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BVerwG - Entscheidung vom 02.01.2020

20 F 5.19

Normen:
VwGO § 99 Abs. 2 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 02.01.2020 - Aktenzeichen 20 F 5.19

DRsp Nr. 2020/2549

Anspruch auf Auskunft über die beim Niedersächsischen Landeskriminalamt zur eigenen Person gespeicherten Daten; Anspruch auf einen ungeschwärzten Aktenauszug

Nachrichtendienstliche Belange können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzbehörde die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt vorzulegen.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Normenkette:

VwGO § 99 Abs. 2 S. 1;

Gründe

I

Im Hauptsacheverfahren begehrt der Kläger Auskunft über die beim Niedersächsischen Landeskriminalamt zu seiner Person gespeicherten Daten.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Daraufhin legte der Beklagte den Ausdruck eines Teils der bei ihm gespeicherten Daten vor und machte geltend, personenbezogene Daten Dritter seien zum Schutz von deren Rechten geschwärzt. Geschwärzt seien auch Daten, die nicht in seiner datenschutzrechtlichen Verantwortung stünden oder Rückschlüsse auf verweigerte Informationen zuließen. Auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts wurde eine Sperrerklärung des Beigeladenen vom 12. Dezember 2018 vorgelegt. Daraufhin beantragte der Kläger sinngemäß, deren Rechtswidrigkeit festzustellen. Mit Beschluss vom 28. Dezember 2018 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren dem Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zur Durchführung eines Zwischenverfahrens vorgelegt. Der Beklagte habe nur einen teilweise geschwärzten Aktenauszug und wegen der Schwärzungen und Teilentnahmen eine Sperrerklärung des Beigeladenen vorgelegt. Die Berechtigung der Schwärzungen könne vom erkennenden Gericht nur in Kenntnis des Akteninhalts überprüft werden.

Der Beigeladene hat dem Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts den Verwaltungsvorgang des Beklagten vollständig und ungeschwärzt vorgelegt und mit Schriftsatz vom 23. April 2019 die Sperrerklärung teilweise zurückgenommen und im Übrigen ergänzend erläutert.

Mit Beschluss vom 6. Juni 2019 hat der Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts den Antrag teilweise verworfen und festgestellt, dass die Sperrerklärung rechtswidrig ist, soweit sie sich auf einen im Einzelnen bezeichneten Teil der Unterlagen bezieht. Im Übrigen sei die Sperrerklärung rechtmäßig. Der Antrag sei unzulässig, soweit er sich auf Namen verfahrensfremder Personen und die Speicherung anderer Behörden als des Beklagten in den Dateien COGNOS, POLAS und der Verbunddatei INPOL beziehe. Denn insoweit sei die Entscheidungserheblichkeit durch das Verwaltungsgericht nicht ausreichend dargelegt. Der im Übrigen zulässige Antrag sei hinsichtlich einzelner, konkret bezeichneter Seiten der Beiakte begründet. Nicht gerechtfertigt seien Schwärzungen von an anderer Stelle der Akte offengelegten Inhalten. Dies betreffe den Domänenteil verschiedener E-Mail-Adressen, eine Grußzeile und den vollständig geschwärzten Inhalt einer E-Mail. Im Übrigen lägen die in der Sperrerklärung geltend gemachten Geheimhaltungsgründe vor. Die Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil der Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts den Antrag des Klägers zutreffend zum Teil als unzulässig verworfen und zum Teil als unbegründet zurückgewiesen hat.

