. 1a S. 2
VwVfG § 75 Abs. 2
WRRL Art. 4 Abs. 1
WHG § 19 Abs. 1
WHG § 19 Abs. 4
VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 6
FStrG § 17 Abs. 1
FStrG § 17e
VwVfG § 48 Abs. 1 S. 1
VwVfG § 72 Abs. 1
VwVfG § 75 Abs. 1a S. 2
VwVfG § 75 Abs. 2
RL 2000/60/EG (WRRL) Art. 4 Abs. 1
WHG § 19 Abs. 1
WHG § 19 Abs. 4
WRRL Art. 4 Abs. 1
WHG § 19 Abs. 1

BVerwG, Urteil vom 23.06.2020 - Aktenzeichen 9 A 23.19

DRsp Nr. 2020/17332

Aufrechterhaltung eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses ohne erforderliche Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot

Die Aufrechterhaltung eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses, der ohne die erforderliche Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot erlassen worden ist, führt nicht zu einem unionsrechtlich unerträglichen Zustand. Die flexiblen Instrumente des Wasserrechts sind geeignet und ausreichend, um die unionsrechtlichen Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie zu erfüllen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Normenkette:

WRRL Art. 4 Abs. 1 ; WHG § 19 Abs. 1 ;

Gründe

I

Der Kläger begehrt die Außervollzugsetzung eines bestandskräftigen straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses.

Streitgegenstand ist der Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der Bundesautobahn A 49 Kassel - A 5, Teilabschnitt zwischen Stadtallendorf und Gemünden/Felda (VKE 40) vom 30. Mai 2012. Das Vorhaben ist Teil des Neubaus der A 49, die Kassel mit Gießen verbinden soll. Die nördlichen Abschnitte bis Neuental sind bereits fertiggestellt und unter Verkehr, der daran anschließende Abschnitt befindet sich im Bau. Die beiden letzten Planungsabschnitte sollen im Rahmen eines ÖPP-Projekts (Öffentlich-private Partnerschaft) realisiert werden. Der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss betrifft den südlichen Abschnitt mit dem Anschluss an die A 5. Dieser 17,45 km lange Streckenteil ist im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Teil des 4-streifigen Neubaus mit der Dringlichkeitsstufe "laufend und fest disponiert" aufgeführt. Er gehört als Teil der (geplanten) A 49 zum Gesamtnetz des transeuropäischen Verkehrsnetzes.

Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 erhob der Kläger als Miteigentümer der Miteigentümergemeinschaft "Forst Äußergerichtswald" sowie als Gesellschafter der "Freiherrlich Schenck'schen Forst Schweinsberg GbR" zusammen mit 40 Einzelklägern und einer Stiftung Klage (Az. 9 A 26.12), die auf unterschiedliche Betroffenheiten der Kläger wegen der Inanspruchnahme von forstwirtschaftlich genutzten Flächen des sog. Forstes Äußergerichtswald gestützt war. Das Klageverfahren wurde im Februar 2014 wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen zunächst zum Ruhen gebracht.

Mit Urteil vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - (BVerwGE 149, 289 ) wies das Bundesverwaltungsgericht die von zwei Umweltvereinigungen gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 erhobenen Klagen als unbegründet ab.

Am 23. November 2016 erwarb der Kläger das Eigentum am sog. S...hof. Der Gebäudekomplex liegt im G...tal südlich der B 62 und etwa 250 m nordöstlich der geplanten Trasse. Das Grundstück umfasst drei Flurstücke der Flur ..., Gemarkung L., von denen die Flurstücke Nr. 1/4 und 1/5 südlich und das Flurstück Nr. 3/4 nördlich des Gewässers K. liegen. Auf dem östlich an das Flurstück 1/4 angrenzenden Grundstück soll das Regenrückhaltebecken (RRB) S entstehen. Der Voreigentümer hatte die Grundstücke verpachtet. Weder er noch die vormaligen Pächter hatten Einwendungen gegen den Planfeststellungsbeschluss erhoben.

Am 18. Dezember 2017 schloss ein Mitglied der Familie des Klägers für die Miteigentümergemeinschaft Forst Äußergerichtswald, die Freiherrlich Schenck'sche Forst Schweinsberg GbR und im einzelnen benannte Miteigentümer des Forstes Äußergerichtswald - darunter den Kläger -, mit der Vorhabenträgerin und dem Land Hessen eine Vereinbarung, die im Wesentlichen eine Kompensation durch Ersatzwaldflächen beinhaltete und eine Verpflichtung zur Klagerücknahme mit Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverzicht in Bezug auf den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 enthielt. Auf die Rücknahmeerklärung vom 20. Dezember 2017 wurde das Verfahren 9 A 26.12 mit Beschluss vom 4. Januar 2018 eingestellt.

Mit (anwaltlichem) Schreiben vom 29. August 2019 beantragte der Kläger beim Beklagten, den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 zurückzunehmen oder hilfsweise zu widerrufen, hilfsweise ein ergänzendes Verfahren mit Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit zur Fehlerheilung durchzuführen und bis zum Abschluss des ergänzenden Verfahrens die Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses zu untersagen. Zur Begründung machte er geltend, der Planfeststellungsbeschluss sei rechtswidrig, weil er gegen formelle Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie und der UVP-Richtlinie verstoße, weshalb auch materielle Fehler wahrscheinlich seien. Das Unionsrecht gebiete ein Einschreiten, um eine Perpetuierung unionsrechtswidriger Zustände zu verhindern.

