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BVerwG - Entscheidung vom 06.11.2020

6 B 29.20

Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 7 Abs. 4
SchulG BE § 17 Abs. 1
SchulG BE § 17 Abs. 2
SchulG BE § 20 Abs. 1
SchulG BE § 101
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 7 Abs. 4
SchulG BE § 17 Abs. 1
SchulG BE § 17 Abs. 2
SchulG BE § 20 Abs. 1
SchulG BE § 101
GG Art. 7 Abs. 4
SchulG BE § 17 Abs. 1

Fundstellen:
DÖV 2021, 272
NVwZ-RR 2021, 207

BVerwG, Beschluss vom 06.11.2020 - Aktenzeichen 6 B 29.20

DRsp Nr. 2021/683

Anspruch des Träges einer Ersatzschule auf rückwirkende Gewährung der landesgesetzlich vorgesehenen Regelförderung für die Aufbauphase (Wartefrist) bei Nachweis der finanziellen und pädagogischen Leistungsfähigkeit in dieser Zeit

1. Aus Art. 7 Abs. 4 GG folgt kein Anspruch der Träger von Ersatzschulen auf rückwirkende Gewährung der landesgesetzlich vorgesehenen Regelförderung für die Aufbauphase (Wartefrist), wenn sie die finanzielle und pädagogische Leistungsfähigkeit in dieser Zeit nachgewiesen haben.2. Für die Beurteilung, ob sich landesgesetzliche Wartefristregelungen als mit Art. 7 Abs. 4 GG unvereinbare Sperre für die Errichtung neuer Ersatzschulen auswirken, ist die tatsächliche Entwicklung der Neugründungen von Bedeutung.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. November 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 010 853,89 € festgesetzt.

Normenkette:

GG Art. 7 Abs. 4 ; SchulG BE § 17 Abs. 1 ;

Gründe

I

Die klagende Stiftung will erreichen, dass das beklagte Land staatliche Zuschüsse, vorrangig in Höhe der landesgesetzlichen Regelförderung, für die von ihr betriebene Grundschule nachträglich für die ersten fünf Jahre nach der Aufnahme des Schulbetriebs (Wartefrist) gewährt.

Die Klägerin betreibt seit dem Schuljahr 2012/2013 in Berlin eine Grundschule und ein darauf aufbauendes Gymnasium. Beide Schulen sind als Ersatzschulen staatlich anerkannt. Derartige Schulen betreibt die Klägerin seit längerem an einem Standort in Baden-Württemberg. Seit dem Ablauf der landesgesetzlichen Wartefrist von fünf Jahren mit Ende des Schuljahres 2016/2017 erhält die Klägerin für die Grundschule in Berlin die landesgesetzlich vorgesehene Regelförderung von 93 % der Personalkosten staatlicher Grundschulen. Damit gelten auch Sachkosten und Kosten für Beschaffung und Betrieb der Schulräume als abgegolten. Das Landesrecht sieht weder eine staatliche Förderung privater Ersatzschulen während der Wartefrist noch Nachzahlungen nach deren Ablauf vor.

Die Klägerin hält diese Wartefristregelungen für verfassungswidrig, weil sie die durch Art. 7 Abs. 4 GG gewährleistete Errichtung privater Ersatzgrundschulen verhinderten. Nach Art. 7 Abs. 4 GG habe der Träger einer Ersatzschule einen Anspruch auf die vollständige Regelförderung für den Zeitraum der Wartefrist, wenn er den Schulbetrieb nach dem Ablauf dieser Frist fortsetze. Daher verfolgt die Klägerin mit der Klage vorrangig das Ziel, das beklagte Land zu verpflichten, ihr für den Zeitraum der Wartefrist, d.h. für die Schuljahre von 2012/2013 bis 2016/2017, die Regelförderung in Höhe von rund 2 010 850 € zu bewilligen und auszuzahlen. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts mit im Wesentlichen folgenden Erwägungen zurückgewiesen:

Das Grundrecht der Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 GG gewährleiste die Gründung und den Betrieb privater Ersatzschulen. Ersatzschulen beruhten auf der Initiative Privater, die Alternativen zum öffentlichen Schulwesen bereitstellen wollten. Art. 7 Abs. 4 GG verpflichte die Bundesländer, die Institution des Ersatzschulwesens in seiner Gesamtheit zu erhalten. Daher müssten sie durch die finanzielle Förderung sicherstellen, dass diese Institution nicht existenziell gefährdet werde. Jedoch habe keine neu gegründete Ersatzschule einen Anspruch auf Förderung von der Aufnahme des Schulbetriebs an. Landesgesetzliche Regelungen, nach denen die Förderung erst einsetze, wenn die Ersatzschule während der Aufbauphase eine mehrjährige Wartefrist überstanden habe, seien grundsätzlich mit Art. 7 Abs. 4 GG vereinbar. Mit der Wartefrist werde der legitime Zweck verfolgt festzustellen, ob sich die Ersatzschule aufgrund ihres pädagogischen Ansatzes und des finanziellen Engagements der Betreiber dauerhaft etablieren könne. Allerdings dürften die Wartefristregelungen nicht so gestaltet sein, dass sie sich faktisch als Sperre für die Errichtung neuer Ersatzschulen auswirke; deren Gründung müsse möglich bleiben. Dies sei aufgrund einer Gesamtschau zu beurteilen, in die neben der Dauer der Wartefrist insbesondere staatliche Leistungen einzubeziehen seien, die Kosten in der Aufbauphase ausgleichen sollten. Maßgebend seien die tatsächlichen Folgen der Wartefrist für die Gründung neuer Ersatzschulen und den Bestand des Ersatzschulwesens der jeweiligen Schulart.

