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BVerwG - Entscheidung vom 09.01.2020

8 PKH 8.19

Normen:
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 09.01.2020 - Aktenzeichen 8 PKH 8.19

DRsp Nr. 2020/2365

Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigte Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision

Zwar kann von einem nicht anwaltlich Vertretenen, der einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt, nicht verlangt werden, dass er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darlegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder den Verfahrensmangel in der Weise bezeichnet, wie dies für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde selbst nach § 133 Abs. 3 S. 3 VwGO erforderlich wäre. Erforderlich ist aber, dass sich aus der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags das Vorliegen eines Zulassungsgrundes in groben Zügen erkennen lässt.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 28. August 2019 wird abgelehnt.

Normenkette:

VwGO § 166 Abs. 1 S. 1; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1;

[Gründe]

Der Kläger wendet sich gegen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Seine Klage blieb in den Vorinstanzen überwiegend erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Abweisung der Klage unter dem Vorbehalt der Entscheidung über die vom Kläger hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung ergeht, und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Für die von ihm beabsichtigte Beschwerde hiergegen beantragt der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Der Antrag ist abzulehnen, weil die Beschwerde nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Dafür müsste ein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO gegeben sein. Dass diese Voraussetzung erfüllt ist, muss so weit dargelegt werden, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist. Zwar kann von dem nicht anwaltlich Vertretenen, der einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt, nicht verlangt werden, dass er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darlegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder den Verfahrensmangel in der Weise bezeichnet, wie dies für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde selbst nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich wäre. Erforderlich ist aber, dass sich aus der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags das Vorliegen eines Zulassungsgrundes in groben Zügen erkennen lässt (BVerwG, Beschluss vom 8. September 2008 - 3 PKH 3.08 - juris). Daran fehlt es hier. Dem Vorbringen des Klägers lassen sich keine in diesem Sinne zureichenden Anhaltspunkte für die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO entnehmen.

1. Die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr; BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt; der Prozesskostenhilfeantrag führt nicht auf eine Grundsatzfrage.

Dem Vorbringen des Klägers lassen sich keine Fragen von fallübergreifender Bedeutung entnehmen. Dies gilt zunächst für seinen Vortrag, das Oberverwaltungsgericht habe der Überschrift der Verfügung des Finanzamts vom 4. Februar 2011 ausschlaggebende Bedeutung für die Auslegung des Regelungsgehalts beimessen müssen. Damit zeigt der Kläger keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Vielmehr wendet er sich gegen die vorinstanzliche Anwendung der in der höchstrichterlichen, von ihm zitierten Rechtsprechung entwickelten Auslegungsmaßstäbe entsprechend §§ 133 , 157 BGB , nach denen der objektive Erklärungswert unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts des Adressaten durch Einbeziehung aller auslegungsrelevanten Merkmale - einschließlich der Überschrift, aber nicht allein auf deren Grundlage - zu bestimmen ist. Weiterer oder erneuter Klärungsbedarf ist dem Antragsvorbringen nicht zu entnehmen.

Aus den Ausführungen zur Zulässigkeit einer Pfändung einer Grundschuld zur Überweisung an Zahlungs statt kann sich ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben, weil die Annahme der Vorinstanz, die der Vollstreckung zugrundeliegende Forderung sei nicht durch Befriedigung entsprechend § 835 Abs. 2 ZPO erloschen, unabhängig von Erwägungen zur Zulässigkeit einer allfälligen Überweisung der Grundschuld bereits von der Annahme getragen wird, die Verfügung vom 4. Februar 2011 ordne nur deren wirksame Pfändung und nicht (auch) deren Überweisung an Zahlungs statt zum Nennwert an. Bezüglich dieser Annahme ist, wie eben dargelegt, keine aussichtsreiche Grundsatzrüge angekündigt und, wie im Folgenden unter 2. und 3. ausgeführt wird, auch kein sonstiger Revisionszulassungsgrund ersichtlich.

Aus dem Vorbringen zur Zulässigkeit einer Hilfsaufrechnung mit rechtswegfremden Gegenforderungen und zum Fehlen einer Rücknahmeverfügung ist keine grundsätzliche Bedeutung der Sache herzuleiten, weil die Vorinstanz in beiden Punkten der Auffassung des Klägers gefolgt und die von diesem erstrebte Klärung der Fragen in seinem Sinne daher nicht entscheidungserheblich ist.

2. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) sind ebenfalls nicht erkennbar. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz vorliegt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Eine derartige Abweichung abstrakter Rechtssätze ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nicht erkennbar. Die von ihm angeführten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs und des Bundesgerichtshofs sind nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht divergenzfähig. Soweit der Kläger die fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen beanstandet, die das Bundesverwaltungsgericht aufgestellt hat, begründet dies keine Divergenz. Ein abstrakter Rechtssatz der Vorinstanz, mit dem sie einem solchen Rechtssatz - etwa bezüglich der Auslegung von Willenserklärungen - widersprochen hätte, ist aus der Antragsbegründung nicht zu ersehen.

3. Schließlich lassen sich dem Vorbringen des Klägers auch keine Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) entnehmen.

a) Insbesondere hat das Berufungsgericht nicht das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ) verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, dass das Gericht ihr Vorbringen vollständig in seine Entscheidungsfindung einbezieht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen abhandeln muss. Vielmehr muss es auch in einem Urteil nur diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Gründe angeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Gründen nicht erwähnt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet zudem nur, dass das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird, nicht aber, dass das Gericht den Vorstellungen eines Beteiligten folgt (stRspr; vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2018 - 10 C 8.17 - BVerwGE 162, 244 Rn. 26 m.w.N.).

Gemessen daran liegt eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO nicht vor. Der Kläger beanstandet mit seinen darauf bezogenen Rügen der Sache nach ausschließlich, dass das Berufungsgericht seiner Würdigung des Sachverhalts und seiner Rechtsansicht nicht gefolgt ist, wozu es indessen nicht verpflichtet war. Dies gilt sowohl für das Vorbringen zum Erlöschen der titulierten Forderung als auch für den Vortrag zu den übrigen Einwendungen des Klägers, insbesondere zur Verwirkung des Rechts zur (weiteren) Vollstreckung und zur Aufrechnung mit den geltend gemachten Schadenersatzansprüchen aus § 281 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 und § 311 Abs. 2 BGB sowie aus culpa in contrahendo. Soweit er rügt, die Vorinstanz habe den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 2007 - V ZB 83/06 - und dessen Urteil vom 4. Februar 2011 - V ZR "321" [gemeint wohl: 132]/10 - nicht beachtet, ergibt sich weder aus seinem Vorbringen noch aus den beiden zitierten Entscheidungen, inwieweit sie die rechtliche Beurteilung der Vorinstanz zu seinen Gunsten hätten beeinflussen können.

Zureichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Überraschungsentscheidung sind ebenfalls nicht vorgetragen. Dies gilt auch und namentlich, soweit das angegriffene Urteil entscheidungstragend auf das Fehlen einer Überweisungsverfügung abstellt. Die Auslegung der Verfügung des Finanzamts vom 4. Februar 2011 war im gerichtlichen Verfahren Gegenstand intensiver Diskussion; unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen musste der in der Vorinstanz anwaltlich vertretene Kläger damit rechnen, dass das Oberverwaltungsgericht die eigene Rechtsauffassung aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung überprüfen und der Auffassung des Beklagten folgen könnte.

b) Die angekündigte Aufklärungsrüge und die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz verletzt, haben nach dem Antragsvorbringen ebenfalls keine zureichende Aussicht auf Erfolg. Aus dem Überzeugungsgrundsatz ergibt sich nicht, dass die Zulässigkeit einer Regelung vor deren Existenz zu prüfen wäre. Aus dem Klägervorbringen ist auch nicht zu ersehen, weshalb es sich dem Oberverwaltungsgericht hätte aufdrängen sollen, ohne förmliche Beweisanträge des im Berufungsverfahren anwaltlich vertretenen Klägers dessen Beweisanerbieten zu folgen. Die tatsächliche Annahme, der Beklagte habe die zunächst begonnenen und aussichtsreich erscheinenden Verhandlungen zu alternativen, für den Kläger schonenderen Vollstreckungsmöglichkeiten wegen der - auch vom Kläger eingeräumten - Defizite der von diesem vorbereiteten Abtretungserklärung abgebrochen, sind weder als Feststellung ins Blaue hinein zu werten noch aktenwidrig oder willkürlich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers, er sei bereit gewesen, die Abtretungserklärung nachzubessern. Die Feststellung der Vorinstanz, eine solche Nachbesserung sei bis zum Versteigerungstermin nicht vorgenommen worden, wird auch nach dem Antragsvorbringen nicht mit wirksamen Rügen angegriffen.

Der Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe willkürlich den Rechtsweg verkürzt und dem Kläger den gesetzlichen Richter vorenthalten, ist nach den obigen Ausführungen nicht nachzuvollziehen.

Vorinstanz: VG Saarland, - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 590/16
Vorinstanz: OVG Saarland, vom 28.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 1 A 816/17