Nach Anhörung der Vorhabenträgerin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30. September 2019 alle Anträge des Klägers ab: Der Planfeststellungsbeschluss sei rechtmäßig; die für eine Prüfung der wasserwirtschaftlichen Auswirkungen erforderlichen Informationen seien in den Planunterlagen enthalten. Selbst bei Unterstellung einer Rechtswidrigkeit komme eine Rücknahmeentscheidung nicht in Betracht. Es liege keine Ermessensreduzierung auf Null vor. Der Kläger verweise indirekt auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 und die nachfolgende Rechtsprechung, die bereits gegolten habe, als das damalige Klageverfahren aufgrund des Vergleichs, der einen umfassenden Rechtsmittelverzicht enthalten habe, zurückgenommen worden sei. Die Fortgeltung des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses sei nicht schlechthin unerträglich. Der Planfeststellungsbeschluss biete hinreichende Instrumente, um eine nachträgliche Anpassung an rechtliche Anforderungen, z.B. aus dem Wasserrecht, zu gewährleisten. Hinsichtlich der losgelöst davon zu bewertenden wasserrechtlichen Erlaubnisse seien zudem jederzeit nachträgliche korrigierende Maßnahmen möglich. Konkrete Anhaltspunkte für das Erfordernis eines Einschreitens enthalte der Antrag nicht. Vor diesem Hintergrund falle eine Ermessensausübung zulasten der beantragten Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses aus. Die Vorhabenträgerin habe im Vertrauen auf die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses umfangreiche Vorbereitungen zur Realisierung des im Allgemeinwohl stehenden Vorhabens veranlasst und Investitionen getätigt. Der Kläger habe durch sein prozessuales Agieren und den erklärten Rechtsmittelverzicht das Vertrauen in den Bestand des Planfeststellungsbeschlusses überhaupt erst herbeigeführt.

Mit seiner am 11. November 2019 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Nachdem er zunächst die vollständige Rücknahme bzw. den vollständigen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses erreichen wollte, begehrt er zuletzt nur noch, dass der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 außer Vollzug setzt, bis ein ergänzendes Verfahren zur Fehlerheilung durchgeführt worden ist.

Zur Begründung macht er geltend: Er sei klagebefugt, weil er in seinem Eigentum am S...hof betroffen sei. Teilflächen seines Grundstücks würden für die Planfeststellung benötigt. Die Inanspruchnahme seines Eigentums hänge unmittelbar mit der Entwässerung der Trasse zusammen. Als Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit müsse er zudem Verstöße gegen Art. 4 Abs. 1 WRRL und eine Verletzung seines Beteiligungsrechts aus Art. 6 UVP-RL gerichtlich geltend machen können. Das Rechtsschutzbedürfnis sei nicht wegen eines etwaigen Rechtsmittelverzichts ausgeschlossen. Die Vereinbarung vom 18. Dezember 2017 sei ihm gegenüber nicht wirksam und erstrecke sich nicht auf das Eigentum am S...hof. Die Klage sei rechtzeitig erhoben worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides sei fehlerhaft; zudem belege die Postzustellungsurkunde keine ordnungsgemäße Zustellung. Der Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 sei formell rechtswidrig, denn er enthalte keine gewässerbezogene Prüfung nach Art. 4 Abs. 1 WRRL , die von der Behörde selbst vorgenommen und dokumentiert sowie nach Art. 6 UVP-RL öffentlich ausgelegt worden sei. Zudem seien materielle Verstöße gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot wahrscheinlich. Die Rechtswidrigkeit habe schon bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses bestanden. Die Verstöße gegen das Europarecht reduzierten das Ermessen des Beklagten dahingehend, dass der Planfeststellungsbeschluss zurückzunehmen sei. Art. 4 Abs. 1 WRRL beanspruche eine uneingeschränkte Geltung. Deshalb müsse bei einem planfestgestellten, aber noch nicht umgesetzten Vorhaben die Durchführung verhindert werden, wenn diese gegen Art. 4 Abs. 1 WRRL verstoße. Insoweit seien die vom Europäischen Gerichtshof für das Gebietsrecht formulierten Vorgaben übertragbar. Bei Verneinung einer Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses im Erlasszeitpunkt wäre dieser jedenfalls wegen nachträglicher Rechtsänderung zu widerrufen. Jedenfalls müsse der Planfeststellungsbeschluss außer Vollzug gesetzt werden, um ein ergänzendes Verfahren durchzuführen, in dem die Anforderungen des Art. 4 Abs. 1 WRRL geprüft und die Defizite bei der Öffentlichkeitsbeteiligung ausgeräumt würden. Die Aufrechterhaltung bzw. Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses wäre ein schlechthin unerträglicher Verstoß gegen das Europarecht.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 30. September 2019 zu verpflichten, die Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. Mai 2012 für den Neubau der Bundesautobahn A 49, Teilabschnitt zwischen Stadtallendorf und Gemünden/Felda, auszusetzen, bis ein ergänzendes Verfahren mit Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit zur Fehlerheilung abgeschlossen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage für unzulässig, jedenfalls für unbegründet: Die Klage sei verfristet, weil der Bescheid ausweislich der Postzustellungsurkunde am 8. Oktober 2019 zugestellt worden sei. Der Kläger habe auch kein Rechtsschutzbedürfnis, nachdem er aufgrund der auch ihn bindenden Vereinbarung vom 18. Dezember 2017 auf alle Rechtsmittel und Rechtsbehelfe verzichtet habe. Zudem sei er nicht in subjektiven Rechten verletzt. Bei Erwerb des S...hofs habe er alle Auswirkungen des Vorhabens gekannt, der Planfeststellungsbeschluss sei gegenüber dem Voreigentümer bestandskräftig gewesen. Der Kläger rüge eine fehlende Beteiligung an einem Verfahren, das bislang weder stattgefunden habe noch erforderlich sei; hinsichtlich Art. 4 Abs. 1 WRRL fehle es an einer qualifizierten Betroffenheit. Der Planfeststellungsbeschluss sei auch nicht rechtswidrig. Die im Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 genannten Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht übernommen habe, hätten als neue inhaltliche Prüfungsanforderungen keine Geltung für Planfeststellungsbeschlüsse, die vor dem 1. Juli 2015 erlassen worden seien. Die Prüfung der wasserrechtlichen Anforderungen sei im Übrigen nicht defizitär gewesen. Die wasserrechtlichen Erlaubnisse enthielten umfangreiche Nebenbestimmungen und könnten zudem kraft Gesetzes angepasst werden. Selbst bei Unterstellung einer Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses sei das Rücknahmeermessen nicht auf Null reduziert. Dies gelte auch für ein etwaiges Widerrufsermessen. Konkrete Beeinträchtigungen mache der Kläger nicht geltend. Etwaige wasserrechtliche Defizite ließen sich auch ohne Aufhebung der bestandskräftigen Zulassungsentscheidung beheben. Der Kläger habe im Klageverfahren 9 A 26.12 keine wasserwirtschaftlichen Bedenken erhoben, sondern vielmehr anderthalb Jahre nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 (EuGH, C-461/13) den S...hof erworben. Zu berücksichtigen sei auch das schutzwürdige Vertrauen der Vorhabenträgerin, die bereits mehr als 27 Millionen Euro in die Ausführung des Planfeststellungsbeschlusses investiert und mit seiner Durchführung begonnen habe. Die Umsetzung des planfestgestellten Vorhabens liege zudem im öffentlichen Interesse. Das Vorhaben habe ein hohes verkehrspolitisches Gewicht, das sich gegenüber den nicht spezifizierten wasserrechtlichen Bedenken des Klägers durchsetze. Dem Anspruch auf Durchführung eines ergänzenden Verfahrens stehe die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses entgegen. Mit diesem sei kein "unerträgliches" unionsrechtliches Defizit in Hinblick auf die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie verbunden.