Danach sei die fünfjährige Wartefrist des Berliner Schulgesetzes für Ersatzgrundschulen mit Art. 7 Abs. 4 GG vereinbar, auch wenn für diesen Zeitraum keine staatliche Unterstützung gewährt werde. Es gebe keine Anzeichen, dass sich die Fünfjahresfrist als Errichtungssperre auswirke. Es gebe in Berlin 61 Ersatzgrundschulen; im Jahr 2008 seien es 62 Schulen gewesen. Zwischen den Schuljahren 2008/2009 und 2017/2018 seien 29 Ersatzgrundschulen gegründet worden; davon seien vier Schulen gescheitert. Der Landesverband Deutscher Privatschulen Berlin/Brandenburg erhielte jährlich etwa 15 Gründungsanfragen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde erhebt die Klägerin Grundsatz-, Divergenz- und Verfahrensrügen.

II

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision kann keinen Erfolg haben. Aus dem Beschwerdevortrag der Klägerin ergibt sich nicht, dass ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO vorliegt. Aufgrund des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auf die Prüfung derjenigen Gesichtspunkte beschränkt, auf die der Zulassungsantrag gestützt wird.

1. Die Klägerin hat nicht gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, dass der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gegeben ist.

Der Erfolg einer Grundsatzrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer darlegt, dass eine Frage des revisiblen Rechts allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung hat und im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein genereller Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung beantwortet werden kann und der Beschwerdeführer keine neuen, bislang nicht behandelten Gesichtspunkte aufzeigt (BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.> und vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [ECLI: DE: BVerwG: 2015: 270115B6B43.14.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8; stRspr). Die Rüge, Landesrecht sei mit Bundesrecht, insbesondere mit Bundesverfassungsrecht, nicht vereinbar, kann nur rechtsgrundsätzlich bedeutsam sein, wenn der Beschwerdeführer darlegt, dass der Bedeutungsgehalt der revisiblen bundesrechtlichen Maßstabsnorm klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2020 - 6 BN 3.19 [ECLI: DE: BVerwG: 2020: 240720B6BN3.19.0] - juris Rn. 12).

a) Bei der Beurteilung der von der Klägerin aufgeworfenen bundesverfassungsrechtlichen Fragen hat der Senat die Bestimmungen des Berliner Schulgesetzes in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts zugrunde zu legen, weil es sich hierbei um irrevisibles Landesrecht handelt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 , § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO ; vgl. Urteil vom 14. Dezember 2016 - 6 C 19.15 [ECLI: DE: BVerwG: 2016: 141216U6C19.15.0] - BVerwGE 157, 46 Rn. 6).

Danach ist davon auszugehen, dass das Berliner Schulgesetz Trägern privater Ersatzgrundschulen, die noch keine andere derartige Schule in Berlin betreiben, nach der Aufnahme des Schulbetriebs eine Wartefrist von fünf Jahren auferlegt, in denen keine staatliche Förderung stattfindet. Dieser Zeitraum ergibt sich daraus, dass Grundschulen in Berlin sechs Jahrgangsstufen umfassen und die Förderung erst einsetzt, wenn der erste Schülerjahrgang die letzte Jahrgangsstufe erreicht hat (§ 101 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 , § 20 Abs. 1 Satz 4 SchulG ). Zwar kann die Schulaufsichtsbehörde nach Ablauf von drei Jahren nach Maßgabe des Haushalts Zuschüsse bis zu 75 % der Regelförderung gewähren (§ 101 Abs. 4 Satz 4 SchulG ). Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch festgestellt, dass derartige Zuschüsse im Landeshaushalt nicht ausgewiesen werden. Nach Ablauf der fünfjährigen Wartefrist setzt die Regelförderung ein, die sich auf 93 % der Personalkosten öffentlicher Grundschulen beläuft (§ 101 Abs. 1 und 2 Nr. 2 SchulG ). Einen finanziellen Ausgleich für das Unterbleiben jeglicher Förderung während der Wartefrist sieht das Schulgesetz nicht vor. Nur solche Träger, die sich bereits durch den Betrieb einer weiteren Ersatzschule derselben Schulart in Berlin bewährt haben, erhalten für eine neu gegründete weitere Ersatzschule während der Wartefrist die um 15 % gekürzte Regelförderung, wenn der Bestand dieser Schule gesichert erscheint (§ 101 Abs. 7 Satz 1 bis 3 SchulG ).

b) Dem Beschwerdevortrag der Klägerin lässt sich zusammenfassend entnehmen (Schriftsatz vom 23. Mai 2020, S. 32 bis 68), dass sie für rechtsgrundsätzlich bedeutsam hält,

ob das Grundrecht der Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 GG sowohl bei einer im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts langen als auch bei einer nicht langen Wartefrist einen vollständigen finanziellen Ausgleich in Höhe der landesgesetzlich vorgesehenen Regelförderung für Ersatzschulen für den Zeitraum der Wartefrist gebietet, wenn der Träger einer Ersatzschule den Schulbetrieb nach Ablauf der Wartefrist fortsetzt.

Die Klägerin zieht aus dem Zweck der Wartefrist, die Erfolgsaussichten einer neu errichteten Ersatzschule sowohl in pädagogischer als auch in finanzieller Hinsicht festzustellen, den Schluss, dass es sich bei der Wartefrist ausschließlich um eine Bewährungszeit handele. Setze der Träger den Schulbetrieb nach Ablauf der Wartefrist fort, habe er den Nachweis erbracht, dass er sowohl bereit und in der Lage sei, sich finanziell zu engagieren, als auch, dass seine Schule nach ihrem pädagogischen Konzept im Wettbewerb mit öffentlichen Schulen und anderen privaten Ersatzschulen derselben Schulart bestehen könne. Es gebe keinen Grund, der es rechtfertigen könne, einer Ersatzschule trotz des Nachweises der finanziellen und pädagogischen Leistungsfähigkeit die volle staatliche Förderung ab der Aufnahme des Schulbetriebs vorzuenthalten. Auch müsse der Staat den privaten Ersatzschulen diejenigen Aufwendungen zur Verfügung stellen, die er durch deren Tätigkeit einspare.