1. a) Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrages nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die ordnungsgemäße Bejahung der Entscheidungserheblichkeit der gesperrten Unterlagen für das Ausgangsverfahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 20 F 2.15 - NVwZ 2016, 467 Rn. 3). Über die Frage, ob Unterlagen der Vorlagepflicht des § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegen, hat nach der Aufgabenverteilung zwischen dem Fachsenat und dem Gericht der Hauptsache letzteres zu befinden (BVerwG, Beschlüsse vom 24. November 2003 - 20 F 13.03 - BVerwGE 119, 229 <230> und von 9. Februar 2016 - 20 F 11.15 - ZD 2016, 239 Rn. 6). Hat das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit ordnungsgemäß - in der Regel im Wege eines Beweisbeschlusses oder einer vergleichbaren förmlichen Äußerung - bejaht, ist der Fachsenat hieran grundsätzlich gebunden. Nur in Ausnahmefällen entfällt diese Bindungswirkung und damit zugleich auch eine Zulässigkeitsvoraussetzung für den Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 20 F 2.15 - NVwZ 2016, 467 Rn. 3 ff. m.w.N.). Eine andere Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit durch den Fachsenat kommt etwa in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist. Die Bindungswirkung entfällt auch dann, wenn das Gericht der Hauptsache seiner Verpflichtung nicht genügt, die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts zu erschöpfen, um auf dieser Grundlage über die Erforderlichkeit der ungeschwärzten Aktenvorlage zu entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 20 F 2.15 - NVwZ 2016, 467 Rn. 4 m.w.N.). Gegebenenfalls ist auch zu prüfen, ob und in welchem Umfang es der genauen Kenntnis des Inhalts der geschwärzten Teile der Dokumente bedarf (BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 2016 - 20 F 2.15 - NVwZ 2016, 467 Rn. 6 und vom 28. Juni 2017 - 20 F 12.16 - juris Rn. 5).

b) Hiernach hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts die Zulässigkeit des Antrages mangels ausreichender Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit durch das Gericht der Hauptsache rechtsfehlerfrei verneint, soweit auf den Seiten 7 und 8 der Beiakte 1 zum Zwischenverfahren 14 PS 1/19 Namen verfahrensfremder Personen sowie auf den Seiten 12 bis 18 der Beiakte 1 Speicherungen nicht-niedersächsischer Behörden in Rede stehen. Die Vorinstanz geht zutreffend davon aus, dass die ordnungsgemäße Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit durch das Gericht der Hauptsache in diesem Fall zusätzlicher Darlegungen bedarf, die hier nicht erfolgt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2019 - 20 F 8.17 - juris Rn. 11 und 13).

2. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat auf den im Übrigen zulässigen Antrag des Klägers nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO das Vorliegen der mit der Sperrerklärung vom 12. Dezember 2018 in der Fassung vom 23. April 2019 differenziert für die einzelnen Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung der zutreffenden rechtlichen Maßstäbe geprüft.

a) Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde (BVerwG, Beschlüsse vom 21. August 2012 - 20 F 5.12 - juris Rn. 4, vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 18 f. und vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl eines Landes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 4. März 2010 - 20 F 3.09 - juris Rn. 6 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen (BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2009 - 20 F 11.08 - juris Rn. 9 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Nachrichtendienstliche Belange in diesem Sinne können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzbehörde die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt vorzulegen.

Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO . Bei solchen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundgesetzlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7).

b) Nach Durchsicht der dem Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts im Original vorliegenden Unterlagen ist der Beigeladene zu Recht davon ausgegangen, dass die Teilschwärzungen auf den Seiten 6 bis 9 der Beiakte 1, die Vollschwärzungen der Seiten 19 und 20 der Beiakte 1 sowie die Teilschwärzungen der Seiten 21 und 22 der Beiakte 1 von den in der Sperrerklärung herangezogenen Geheimhaltungsgründen gedeckt sind, soweit nicht bereits der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung festgestellt hat. Daher ist die Sperrerklärung nicht weitergehend als im Tenor des angegriffenen Beschlusses bereits festgestellt, rechtswidrig. Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 Satz 14 i.V.m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

3. Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht zu beanstanden. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zutreffend ausgeführt, dass der Beigeladene das ihm zustehende Ermessen erkannt und die Interessen des Landes an der Geheimhaltung gegen die privaten und öffentlichen Interessen an effektivem Rechtsschutz und umfassender Sachverhaltsaufklärung abgewogen hat. Insbesondere weist er mit Recht darauf hin, dass der Beigeladene eine Offenlegung der Informationen für jedes Aktenstück gesondert geprüft und sich auch noch im Verfahren für eine teilweise Offenlegung weiterer Teilinformationen entschieden hat. Hiernach sind Ermessensfehler nicht feststellbar.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO .

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 06.06.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 14 PS 1/19