II

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.

A. Die Klage ist zulässig.

1. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 17e Abs. 1 FStrG und der zugehörigen Anlage (in der Fassung vom 27. Juni 2017: Nr. 30, seit der Änderung vom 8. August 2020: Nr. 32) für die Entscheidung zuständig. Das planfestgestellte Vorhaben ist Teil der in der Anlage aufgeführten Bundesfernstraße "A 49 Bischhausen - A 5". Die Streitigkeit "betrifft" das Planfeststellungsverfahren im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO , weil der Antrag auf vollständige oder teilweise Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses im Wege der Rücknahme oder des Widerrufs einen unmittelbaren Bezug zu dem vorausgegangenen Planfeststellungsverfahren aufweist und es um die genehmigungsrechtliche Bewältigung des Vorhabens geht (vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 44 Rn. 18 und vom 28. April 2016 - 4 A 2.15 - BVerwGE 155, 81 Rn. 15). Dies gilt auch für die zuletzt nur noch beantragte Außervollzugsetzung, mit der der Kläger im Rahmen des geltend gemachten Rücknahme- bzw. Widerrufsverlangens auf eine teilweise Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zielt und die ihre Grundlage ebenfalls in den Vorschriften der §§ 48 , 49 HVwVfG findet. Insofern unterscheidet sich das Verlangen des Klägers von einer Klage auf Erlass nachträglicher Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 VwVfG oder auf Erlass von Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung derartiger Schutzauflagen, für die das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich nicht zuständig wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 44 Rn. 18).

2. Der Kläger ist klagebefugt. Er ist Eigentümer von Grundstücken, die durch die Planung teilweise in Anspruch genommen werden. Der Fehler bei der wasserrechtlichen Prüfung des Vorhabens, auf den er sich beruft, steht in einem sachlichen Zusammenhang mit der Planung der Straßenentwässerung und damit auch mit der Inanspruchnahme seines Grundeigentums, so dass eine Verletzung seiner Rechte jedenfalls möglich erscheint. Da er auf dieser Grundlage den Planfeststellungsbeschluss anfechten könnte, wäre dieser nicht bestandskräftig, steht ihm auch die Befugnis zu, gegen die Ablehnung der nachträglichen (teilweisen) Aufhebung dieses Planfeststellungsbeschlusses gerichtlich vorzugehen.

3. Die Klage ist fristgerecht erhoben worden. Die vom Beklagten vorgelegte Postzustellungsurkunde, die als Zustelldatum den 8. Oktober 2019 ausweist, ist nicht geeignet, eine wirksame Zustellung nachzuweisen. Mit seiner Unterschrift bezeugt der Zusteller eine Einlegung des Schriftstücks "in dem zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung". Damit wird eine wirksame Ersatzzustellung nach § 3 Abs. 2 VwZG i.V.m. § 178 Abs. 1 , § 180 ZPO in den (hier als Zustellort allein in Betracht kommenden) Kanzleiräumen der Verfahrensbevollmächtigten des Klägers jedoch nicht belegt, weil der dokumentierte Vorgang sich nicht auf die zutreffende Zustellanschrift bezieht. Im Adressfeld der Zustellungsurkunde ist die Angabe eines Postfachs handschriftlich in "M.-B.-Allee ..., 22765 Hamburg" geändert worden. Unter dieser Anschrift sind die Prozessbevollmächtigten des Klägers jedoch nicht zu erreichen; ihre Kanzleiräume befinden sich in der M.-B.-Allee ... Die Postzustellungsurkunde begründet zwar als öffentliche Urkunde nach § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen; die Beweiskraft erstreckt sich jedoch nicht darauf, dass der Zustellungsadressat unter der Zustellungsanschrift auch tatsächlich wohnt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 5. Oktober 1996 - 2 BvR 2195/95 - juris Rn. 9; BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 - BVerwGE 104, 301 <305 f.>). Da die Unrichtigkeit der Zustellanschrift hier feststeht, ist der Postzustellungsurkunde für die Dokumentation einer wirksamen Ersatzzustellung die Grundlage entzogen. Der von ihr dokumentierte Zustellungsvorgang stellt keine wirksame Zustellung dar.

Da sich eine formgerechte Zustellung nicht nachweisen lässt, gilt der Bescheid in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem er dem Adressaten tatsächlich zugegangen ist (§ 189 ZPO ). Das ist hier der auf dem Bescheid mit Stempel vermerkte Eingang am 9. Oktober 2019, so dass die am Montag, den 11. November 2019, erhobene Klage die Monatsfrist gewahrt hat.