Nach der Auffassung der Klägerin gewährleistet Art. 7 Abs. 4 GG einen Anspruch des Schulträgers auf die landesgesetzlich vorgesehene Regelförderung ab der Aufnahme des Betriebs einer Ersatzschule. Danach wäre die Erfüllung dieses Anspruchs bis zum Ablauf der Wartefrist aufgeschoben. Das bis zum Fristablauf bestehende Auszahlungshindernis fiele weg, wenn der Schulbetrieb danach fortgesetzt wird. Danach verbliebe dem Landesgesetzgeber für die Finanzierung von Ersatzschulen für den Zeitraum der Wartefrist kein Gestaltungsspielraum. Er würde unmittelbar durch Art. 7 Abs. 4 GG verpflichtet, den privaten Schulträgern bei Fortführung des Schulbetriebs nach Fristablauf nachträglich für den Zeitraum der Wartefrist die Regelförderung in voller Höhe zu gewähren. Landesgesetze, die einen solchen Ausgleichsanspruch nicht enthalten, ausdrücklich ausschließen oder nur einen Teilausgleich vorsehen, wären wegen Verletzung des Art. 7 Abs. 4 GG verfassungswidrig.

Diese Rechtsauffassung lässt sich mit der nach § 31 Abs. 1 BVerfGG bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbaren. Danach werden die Landesgesetzgeber nicht durch Art. 7 Abs. 4 GG verpflichtet, die Regelförderung für Ersatzschulen bei Fortsetzung des Schulbetriebs nach Ablauf der Wartefrist nachträglich auf diesen Zeitraum zu erstrecken. Ein Bedarf an einer rechtsgrundsätzlichen Klärung besteht insoweit nicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die dem Berufungsurteil zugrunde liegt, nehmen Träger von Ersatzschulen eine grundrechtlich geschützte Freiheit wahr, die es ihnen ermöglicht, in Bezug auf Erziehungsziele, Lehrmethoden, Lehrinhalte und deren weltanschauliche Grundlage private Schulkonzepte als Alternative zum staatlichen Schulwesen zu verwirklichen. Die Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 GG ergänzt andere Grundrechte, etwa die Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG einschließlich des Selbstbestimmungsrechts der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und das elterliche Erziehungsrecht nach Art. 6 Abs. 1 GG . Die Privatschulfreiheit gewährleistet Selbstbestimmung und Eigeninitiative im Bereich des Schulwesens. Damit ist die Verantwortung für den Erfolg des privaten Schulprojekts verbunden. Hierzu gehört, dass Gründer und Betreiber bereit sind, sich ideell und finanziell zu engagieren. Sie müssen bereit und in der Lage sein, für den Erfolg ein finanzielles Risiko einzugehen (BVerfG, Beschlüsse vom 9. März 1994 - 1 BvR 682, 712/88 - BVerfGE 90, 107 <114 ff.> und vom 23. November 2004 - 1 BvL 6/99 [ECLI: DE: BVerfG: 2004: ls20041123.1bvl000699] - BVerfGE 112, 74 <83 f.>).

Art. 7 Abs. 4 GG gewährleistet, dass das Grundrecht der Privatschulfreiheit auch faktisch dauerhaft wahrgenommen werden kann. Die Bestimmung enthält eine Bestandsgarantie für die Institution des Ersatzschulwesens. Daher sind die für das Schulwesen zuständigen Bundesländer nach Art. 7 Abs. 4 GG verpflichtet, Fördermaßnahmen zu ergreifen, um dauerhaft Ersatzschulen zu erhalten. Die Landesgesetzgeber müssen Vorkehrungen treffen, um eine evidente Gefährdung der Institution zu vermeiden. Eine solche Gefährdungslage ist anzunehmen, wenn die Förderung des Ersatzschulwesens grob vernachlässigt oder Fördermaßnahmen ersatzlos abgebaut werden. Die Förderung hat sich an den Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG zu orientieren. Sie muss einen angemessenen Beitrag leisten, damit Ersatzschulen Schülern eine personelle und sächliche Ausstattung bieten können, die nicht hinter derjenigen der öffentlichen Schulen zurücksteht (BVerfG, Urteil vom 8. April 1987 - 1 BvL 8, 16/84 - BVerfGE 75, 40 <62 ff.>; Beschluss vom 9. März 1994 - 1 BvR 682, 712/88 - BVerfGE 90, 107 <114 ff.>; BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2011 - 6 C 18.10 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 138 Rn. 22; Beschlüsse vom 5. September 2012 - 6 B 24.12 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 139 Rn. 4 und vom 4. November 2016 - 6 B 27.16 [ECLI: DE: BVerwG: 2016: 041116B6B27.16.0] - Buchholz 421.10 Schulrecht Nr. 17 Rn. 7).

Der Bestand der einzelnen Ersatzschule wird jedoch durch Art. 7 Abs. 4 GG nicht geschützt. Dementsprechend hat die einzelne Schule keinen Anspruch auf eine staatliche Förderung, die ihren konkreten Verhältnissen Rechnung trägt. Art. 7 Abs. 4 GG räumt Schulträgern keinen Anspruch auf diejenige Förderung ein, die erforderlich ist, um die Existenz einer einzelnen Ersatzschule zu sichern oder eine neue Ersatzschule zu etablieren. Vielmehr können sie nur verlangen, dass der jeweilige Landesgesetzgeber bei der Ausgestaltung der Förderung diejenigen Grenzen und Bindungen beachtet, die seinem Gestaltungsspielraum durch die Bestandsgarantie des Art. 7 Abs. 4 GG gesetzt sind. Der Anspruch des Schulträgers für die einzelne Ersatzschule ist darauf beschränkt, dass ihm die landesgesetzlich vorgesehene, der Bestandsgarantie Rechnung tragende Förderung gewährt wird (BVerfG, Beschlüsse vom 9. März 1994 - 1 BvR 682, 712/88 - BVerfGE 90, 107 <117> und vom 23. November 2004 - 1 BvL 6/99 - BVerfGE 112, 74 <84>; BVerwG, Beschlüsse vom 5. September 2012 - 6 B 24.12 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 139 Rn. 4 und vom 4. November 2016 - 6 B 27.16 - Buchholz 421.10 Schulrecht Nr. 17 Rn. 8).

Gewährleistet die Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 GG private Eigeninitiative und Eigenverantwortung, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass privaten Schulträgern die Finanzierung neu gegründeter Ersatzschulen während der Aufbauphase auferlegt wird (BVerfG, Urteil vom 8. April 1987 - 1 BvL 8, 16/84 - BVerfGE 75, 40 <68>). Die Landesgesetzgeber dürfen die staatliche Förderung davon abhängig machen, dass der Träger einer neu gegründeten Ersatzschule die Bereitschaft und Fähigkeit zum finanziellen Engagement und die Attraktivität seines pädagogischen Konzepts in der Aufbauphase unter Beweis gestellt hat. Diesen Nachweisen dient die Wartefrist. Allerdings folgt aus der Bestandsgarantie des Art. 7 Abs. 4 GG , dass sich die Wartefrist nicht als Errichtungssperre für neue Ersatzschulen einer Schulart auswirken darf. Die erfolgversprechende Gründung neuer Ersatzschulen muss möglich bleiben (BVerfG, Beschlüsse vom 9. März 1994 - 1 BvR 682, 712/88 - BVerfGE 90, 107 <118 ff.> und vom 9. März 1994 - 1 BvR 1369/90 - BVerfGE 90, 128 <140 f.>).

Damit ist rechtsgrundsätzlich geklärt, dass Art. 7 Abs. 4 GG nicht verlangt, die landesgesetzlich vorgesehene Regelförderung, die der Sicherung des Fortbestands des privaten Ersatzschulwesens dient, nachträglich auf den Zeitraum der Wartefrist zu erstrecken, wenn die Ersatzschule diese Zeit erfolgreich überstanden hat. Vielmehr lässt es Art. 7 Abs. 4 GG zu, dem Träger einer neuen Ersatzschule während der Aufbauphase ein finanzielles Risiko abzuverlangen, das über das Risiko nach Einsetzen der Regelförderung erheblich hinausgeht. Dieses spezifische Risiko der Aufbaufinanzierung würde entgegen dem mit Art. 7 Abs. 4 GG vereinbarten Zweck der Wartefrist minimiert, wenn der Schulträger sicher damit rechnen kann, dass er nach Fristablauf die Regelförderung rückwirkend in voller Höhe erhält.

c) Auch die weitere dem Beschwerdevortrag zu entnehmende Frage der Klägerin (Schriftsatz vom 23. Mai 2020, S. 30 bis 44),

ob eine Wartefrist von fünf Jahren ohne staatliche Förderung während der Wartefrist und ohne nachträglichen finanziellen Ausgleich mit Art. 7 Abs. 4 GG vereinbar ist,

rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht, weil auch insoweit aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Klärungsbedarf im Hinblick auf den Bedeutungsgehalt des Art. 7 Abs. 4 GG besteht.

Nach dieser gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bindenden Rechtsprechung sind landesgesetzliche Wartefristen in der Aufbauphase einer neu gegründeten Ersatzschule vor Einsetzen der Regelförderung mit Art. 7 Abs. 4 GG vereinbar, wenn sich die Wartefrist nicht als eine Sperre für die Errichtung neuer Ersatzschulen einer Schulart auswirkt. Dies ist aufgrund einer Gesamtschau der landesgesetzlichen Regelungen zu bestimmen, in die neben der Dauer der Frist auch einzubeziehen ist, ob bereits während dieser Zeit oder nachträglich als Ausgleich staatliche Mittel gewährt werden, die für den Schulbetrieb während der Wartefrist bestimmt sind. Auch die Höhe der nach Fristablauf einsetzenden Regelförderung ist von Bedeutung. Auf dieser Grundlage hat das Bundesverfassungsgericht eine Wartefrist von zehn Jahren als außerordentlich lang und nur deshalb als mit Art. 7 Abs. 4 GG vereinbar angesehen, weil der Schulträger bereits während des Fristenlaufs und danach als Ausgleich Zuschüsse erhalten hat (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 1 BvR 682, 712/88 - BVerfGE 90, 107 <121 ff.>). Dagegen hat das Gericht eine Wartezeit von drei Jahren als verfassungskonform eingestuft (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 1 BvR 1369/90 - BVerfGE 90, 128 <140 f.>).

Danach lässt sich keine bestimmte Jahreszahl als feste Grenze bestimmen, bei deren Überschreiten eine Wartefrist ohne staatliche Förderung für diesen Zeitraum gegen Art. 7 Abs. 4 GG verstößt. Entscheidend ist, ob die Wartefrist nach ihrer Länge und dem "Gesamtpaket" der sie flankierenden Regelungen geeignet ist, die Bereitschaft des Schulträgers zu einem eigenen finanziellen Engagement, seine finanzielle Leistungsfähigkeit sowie den Erfolg seines pädagogischen Konzepts im Wettbewerb der öffentlichen und privaten Schulen nachzuweisen. Dabei kommt dem Umstand, dass der erste Schülerjahrgang die Schule überwiegend erfolgreich absolviert oder zumindest die letzte Jahrgangsstufe erreicht hat, besondere Aussagekraft für die Prognose über den dauerhaften Erfolg des pädagogischen Konzepts zu. Daraus folgt, dass die Länge der Wartefrist grundsätzlich daran ausgerichtet werden kann, wie dies bei der fünfjährigen Wartefrist für Ersatzgrundschulen in Berlin angesichts der sechsjährigen Grundschulpflicht der Fall ist (§ 101 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2, § 101 Abs. 7 Satz 1 SchulG ).

Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht für die Vereinbarkeit der landesgesetzlichen Förderregelungen mit Art. 7 Abs. 4 GG darauf abgestellt, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse, d.h. die Zahl der Ersatzschulen einer Schulart und die Zahl ihrer Schüler, entwickeln. Der Landesgesetzgeber muss diese Entwicklung im Auge behalten, um korrigierend eingreifen zu können, wenn eine evidente Gefährdung der Institution des Ersatzschulwesens zu besorgen ist (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 1 BvR 1369/90 - BVerfGE 90, 128 <140 f.>). Das Bundesverfassungsgericht hat eine derartige Gefährdung als Folge einer erheblichen Kürzung der Zuschüsse verneint, wenn die Zahl der Schüler, die die betroffenen Ersatzschulen besuchen, seitdem gestiegen ist (BVerfG, Beschluss vom 23. November 2004 - 1 BvL 6/99 - BVerfGE 112, 74 <85 f.>).

Übertragen auf die Gründung neuer Ersatzschulen bedeutet dies, dass die landesgesetzlichen Wartefristregelungen nicht zu einer Blockade für Neugründungen führen dürfen. Dies ist jedenfalls dann nicht zu besorgen, wenn über einen längeren, hinreichend aussagekräftigen Zeitraum neue Ersatzschulen in nennenswerter Zahl den Betrieb aufgenommen und nach Ablauf der Wartefrist fortgeführt haben. Dagegen kann eine Errichtungssperre nicht bereits dann angenommen werden, wenn die Zahl der erfolgreichen Neugründungen einer bestimmten Schulart stagniert, die Neugründungen nicht auf einem bestimmten Niveau verbleiben oder wenn nicht in jedem Schuljahr eine Neugründung zu verzeichnen ist. Wie dargelegt verpflichtet Art. 7 Abs. 4 GG die Landesgesetzgeber, für den Erhalt der Institution des Ersatzschulwesens Sorge zu tragen. Daraus folgt, dass sie die staatliche Förderung nicht so gestalten müssen, dass die Zahl der Ersatzschulen einer bestimmten Schulart kontinuierlich ansteigt oder auch nur auf einem bestimmten Niveau verbleibt. Für die Schulart Grundschule ist zu berücksichtigen, dass Ersatzgrundschulen, die keine Gemeinschafts-, Bekenntnis oder Weltanschauungsschulen sind, nach Art. 7 Abs. 5 GG nur zugelassen werden dürfen, wenn zusätzlich besondere Voraussetzungen, insbesondere die Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses, erfüllt sind. Dem liegt die Vorstellung des Verfassungsgebers zugrunde, dass Grundschulen grundsätzlich von Schülern aller Bevölkerungsgruppen gemeinsam besucht werden sollen (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1992 - 1 BvR 167/87 - BVerfGE 88, 40 <49 ff.>).

Auf der Grundlage dieses grundgesetzlichen Maßstabs hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass in Berlin weder eine faktische Errichtungssperre für neue Ersatzgrundschulen besteht noch eine solche Sperre in absehbarer Zeit zu erwarten ist: Nach seinen tatsächlichen Feststellungen, die die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat und die den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO binden, sind in Berlin seit dem Schuljahr 2008/2009, d.h. in den elf abgeschlossenen Schuljahren vor der mündlichen Berufungsverhandlung, 29 Ersatzgrundschulen gegründet worden; davon sind vier Schulen gescheitert. Da die von der Klägerin beanstandeten Wartefristregelungen im Jahr 2008 bereits in Kraft waren, tragen die festgestellten Zahlen die Einschätzung der Klägerin, wegen dieser Regelungen sei das private Grundschulwesen in Berlin "komplett zum Stillstand" oder "zum Erliegen" gekommen, offensichtlich nicht.

Das Vorbringen der Klägerin, in den Schuljahren von 2014/2015 bis 2017/2018 habe es nur fünf, in den Schuljahren 2018/2019 und 2019/2020 habe es keine Neugründung einer Ersatzgrundschule gegeben, ist nicht geeignet, eine Errichtungssperre zu belegen. Eine Neugründung pro Schuljahr über fünf Jahre hinweg lässt durchaus den Schluss zu, dass Neugründungen möglich sind. Hinzu kommt, dass in den Vorjahren eine erhebliche Anzahl von Neugründungen zu verzeichnen gewesen sind. Ein Zeitraum von zwei Jahren ohne Neugründung ist deutlich zu kurz bemessen, um eine Errichtungssperre belegen zu können. Auch insoweit darf die erhebliche Zahl von Neugründungen von 2008 bis 2018 nicht ausgeblendet werden.

Im Übrigen deutet nichts darauf hin, dass die Institution der privaten Ersatzgrundschule in Berlin gefährdet ist. Denn die Zahl dieser Schulen ist nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts seit 2008 annähernd unverändert geblieben (62 statt 61). Wie dargelegt verpflichtet Art. 7 Abs. 4 GG die Landesgesetzgeber nicht, darauf hinzuwirken, dass die Anzahl privater Ersatzschulen beständig zunimmt.

d) Die Frage,

ob es mit Art. 7 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist, die nach Ablauf der Wartefrist einsetzende Regelförderung zugleich als nachträglichen Ausgleich für die Kosten des Schulbetriebs während der Wartefrist anzusehen,

hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO , weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde. Wie dargelegt (s.o. Rn. 22 ff.), ist die Vereinbarkeit einer Wartefrist mit Art. 7 Abs. 4 GG danach zu beurteilen, ob sie sich aufgrund einer Gesamtschau aller relevanten Umstände als faktische Errichtungssperre auswirkt. Die Höhe der nach Fristablauf einsetzenden Regelförderung ist als abwägungsrelevanter Faktor in die Gesamtschau einzustellen. Sie kann geeignet sein, die Härten der fünfjährigen Wartefrist ohne finanziellen Ausgleich zu mildern (BVerfG, Beschlüsse vom 9. März 1994 - 1 BvR 682, 712/88 - BVerfGE 90, 107 <121 ff.> und vom 9. März 1994 - 1 BvR 1369/90 - BVerfGE 90, 128 <140 f.>).