4. Die Klage ist auch nicht wegen eines außergerichtlich erklärten Rechtsbehelfsverzichts unzulässig.

Eine Prozessführung, die im Widerspruch zu einer vorherigen außergerichtlichen Vereinbarung zwischen den Beteiligten steht, kann eine gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßende unzulässige Rechtsausübung darstellen, die auf die entsprechende Einrede des Gegners hin zu berücksichtigen ist (vgl. zur außergerichtlichen Vereinbarung einer Klagerücknahme etwa BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 1982 - 1 B 142.81 - Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 6 und BGH, Beschluss vom 22. Mai 2019 - VII ZR 180/18 - NJW 2019, 2479 Rn. 8 m.w.N.; zur Klageerhebung trotz vorherigen Verzichts Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO , Stand Juli 2019, § 74 Rn. 42 und W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO , 25. Aufl. 2019, § 74 Rn. 24). Angesichts der prozessualen Tragweite muss ein solcher Verzicht allerdings eindeutig und unmissverständlich erklärt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1978 - 7 C 50.75 - BVerwGE 55, 355 <357>). Eine derartige Verzichtserklärung hat der Kläger hier nicht abgegeben.

Die außergerichtliche Vereinbarung vom 18. Dezember 2017, auf die der Beklagte sich hier beruft, bezieht den Kläger nur in seiner Eigenschaft als Miteigentümer am Forst Äußergerichtswald ein und zielt auch nur auf den Ausgleich dieser Betroffenheit. Eine Ausweitung des Rechtsbehelfsverzichts auf andere nicht näher bezeichnete Beeinträchtigungen, die die einzelnen Miteigentümer an anderen ungenannten Rechtsgütern erleiden könnten, lässt sich daraus nicht ableiten und angesichts der prozessualen Bedeutung eines solchen Verzichts auch nicht unterstellen.

B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses zur Ermöglichung eines ergänzenden Verfahrens.

1. Anspruchsgrundlage für das Begehren sind die Vorschriften über die Rücknahme oder den Widerruf eines Verwaltungsakts nach §§ 48 , 49 HVwVfG .

a) Der Kläger möchte erreichen, dass der Beklagte den bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss teilweise - nämlich hinsichtlich seiner Vollziehbarkeit - aufhebt. Damit sollen die Voraussetzungen für die Durchführung eines ergänzenden Planfeststellungsverfahrens im Sinne des § 17d FStrG i.V.m. §§ 76 , 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG mit dem Ziel der Planaufhebung, -änderung oder -ergänzung geschaffen werden. Hierzu ist der Beklagte ohne einen entsprechenden Antrag der Vorhabenträgerin nur befugt, wenn die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses vorliegen (vgl. Deutsch, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG , 2. Aufl. 2019, § 75 Rn. 132; Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG , 21. Aufl. 2020, § 76 Rn. 18). Dies beurteilt sich, da spezialgesetzliche Regelungen fehlen, nach den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts. Maßgeblich ist hier das Hessische Verwaltungsverfahrensgesetz ( HVwVfG ), weil § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG (in der Fassung vom 3. März 2020, davor Satz 3) nur bezüglich der das Planfeststellungsverfahren selbst betreffenden Vorschriften der §§ 72 bis 78 VwVfG auf die entsprechende Anwendung des (Bundes-) Verwaltungsverfahrensgesetzes (mit einzelnen Maßgaben) verweist; im Übrigen verbleibt es bei der Anwendung von Landesrecht (§ 1 Abs. 3 VwVfG , vgl. hierzu Kromer, in: Müller/Schulz, FStrG , 2. Aufl. 2013, § 17 Rn. 29 ff.; Ronellenfitsch, in: Marschall, FStrG , 6. Aufl. 2012, § 17 Rn. 73 f.).

b) Die Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten nach §§ 48 , 49 VwVfG bzw. den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen sind auch auf Planfeststellungsbeschlüsse anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Mai 1997 - 11 C 1.96 - BVerwGE 105, 6 <11 ff.> zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG , vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 44 Rn. 23, vom 28. April 2016 - 4 A 2.15 - BVerwGE 155, 81 Rn. 26, 31 und vom 19. Dezember 2017 - 3 A 8.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 81 Rn. 23). § 72 Abs. 1 VwVfG schließt insoweit nur die Anwendung des § 51 VwVfG aus. Auch § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG steht nicht entgegen, weil diese Vorschrift die Auswirkungen der Bestandskraft von Planfeststellungsbeschlüssen regelt und eine besondere, insbesondere privatrechtsgestaltende Duldungswirkung des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses anordnet, aber keine Aussage zu der in § 48 VwVfG geregelten Durchbrechung der Bestandskraft selbst enthält. Soweit sich einzelne Regelungen der §§ 72 ff. VwVfG mit der Änderung oder Aufhebung bestandskräftiger Planfeststellungsbeschlüsse befassen (vgl. § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 , §§ 76 , 77 VwVfG ), betreffen sie nur Einzelaspekte, ohne insoweit abschließenden Charakter zu haben.