Davon ist das Oberverwaltungsgericht ersichtlich ausgegangen. Es hat nicht angenommen, die Regelförderung enthalte auch einen eigenständigen Anteil als nachträglichen Ausgleich für die fehlende Förderung während der Wartefrist. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht die landesgesetzlich vorgesehene Regelförderung in Höhe von 93 % der Personalkosten öffentlicher Grundschulen als Indiz für die Verfassungsmäßigkeit der Wartefrist benannt, weil sie aufgrund ihrer Höhe die während der Wartefrist angefallenen Kosten "abfedere". Mit ihrer abweichenden Würdigung des Zwecks und der Höhe der Regelförderung wirft die Klägerin keine im Hinblick auf Art. 7 Abs. 4 GG grundsätzlich bedeutsame bundesverfassungsrechtliche Frage auf.

e) Die Frage,

ob Art. 7 Abs. 4 GG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Ausnahme von der Wartefrist erfordert, wenn der Schulträger eine finanzielle Sicherheitsleistung für die voraussichtlichen Kosten des Schulbetriebs während der Wartefrist erbringt,

ist nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam, weil sie auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ohne weiteres zu verneinen ist. Danach sollen private Schulträger während der Wartefrist zwar ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum finanziellen Engagement für ihr Schulprojekt unter Beweis stellen. Wie oben dargestellt (s.o. Rn. 19), dient die Wartefrist aber darüber hinaus dem Zweck festzustellen, ob sich eine neu gegründete Ersatzschule aufgrund des pädagogischen Konzepts ihres Trägers im Wettbewerb mit den öffentlichen Schulen und anderen Ersatzschulen der jeweiligen Schulart durchsetzt. Die Notwendigkeit dieser Bewährung besteht unabhängig von einer Sicherheitsleistung. Die Berufung der Klägerin auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führt zu keinem anderen Ergebnis, da nach der gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Wartefrist nur die staatliche Förderpflicht konkretisiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 1 BvR 682, 712/88 - BVerfGE 90, 107 <121>).

f) Die Frage,

ob Träger, die bereits eine geförderte Ersatzschule derselben Schulart in einem anderen Bundesland betreiben, gegenüber Trägern einer solchen Schule in Berlin gleichheitswidrig benachteiligt werden, weil nur diese während der Wartefrist die abgesenkte Regelförderung erhalten können,

ist nicht geeignet, die rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen, weil die Frage nicht den Bedeutungsgehalt der bundesverfassungsrechtlichen Maßstabsnormen der Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 4 GG betrifft. Dessen ungeachtet hat der Berliner Landesgesetzgeber durch die Besserstellung von Schulträgern Berliner Ersatzschulen nach § 101 Abs. 7 Satz 1 bis 3 SchulG die durch Art. 3 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen seines Gestaltungsspielraums für die Förderung von Ersatzschulen nicht überschritten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gebot der Gleichbehandlung die Träger öffentlicher Gewalt nur in ihrem Zuständigkeitsbereich bindet. Der allgemeine Gleichheitssatz verpflichtet die Landesgesetzgeber nicht, die Regelungen landesrechtlicher Sachmaterien oder Themenbereiche untereinander abzustimmen oder bei der Rechtsetzung die Regelungen anderer Bundesländer in den Blick zu nehmen (stRspr, BVerfG, Beschlüsse vom 18. Juli 1979 - 2 BvR 488/76 - BVerfGE 52, 42 <57 f.>, vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88 u.a. - BVerfGE 93, 319 <351> und vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 [ECLI: DE: BVerfG: 2002: rs20021107.2bvr105398] - BVerfGE 106, 225 <241>). Aufgrund dessen muss der Berliner Landesgesetzgeber die Gewährung der abgesenkten Regelförderung während der Wartefrist schon deshalb nicht an den Betrieb einer geförderten Ersatzschule außerhalb Berlins knüpfen, weil auswärtige Ersatzschulen nicht der Berliner Schulaufsicht unterliegen. Die Berliner Schulverwaltung kann sich kein eigenes Bild von solchen Ersatzschulen machen, dass sie in die Lage versetzt, über die weiteren Voraussetzungen der Förderung während der Wartefrist nach § 101 Abs. 7 Satz 1 SchulG aufgrund eigener Erkenntnisse zu entscheiden. Schließlich ist ein Vergleich auswärtiger Ersatzgrundschulen mit Berliner Ersatzgrundschulen nicht möglich, weil diese Schulart nur in Berlin mit sechs Jahrgangsstufen ausgestattet ist.

g) Auch die Frage,

ob Träger von Ersatzgrundschulen gegenüber Trägern privater Gymnasien gleichheitswidrig benachteiligt werden, weil sich die Wartefrist für Gymnasien nach dem Berliner Schulgesetz auf drei Jahre beläuft,

ist nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam, weil sie sich nicht auf den Bedeutungsgehalt der Maßstabsnormen der Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 4 GG bezieht. Dessen ungeachtet weisen die Schularten Grundschule und Gymnasium Unterschiede von einem Gewicht auf, das die unterschiedliche Länge der Wartefrist nach § 101 Abs. 4 Satz 1 und 3, § 17 Abs. 1 , § 20 Abs. 1 Satz 4, § 26 Abs. 1 SchulG in Anbetracht des Gestaltungsspielraums des Landesgesetzgebers rechtfertigt. Insbesondere ist der Aufwand für den Betrieb eines Gymnasiums höher. Dies folgt aus den höheren Personalkosten aufgrund der generell besseren Bezahlung der Lehrkräfte und dem finanziellen Aufwand für den gymnasialen Fachunterricht. Hinzu kommt, dass private Gymnasien auch ab der Jahrgangsstufe 5 betrieben werden können, was bei einer einheitlichen Wartefrist eine Länge von acht Jahren bedeuten würde (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Mai 2013 - 3 B 35.13 [ECLI: DE: OVGBEBB: 2013: 0524.OVG3B35.13.0A] - juris Rn. 42).

2. Die Klägerin hat nicht nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, dass das Berufungsurteil auf einer Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverfassungs- oder Bundesverwaltungsgerichts im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO beruht.

Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn die Vorinstanz einen ihr Urteil tragenden Rechtssatz aufgestellt hat, der in Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverfassungs- oder Bundesverwaltungsgericht in einer vom Beschwerdeführer benannten Entscheidung aufgestellt haben. Zwischen beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Inhalt derselben Vorschrift oder desselben Rechtsgrundsatzes bestehen. Dementsprechend liegt keine Divergenz vor, wenn die Vorinstanz einen Rechtssatz rechtsfehlerhaft angewandt oder daraus nicht die gebotenen Schlussfolgerungen für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung gezogen hat. Der Beschwerdeführer muss die Entscheidung des Bundesverfassungs- oder Bundesverwaltungsgerichts, aus der sich die Divergenz ergeben soll, bezeichnen, den darin aufgestellten Rechtssatz benennen und die entscheidungstragende Abweichung der Vorinstanz aufzeigen (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 23. Januar 2018 - 6 B 67.17 [ECLI: DE: BVerwG: 2018: 230118B6B67.17.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 431 Rn. 14).

Die Klägerin macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe sich durch die das Berufungsurteil tragenden Rechtssätze in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gesetzt,

- der Landesgesetzgeber dürfe die staatliche Finanzierung privater Ersatzschulen für den Zeitraum der Wartefrist in das Ermessen der Schulverwaltung und unter Haushaltsvorbehalt stellen

- die nach Ablauf der Wartefrist einsetzende Regelförderung enthalte einen Anteil als Ausgleich für die Kosten des Schulbetriebs während der Wartefrist.

Dieses Vorbringen kann eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO schon deshalb nicht begründen, weil das Berufungsurteil nicht auf Rechtssätzen dieses Inhalts beruht. Zum einen hat das Oberverwaltungsgericht die Wartefristregelungen des Berliner Schulgesetzes für Ersatzgrundschulen aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände, insbesondere aufgrund der tatsächlichen Entwicklung des Ersatzgrundschulwesens seit dem Schuljahr 2008/2009, als mit Art. 7 Abs. 4 GG vereinbar angesehen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass Ersatzgrundschulen weder während der Wartefrist gefördert noch nach deren Ablauf einen finanziellen Ausgleich für diesen Zeitraum erhalten. Danach hat sich dem Oberverwaltungsgericht die Frage nach der Erfüllung der Förderpflicht durch Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, nicht gestellt. Das Berliner Schulgesetz sieht Zuschüsse, deren Gewährung ohne Haushaltsvorbehalt im behördlichen Ermessen steht, nicht vor. Der unter Haushaltsvorbehalt stehenden Förderung kommt in der Praxis keine Bedeutung zu, weil der Berliner Haushaltsgesetzgeber hierfür keine Mittel ausweist.

Zum anderen hat das Oberverwaltungsgericht nicht angenommen, die nach Ablauf der Wartefrist einsetzende Regelförderung enthalte einen eigenständigen Anteil als nachträglichen Ausgleich für die Kosten des Ersatzschulbetriebs während der Wartefrist (s.o. Rn. 30). Vielmehr hat es die Höhe der Regelförderung im Rahmen der Gesamtschau als Faktor in die Beurteilung der Vereinbarkeit der landesgesetzlichen Wartefristregelungen mit Art. 7 Abs. 4 GG eingestellt.

3. Die Klägerin hat keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dargelegt. Das Berufungsurteil beruht weder auf einem Verstoß des Oberverwaltungsgerichts gegen den Überzeugungsgrundsatz, noch gegen die Aufklärungspflicht oder gegen die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren.

Zur Begründung der Verfahrensrügen trägt die Klägerin jeweils vor, das Oberverwaltungsgericht habe die Auskunft des Landesverbands Deutscher Privatschulen Berlin/Brandenburg vom 11. Juni 2019 unvollständig verwertet. Das Gericht habe nicht in Erwägung gezogen, dass keine der 15 Anfragen zur Gründung neuer Privatschulen weiterverfolgt worden sei. Aus diesem Grund seien die Anfragen ungeeignet, um daraus Rückschlüsse auf die Entwicklung des Ersatzgrundschulwesens zu ziehen. Auch habe das Oberverwaltungsgericht bei seiner rechtlichen Würdigung, ob die Wartefristregelungen zu einer Errichtungssperre für neue Ersatzgrundschulen führten, außer Acht gelassen, dass in den Schuljahren 2014/2015 bis 2017/2018 nur fünf Schulen, in den Schuljahren 2018/2019 und 2019/2020 keine weitere Schule errichtet worden seien.

a) Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt die Verpflichtung, den festgestellten Sachverhalt der rechtlichen Würdigung vollständig und richtig zugrunde zu legen. Insbesondere darf das Gericht nicht solche von ihm festgestellten Tatsachen und Beweisergebnisse unberücksichtigt lassen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm aufdrängen muss. Übergeht es eine derartige Feststellung, fehlt es an einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage für die Überzeugungsbildung, auch wenn diese als solche nicht zu beanstanden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339> und vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.>; Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27).

Das Oberverwaltungsgericht hat seine rechtliche Würdigung, die fünfjährige Wartefrist ohne finanziellen Ausgleich habe nicht zu einer Errichtungssperre für Ersatzgrundschulen geführt, entscheidungstragend auf die festgestellte Anzahl der erfolgreichen Neugründungen in dem Zeitraum der elf Schuljahre von 2008 bis 2019 gestützt. Nach seiner Rechtsauffassung belegt die Zahl von 25 erfolgreichen Neugründungen in diesem Zeitraum, dass die Errichtung von Ersatzgrundschulen ungeachtet der fünfjährigen Wartefrist ohne finanziellen Ausgleich möglich bleibt. Demgegenüber dient sein Hinweis auf die Gründungsanfragen ersichtlich dazu, diese rechtliche Würdigung zu unterstreichen. Bei verständiger Betrachtung der Gründe des Berufungsurteils liegt die Annahme fern, das Oberverwaltungsgericht habe unverbindlichen Gründungsanfragen eine entscheidungserhebliche Bedeutung für die Frage der Errichtungssperre beigemessen.