Der Anspruch auf Rücknahme eines Planfeststellungsbeschlusses kann allerdings nicht weitergehen als der Aufhebungsanspruch bei fristgerechter Anfechtung (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 44 Rn. 24). Der in § 75 Abs. 1a VwVfG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Planerhaltung begrenzt auch die Reichweite eines Rücknahmeverlangens. Daher scheidet eine vollständige Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses aus, wenn der Mangel, der seine Rechtswidrigkeit begründet, durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann (Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG , 9. Aufl. 2018, § 72 Rn. 117; Deutsch, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG , 2. Aufl. 2019, § 75 Rn. 189; Ziekow, VwVfG , 4. Aufl. 2020, § 72 Rn. 33a). Auch ein Widerruf kommt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur als ultima ratio in Betracht, wenn etwa Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG als Abhilfe nicht ausreichen (BVerwG, Beschlüsse vom 10. Oktober 2003 - 4 B 83.03 - NVwZ 2004, 97 <98> und vom 27. Mai 2015 - 3 B 5.15 - Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 50 Rn. 17; Urteil vom 28. April 2016 - 4 A 2.15 - BVerwGE 155, 81 Rn. 31). Diesen Grundsätzen hat der Kläger Rechnung getragen und seinen Klageantrag auf die Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses beschränkt.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Aufhebung der Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses nach § 48 HVwVfG . Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen zwar vor (a), das dem Beklagten danach eröffnete Rücknahmeermessen ist aber nicht auf Null reduziert und vom Beklagten fehlerfrei ausgeübt worden (b).

a) Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 HVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ist die Sach- und Rechtslage bei seinem Erlass (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 7 B 18.12 - juris Rn. 27 m.w.N.). Etwaige nachträgliche Veränderungen hätten in einem Anfechtungsprozess keine Auswirkungen und können auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 4 A 2.15 - BVerwGE 155, 81 Rn. 28).

Die vom Kläger aufgezeigten Mängel bei der wasserrechtlichen Prüfung betreffen einen Fehler, der dem Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 bereits bei seinem Erlass anhaftete. Denn der Planfeststellungsbeschluss wird den Anforderungen an die Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot nicht gerecht.

aa) Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI: EU: C: 2015: 433], Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - ist geklärt, dass die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 - Wasserrahmenrichtlinie , WRRL - formulierten Pflichten, eine Verschlechterung des Zustands der Oberflächenwasserkörper zu verhindern (Verschlechterungsverbot) und das Ziel der Erreichung eines guten Gewässerzustands zu verfolgen (Verbesserungsgebot), nicht bloße Ziele der Bewirtschaftsplanung darstellen, sondern verbindlichen Charakter haben. Daher ist die Genehmigung eines Vorhabens zu versagen, wenn es geeignet ist, den Zustand eines Oberflächenwasserkörpers zu verschlechtern oder die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächenwasserkörpers zu gefährden. Vergleichbare verbindliche Ziele gelten im Hinblick auf den Zustand des Grundwassers, wobei der Europäische Gerichtshof inzwischen klargestellt hat, dass die entsprechende Prüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung vor der Projektgenehmigung erfolgen muss (EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 [ECLI: EU: C: 2020: 391], Land Nordrhein-Westfalen - Rn. 72, 90). Danach müssen vor der Zulassung eines Vorhabens das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot wasserkörperbezogen für alle vorhabenbedingten Wirkpfade geprüft und die Prüfung und deren Erkenntnisse dokumentiert werden (vgl. BVerwG, Hinweisbeschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 - DVBl. 2018, 1426 Rn. 47 und Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 22).

bb) Diese Anforderungen galten entgegen der Ansicht des Beklagten bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. Mai 2012. Die Regelung in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a WRRL war bereits zum damaligen Zeitpunkt gültig und ist seither nicht geändert worden. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 (EuGH, C-461/13), das in einem Vorabentscheidungsverfahren ergangen ist, ist nicht konstitutiver, sondern rein deklaratorischer Natur. Es erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinne und mit welcher Bedeutung diese Bestimmung ab ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre (vgl. etwa EuGH, Urteile vom 13. Januar 2004 - C-453/00 [ECLI: EU: C: 2004: 17], Kühne & Heitz - Rn. 21 und vom 12. Februar 2008 - C-2/06 [ECLI: EU: C: 2008: 78], Kempter - Rn. 35). Auch die nationalen Vorschriften der §§ 27 und 47 WHG , die die Bewirtschaftungsziele für oberirdische Gewässer und das Grundwasser betreffen und die unionsrechtlichen Vorgaben in nationales Recht umsetzen, gelten bereits unverändert seit dem 1. März 2010. Entsprechende Bewirtschaftungsziele waren zudem auch schon zuvor in §§ 25a und 33a WHG a.F. formuliert. Die zitierte Rechtsprechung zu den Anforderungen an die wasserrechtliche Prüfung gibt lediglich das "geläuterte" und verbesserte Verständnis von Auslegung und Anwendung der unveränderten Rechtslage wieder und ist nicht mit einer nachträglichen Rechtsänderung vergleichbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Juli 2013 - 8 B 7.13 - juris Rn. 6 m.w.N.).

cc) Die wasserrechtliche Prüfung im Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Der Planfeststellungsbeschluss enthält detaillierte Ausführungen zur wasserwirtschaftlichen Situation im Planungsgebiet, den erteilten wasserrechtlichen Erlaubnissen auf der Grundlage des Entwässerungskonzepts und den in den Wasserschutzgebieten vorgesehenen Maßnahmen. Dabei wird auch begrifflich auf das in §§ 27 und 47 WHG geregelte Verschlechterungsverbot Bezug genommen (etwa PFB S. 466, 494), ohne jedoch auf dessen Inhalt konkret einzugehen. Der Fokus der Untersuchungen lag insbesondere auf den etwaigen Folgen für die Trinkwassergewinnung, betraf aber nicht den Schutz des Gewässerzustands an sich. Eine wasserkörperbezogene Untersuchung des Ist-Zustands unter Identifizierung und Einordnung aller betroffenen Gewässer und eine Bestimmung der Zustandsklasse und der maßgeblichen Qualitätskomponenten wurde nicht vorgenommen. Dementsprechend fehlt auch eine darauf bezogene Auswirkungsprognose unter Berücksichtigung der relevanten Schadstoffe und Parameter. Auf den bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geltenden Bewirtschaftungsplan, den das Land Hessen nach Art. 13 WRRL im Dezember 2009 aufgestellt hat, wird an keiner Stelle Bezug genommen.