Danach hat das Oberverwaltungsgericht auch nicht deshalb gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, weil es seine rechtliche Würdigung zur Frage der Errichtungssperre auf Erwägungen gestützt hat, die objektiv willkürlich oder mit den Denkgesetzen oder einem allgemeinen Erfahrungssatz unvereinbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2012 - 5 C 2.11 - BVerwGE 143, 119 Rn. 18; Beschluss vom 28. Juli 2020 - 6 B 61.19 [ECLI: DE: BVerwG: 2020: 280720B6B61.19.0] - juris Rn. 23).

b) Die Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO verlangt, dass das Tatsachengericht diejenigen Maßnahmen zur Erforschung des rechtlich zu beurteilenden Sachverhalts ergreift, die sich aufdrängen. Dies ist der Fall, wenn das Gericht auch ohne Beweisantrag Anlass zu weiteren Ermittlungen sehen muss. Hierfür muss nach Lage der Dinge deutlich erkennbar sein, dass die bisherigen tatsächlichen Feststellungen eine Entscheidung nicht sicher tragen. Hinzukommen muss, dass auf der Hand liegt, welche zumutbare Aufklärungsmaßnahme zur Feststellung einer konkreten Beweistatsache in Betracht kommt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 28.10 - BVerwGE 140, 199 Rn. 24 f.). Ob diese Voraussetzungen für weitere Nachforschungen vorliegen, ist auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Tatsachengerichts zu beurteilen. Das Gericht ist nicht gehalten, Ermittlungen anzustellen, die aus seiner Sicht unnötig, weil ohne jede Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 6 C 19.15 - BVerwGE 157, 46 Rn. 5).

Danach liegt der von der Klägerin behauptete Aufklärungsmangel nicht vor. Die Klägerin argumentiert nicht auf der Grundlage des insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkts des Oberverwaltungsgerichts, sondern auf der Grundlage der von ihr für richtig gehaltenen materiell-rechtlichen Betrachtungsweise. Das Oberverwaltungsgericht hat für die rechtliche Beurteilung, ob aufgrund der landesgesetzlichen Wartefristregelungen in Berlin eine Sperre für die Errichtung neuer Ersatzgrundschulen eingetreten ist oder droht, einen Zeitraum von elf Schuljahren (2008/2009 bis 2018/2019) zugrunde gelegt. Nach seiner das Berufungsurteil tragenden Rechtsauffassung ist dies nicht der Fall, weil innerhalb dieses Zeitraums eine beträchtliche Anzahl von erfolgreichen Neugründungen zu verzeichnen gewesen ist. Auf der Grundlage des von ihm für maßgebend erachteten Beurteilungszeitraums von rund zehn Jahren hat für das Oberverwaltungsgericht kein Anlass bestanden, auf die Zahl der Neugründungen in den letzten fünf oder gar nur zwei Jahren abzustellen. Diese erheblich kürzeren Zeiträume sind nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts für die Beantwortung der Rechtsfrage, ob die Anzahl der Neugründungen den Schluss auf eine Errichtungssperre rechtfertigt, nicht maßstabsbildend. Dies gilt erst recht für die Anzahl der Gründungsanfragen und deren Realisierung.

Demgegenüber legt die Klägerin ihrer Aufklärungsrüge eine abweichende Rechtsauffassung zugrunde. Zum einen geht sie für ihre rechtliche Würdigung, ob eine Errichtungssperre vorliegt oder droht, von erheblich kürzeren Zeiträumen als das Oberverwaltungsgericht aus. Zum anderen stellt sie an das Vorliegen einer Errichtungssperre erheblich geringere Anforderungen. Sie nimmt eine Errichtungssperre bereits dann an, wenn die Zahl der Neugründungen seit einigen Jahren stagniert und in einem Zeitraum von zwei Schuljahren keine neue Ersatzgrundschule den Schulbetrieb aufgenommen hat. Abgesehen davon, dass sie damit die staatliche Förderpflicht zur Erhaltung der Institution des Ersatzgrundschulwesens überspannt (vgl. Rn. 22 ff.), ist diese Rechtsauffassung für die Beurteilung eines Aufklärungsdefizits unerheblich.

c) Das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, zu dem gesamten Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Das Gericht muss den Vortrag der Beteiligten vollständig und richtig zur Kenntnis nehmen und in seine Entscheidungsfindung einbeziehen. Der Gehörsanspruch verlangt jedoch nicht, dass das Gericht den gesamten Vortrag der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung wiedergibt und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung nimmt. Vielmehr muss es nur diejenigen Gründe angeben, auf die es nach seinem materiell-rechtlichen Standpunkt entscheidungserheblich ankommt. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht auf einzelne Aspekte des Beteiligtenvortrags nicht eingegangen ist, nur dann geschlossen werden, es habe diese Aspekte übergangen, wenn deren Würdigung nach dem materiell-rechtlichen Ansatz des Gerichts von zentraler Bedeutung ist (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <209>; Beschluss vom 31. August 2017 - 6 C 12.17 [ECLI: DE: BVerwG: 2017: 310817B6C12.17.0] - juris Rn. 2).

Danach hat das Oberverwaltungsgericht auf die von der Klägerin in den Mittelpunkt gestellten Gründungszahlen seit dem Schuljahr 2014/2015 nicht eingehen müssen, weil es diesem Aspekt nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hat. Wie soeben dargelegt (s.o. Rn. 45) hat das Oberverwaltungsgericht seiner rechtlichen Würdigung einen erheblich längeren Beurteilungszeitraum von rund zehn Jahren und wesentlich höhere Anforderungen an eine Errichtungssperre zugrunde gelegt, als die Klägerin dies für richtig hält. Davon ausgehend haben die Erwägungen der Klägerin aus der maßgebenden Sicht des Oberverwaltungsgerichts keinen zentralen Aspekt der Entscheidungsfindung dargestellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG .

Vorinstanz: VG Berlin, vom 18.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3 K 198.17
Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 18.11.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3 B 18.19
Fundstellen
DÖV 2021, 272
NVwZ-RR 2021, 207