Damit fehlt es an der erforderlichen Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot der Wasserrahmenrichtlinie , die im Rahmen des förmlichen Planfeststellungsverfahrens unter Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit hätte erfolgen müssen. Ob daneben auch materiell-rechtlich ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (oder Verbesserungsgebot) vorliegt, ist nicht geklärt.

dd) Der rechtswidrige Planfeststellungsbeschluss verletzt den Kläger auch in seinen Rechten.

Der Anspruch eines Dritten auf Rücknahme eines Planfeststellungsbeschlusses oder ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber kann nicht weitergehen als der Aufhebungsanspruch bei fristgerechter Anfechtung und setzt daher voraus, dass der Planfeststellungsbeschluss gerade ein Recht des Dritten verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 4 A 2.15 - BVerwGE 155, 81 Rn. 26). Das ist hier der Fall.

Der Kläger ist als Eigentümer des S...hofs in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG betroffen, weil Teile seiner Grundflächen für den Planfeststellungsbeschluss in Anspruch genommen werden sollen. Er soll insbesondere eine ca. 2 300 m2 große Fläche verlieren, auf der eine Wegeverbindung zum benachbarten Regenrückhaltebecken - RRB S geschaffen bzw. befestigt werden soll. Die Inanspruchnahme steht in sachlichem Zusammenhang mit der Planung der Straßenentwässerung. Sollte die bisherige Entwässerungsplanung den Anforderungen des Verschlechterungsverbots und Verbesserungsgebots nicht genügen und eine Umplanung erforderlich werden, könnte dies Auswirkungen auf das RRB S und dessen wege- und leitungsmäßige Anbindung haben und die Planung im Bereich des klägerischen Grundstücks berühren. Ob der Kläger daneben auch zur Grundwasserentnahme und -nutzung berechtigt und deswegen von einer Verletzung der aus dem Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot resultierenden Pflichten unmittelbar betroffen ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18, Land Nordrhein-Westfalen - Rn. 120 ff.), bedarf hier keiner Entscheidung.

b) Der Beklagte hat das ihm nach § 48 Abs. 1 HVwVfG eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die vorsorglichen Ermessenserwägungen tragen seine Entscheidung, den bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss nicht (teilweise) wieder aufzuheben.

aa) Der Beklagte ist nicht wegen einer Ermessensreduzierung auf Null zur (teilweisen) Rücknahme des rechtswidrigen Planfeststellungsbeschlusses verpflichtet.

Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens ist dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit prinzipiell kein größeres Gewicht beizumessen als dem Grundsatz der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 - 1 C 33.07 - Buchholz 402.242 § 54 AufenthaltsG Nr. 5 Rn. 12 m.w.N.). Allein der Umstand, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist, gebietet daher nicht seine Rücknahme, zumal die Möglichkeit zur fristgerechten Anfechtung bestanden hätte. Ob der Kläger selbst seine auf den S...hof bezogenen Einwendungen in das - zum Zeitpunkt des Grunderwerbs noch ruhende - Klageverfahren 9 A 26.12 hätte einbeziehen können, mag zweifelhaft sein, weil er an jenem Verfahren nur in seiner Eigenschaft als Miteigentümer bzw. Gesellschafter wegen der Betroffenheit des Äußergerichtswalds beteiligt war. Er muss sich jedoch als Rechtsnachfolger zurechnen lassen, dass der Voreigentümer des S...hofs den Planfeststellungsbeschluss hat bestandskräftig werden lassen.

Das einschlägige Fachrecht spricht entgegen der Auffassung des Klägers nicht für eine Ermessensentscheidung zugunsten der Aufhebung; vielmehr kommt der Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses nach dem Willen des Gesetzgebers eine erhöhte Bedeutung zu (vgl. § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ).

Der Umstand, dass der Rechtsverstoß im Unionsrecht begründet liegt, führt als solcher nicht zu einer anderen Beurteilung. Auch im Unionsrecht gehört die Rechtssicherheit zu den anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen, wobei die Bestandskraft einer Verwaltungsentscheidung, die nach Ablauf angemessener Klagefristen oder Erschöpfung des Rechtswegs eingetreten ist, zur Rechtssicherheit beiträgt. Daher verpflichtet das Unionsrecht eine Verwaltungsbehörde nicht grundsätzlich zur Rücknahme einer bestandskräftig gewordenen rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung (vgl. etwa EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2012 - C-249/11 [ECLI: EU: C: 2012: 608], Byankov - Rn. 76 und vom 16. Oktober 2019 - C-189/18 [ECLI: EU: C: 2019: 861], Glencore Agriculture Hungary - Rn. 45 m.w.N.).

Mangels einschlägiger unionsrechtlicher Regelungen ist es nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten festzulegen, die den Schutz der Rechte aus dem Gemeinschaftsrecht gewährleisten sollen. Diese Modalitäten dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip) (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2006 - C-392/04 u.a. [ECLI: EU: C: 2006: 586], Germany und Arcor - Rn. 53 f.). Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang auf die in der Entscheidung "Kühne & Heitz" (EuGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - C-453/00 -) entwickelten Grundsätze eingeht, sind diese vorliegend bereits deshalb nicht einschlägig, weil es im Verhältnis zum Kläger um eine Verwaltungsentscheidung geht, die bestandskräftig geworden ist, ohne von ihm einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen worden zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 19. September 2006 - C-392/04 u.a., Germany und Arcor - Rn. 53 f. und vom 4. Oktober 2012 - C-249/11, Byankov - Rn. 51).

Eine (teilweise) Rücknahme des rechtswidrigen Planfeststellungsbeschlusses ist hier weder zur Wahrung der Effektivität des Unionsrechts noch aus Gründen der Äquivalenz geboten.

(1) Die Aufrechterhaltung der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses führt nicht dazu, dass die unionsrechtlichen Regelungen nicht mehr in effektiver Weise angewandt werden könnten.

Der Verstoß gegen Unionsrecht besteht hier darin, dass vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses keine Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den wasserrechtlichen Zielen des Verschlechterungsverbots und Verbesserungsgebots erfolgt ist. Darin liegt ein Verfahrensfehler, der zudem einen Verstoß gegen die materiell-rechtlichen Vorgaben des Wasserrechts möglich erscheinen lässt.

Hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Komponente verbleibt es ohne teilweise Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses und Wiedereintreten in das Planfeststellungsverfahren zwar auf Dauer bei dem Mangel, dass eine Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots unter Beteiligung der Öffentlichkeit fehlt. Dies bedeutet für sich genommen aber keine derart übermäßige Erschwerung der Anwendung des Unionsrechts, dass eine Aufhebung der Bestandskraft geboten sein könnte. Der Verfahrensfehler beschränkt sich auf den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss und betrifft einen Einzelaspekt. Zu den übrigen umweltrechtlich relevanten Belangen sowie zu maßgeblichen Fragen des Wasserrechts in Bezug auf die Einleitung von Schadstoffen und den Schutz des Trinkwassers hat eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden, so dass das verbleibende Defizit nicht von einem solchen Gewicht ist, dass es unionsrechtlich untragbar erscheint. Die wasserrechtliche Prüfung mittels eines im Planfeststellungsverfahren erstellten Fachbeitrages wurde von der Rechtsprechung als sachangemessene Verfahrensweise entwickelt, um den Verpflichtungen aus der Wasserrahmenrichtlinie nachzukommen. Sie ist jedoch - anders als etwa die Verträglichkeitsprüfung im Gebietsschutz nach der FFH-Richtlinie - nicht schon unionsrechtlich vorgegeben und formalisiert. Die verfahrensrechtlichen Erfordernisse sind kein Selbstzweck, sondern sollen die Einhaltung der materiellen Voraussetzungen des Vorhabens sichern. Dieses Ziel lässt sich hier auch außerhalb eines (ergänzenden) Planfeststellungsverfahrens erreichen.

In materieller Hinsicht liegt der Mangel des Planfeststellungsbeschlusses darin, dass die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den wasserrechtlichen Zielen des Verschlechterungsverbots und Verbesserungsgebots nicht geklärt ist, so dass die Gefahr besteht, dass etwaige negative Umweltfolgen bei Errichtung und Betrieb der geplanten Autobahn dauerhaft fortbestehen könnten. Einer solchen Perpetuierung eines unionsrechtsrechtswidrigen Zustands kann jedoch ohne (Teil-) Aufhebung des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses wirksam begegnet werden. Denn die fehlende wasserkörperbezogene Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens kann auch nachträglich erfolgen und ist nicht an ein förmliches Planfeststellungsverfahren gebunden. Das deutsche Wasserrecht bietet ein flexibles Instrumentarium, um eine solche Prüfung durchzusetzen und gegebenenfalls nachträglichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen und damit die unionsrechtlichen Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen. Nach § 19 Abs. 1 WHG entscheidet die Planfeststellungsbehörde bei Vorhaben, mit denen die Benutzung eines Gewässers verbunden ist, auch über die Erteilung der entsprechenden Erlaubnis oder Bewilligung. Die wasserrechtliche Entscheidung tritt dabei neben die Planfeststellung, auch wenn sie in demselben Beschluss getroffen wird, und bleibt rechtlich selbstständig (BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 450 und vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 32). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass im Gegensatz zu Planfeststellungsbeschlüssen, die in hohem Maße änderungsresistent sind, im Wasserrecht flexibel handhabbare Instrumente unverzichtbar sind. Die Regelungen des Wasserrechts mit der Möglichkeit nachträglicher Anordnung von Inhalts- und Nebenbestimmungen und dem Widerruf von Erlaubnissen und Bewilligungen (§§ 13 , 18 WHG ) sollen es ermöglichen, auf veränderte Situationen effektiv zu reagieren, ohne zugleich ein förmliches Planfeststellungs(änderungs)verfahren einleiten zu müssen (vgl. Deutsch, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG , 2. Aufl. 2019, § 75 Rn. 72).

Die Überprüfung der erteilten wasserrechtlichen Erlaubnisse ist ein sinnvoller Weg, um den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie nachträglich Geltung zu verschaffen, und effektiver als die bloße Nachholung der im Planfeststellungsverfahren unterbliebenen Untersuchung. Denn sie ist gegenwarts- und zukunftsbezogen und ermöglicht die Berücksichtigung der seit Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eingetretenen tatsächlichen und rechtlichen Veränderungen, wie etwa des aktuellen Bewirtschaftungsplans für das Land Hessen, der neuen Oberflächengewässerverordnung oder der aktualisierten Richtlinie über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik (Richtlinie 2013/39/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. August 2013).

Zuständig für etwaige nachträgliche wasserrechtliche Entscheidungen ist nach § 19 Abs. 4 WHG die Planfeststellungsbehörde, wobei antragsberechtigt neben der zuständigen Wasserbehörde auch betroffene Dritte sind, soweit sie einen Anspruch auf eine der genannten Maßnahmen geltend machen (vgl. Schenk, in: Siedler/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG , Stand August 2019, § 19 Rn. 40). Das Antragsrecht umfasst dabei das Recht, Auskunft darüber zu erlangen, inwieweit die bisherigen Maßnahmen ausreichen, um die wasserrechtlichen Vorgaben unionsrechtssicher umzusetzen, und gegebenenfalls Nachbesserungen zu verlangen. Auf dieses Recht kann und muss sich der Kläger hier verweisen lassen. Dies genügt zur effektiven Durchsetzung des Unionsrechts.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Anwendung der Habitat-Richtlinie auf bestandskräftige Genehmigungen (EuGH, Urteile vom 14. Januar 2010 - C-226/08 [ECLI: EU: C: 2010: 10], Stadt Papenburg - Rn. 44 ff., vom 14. Januar 2016 - C-141/14 [ECLI: EU: C: 2016: 8], Kommission/Bulgarien - Rn. 51 f. und vom 14. Januar 2016 - C-399/14 [ECLI: EU: C: 2016: 10], Grüne Liga Sachsen, Waldschlösschenbrücke - Rn. 38). Es bedarf hier keiner Entscheidung, inwieweit diese auf das Wasserrecht übertragbar sind, denn jedenfalls ergibt sich daraus nicht, dass bei einer möglichen Kollision von künftigen Auswirkungen eines genehmigten Vorhabens mit unionsrechtlichen Vorgaben zwingend eine (Teil-)Aufhebung der Genehmigung mit Wiederholung des Genehmigungsverfahrens erfolgen müsste. Vielmehr ist der Gefährdung unionsrechtlicher Ziele mit "geeigneten Maßnahmen" zu begegnen, wobei es den nationalen Gerichten obliegt zu entscheiden, ob die erneute Überprüfung der Genehmigung die einzige geeignete Maßnahme darstellt (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - C-399/14, Grüne Liga Sachsen, Waldschlösschenbrücke - Rn. 44 f.). Vorliegend sind - wie ausgeführt - die flexiblen Instrumente des Wasserrechts geeignet und ausreichend, um den unionsrechtlichen Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie Rechnung zu tragen, ohne dass es dafür eines Eingriffs in die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses bedürfte.

(2) Auch im Hinblick auf den Äquivalenzgrundsatz ist der Beklagte nicht zur Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses verpflichtet.

Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht nach nationalem Recht ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt (BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 13 und vom 20. März 2008 - 1 C 33.07 - Buchholz 402.242 § 54 AufenthaltsG Nr. 5 Rn. 13 f.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Der Planfeststellungsbeschluss stellt trotz der defizitären wasserrechtlichen Prüfung keine derart evidente Fehlentscheidung dar (vgl. zu diesem Kriterium etwa BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 13, 17 ), dass seine vollständige Aufrechterhaltung zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führte. Er war im maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses nicht offensichtlich rechtswidrig, weil sich damals das Erfordernis einer vorhabenbezogenen Prüfung des Verschlechterungsverbots noch nicht aufdrängte. Das Festhalten an seiner Bestandskraft führt nicht zu einem unionsrechtlich unerträglichen Zustand. Denn mit den flexiblen Instrumenten des Wasserrechts stehen - wie dargelegt - hinreichende rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um den Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie wirksam Geltung zu verschaffen.

bb) Die Ermessenserwägungen des Beklagten sind auch im Übrigen nicht zu beanstanden.

Der Beklagte hat im Rahmen der Ermessensentscheidung zutreffend die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses und das auch in § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zum Ausdruck kommende besondere öffentliche Interesse an seinem Fortbestand berücksichtigt (vgl. etwa Deutsch, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG , 2. Aufl. 2019, § 75 Rn. 189). Das Vorhaben dient nach den Feststellungen im Urteil vom 23. April 2014 - 9 A 25.12 - (BVerwGE 149, 289 Rn. 74) zwingenden Gemeinwohlgründen. Die besondere verkehrliche Bedeutung aufgrund der nationalen und europäischen Verbindungs- und Raumerschließungsfunktion kommt nach wie vor in der Aufnahme des Vorhabens in den aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen und die Einbeziehung in das Gesamtnetz des transeuropäischen Verkehrsnetzes zum Ausdruck.

Ermessensfehlerfrei hat der Beklagte auch den nicht unerheblichen Investitionen, die die Vorhabenträgerin bereits im Vertrauen auf den Bestand des Planfeststellungsbeschlusses aufgewendet hat, ein besonderes Gewicht beigemessen (vgl. zu diesen Kriterien etwa Wickel, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 72 VwVfG Rn. 22) und berücksichtigt, dass der Kläger den S...hof in Kenntnis aller Auswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses zu einem Zeitpunkt erworben hat, als das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 (EuGH, C-461/13) bereits allgemein bekannt war. Gleichwohl hat der Kläger mehrere Jahre verstreichen lassen, bevor er den Antrag auf Rücknahme gestellt hat, wodurch er zur Bildung dieses Vertrauens beigetragen hat.

Dem geltend gemachten wasserrechtlichen Defizit kommt demgegenüber keine überwiegende Bedeutung zu. Das Wasserrecht ist in dem Planfeststellungsbeschluss insbesondere in Bezug auf den Trinkwasserschutz eingehend geprüft worden. Einen materiellen Verstoß gegen die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie zeigt der Kläger nicht konkret auf. Einer etwaigen Gefährdung der verbindlichen Bewirtschaftungsziele des Verschlechterungsverbots und Verbesserungsgebots kann - wie ausgeführt - mit den Mitteln des Wasserrechts wirksam begegnet werden, ohne dass es hierfür der Wiedereröffnung des Planfeststellungsverfahrens bedarf. Vor diesem Hintergrund durfte der Beklagte eine Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses als unverhältnismäßig ablehnen.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf einen teilweisen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 HVwVfG .

Die Möglichkeit eines Widerrufs nach § 49 VwVfG (bzw. hier § 49 HVwVfG ) besteht auch für rechtswidrige Verwaltungsakte, weil diese keinen weitergehenden Schutz verdienen als rechtmäßige (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG , 9. Aufl. 2018, § 49 Rn. 6 m.w.N.). Auch aus dieser Vorschrift lässt sich der geltend gemachte Anspruch jedoch nicht ableiten.

Es kann dahinstehen, ob die (verfahrens-)fehlerhafte Prüfung der Wasserrahmenrichtlinie bei unionsrechtskonformer Auslegung als schwerer Nachteil für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 HVwVfG verstanden werden kann. Denn jedenfalls liegt auch bei Vorliegen eines Widerrufsgrundes die Entscheidung über eine (teilweise) Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses im Ermessen des Beklagten. Dieses Ermessen ist hier aus den bereits dargelegten Gründen weder auf Null reduziert noch sind die vorsorglich angestellten Ermessenserwägungen zu beanstanden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO .

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Verkündet am 23. Juni 2020