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BVerwG - Entscheidung vom 04.02.2020

20 F 2.18

Normen:
VwGO § 99 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 und Alt. 3

BVerwG, Beschluss vom 04.02.2020 - Aktenzeichen 20 F 2.18

DRsp Nr. 2020/4004

Anspruch auf Auskunft über die bei der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde zu einer Person gespeicherten Daten; Sperrerklärung wegen Nachteils für das Wohl des Landes; Personenbezogene Daten sind grundsätzlich geheimhaltungsbedürftig

Hat jedoch eine Sicherheitsbehörde eines anderen Landes im Einzelfall Bedenken gegen die Mitteilung eines Auskunftsersuchens oder Informationsaustausches erhoben, können berechtigte nachrichtendienstliche Belange einer Offenlegung dieser Kommunikation entgegenstehen.

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. März 2018 aufgehoben, soweit die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung des Beklagten vom 18. September 2017 bezüglich der Blätter 104, 106, 116 und 118 der Sachakte festgestellt wird.

Die Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

VwGO § 99 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 und Alt. 3;

Gründe

I

Der Kläger begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Klageverfahren Auskunft über die bei der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde zu seiner Person gespeicherten Daten.

1. Nachdem das Verwaltungsgericht den Beklagten unter dem 27. Juni 2017 aufgefordert hatte, die vollständigen Originalunterlagen vorzulegen, legte er unter dem 18. September 2017 einen teilweise geschwärzten Aktenauszug vor und gab für den übrigen Teil eine Sperrerklärung ab. Weiteren Offenlegungen stünden nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO Geheimhaltungsgründe entgegen.

Auf Antrag des Klägers legte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Oktober 2017 dem Oberverwaltungsgericht die Sache vor. Im Wesentlichen führte es aus, dass es auf die angeforderten Akten ankomme. Der Beklagte habe seine Sperrerklärung damit begründet, dass die nicht vorgelegten bzw. geschwärzten Unterlagen ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig seien. Damit habe der Beklagte Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 VwGO geltend gemacht.

2. Mit Beschluss vom 13. März 2018 stellte das Oberverwaltungsgericht die teilweise Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung fest.

Hinsichtlich der Sachakte gelte: Die Vorlage von Blatt 97 bis 101, 103, 104, 106, 107, 109 bis 111, 113, 115, 116 und 118 bis 122 vollständig zu verweigern, sei rechtswidrig, weil der Beklagte insoweit Teilschwärzungen habe ins Auge fassen müssen. Ein Geheimhaltungsgrund von Blatt 134 sei angesichts der unter dem 9. Juni 2017 offengelegten Angaben nicht ersichtlich; hier würden Teilschwärzungen ausreichen. Dasselbe gelte grundsätzlich auch für Blatt 189. Im Umfang der Offenlegung in dem Auskunftsschreiben bestehe auch für den Betreff auf Blatt 253, 257, 265 und 269 kein Gemeinhaltungsgrund. Hinsichtlich des Blattes 375 bestehe angesichts des offengelegten Teils des Blattes 378 ebenfalls kein Geheimhaltungsinteresse. Dasselbe gelte für Blatt 500, soweit der Betreff im Rahmen der teilgeschwärzten Vorlage des Blattes 509 offengelegt worden sei. Zudem seien in der teilgeschwärzten Vorlage von Blatt 136 Angaben offengelegt worden, die sich auch auf Blatt 137 bis 143 befänden.

Hinsichtlich der Verwaltungsakte gelte: Bei Blatt 7 sei die vollständige Vorlageverweigerung rechtswidrig. Der Beklagte hätte prüfen müssen, ob berechtigten nachrichtendienstlichen Belangen durch eine Teilschwärzung Rechnung getragen werden könne. Bei Blatt 34 sei ein Geheimhaltungsinteresse nicht erkennbar, soweit dort abstrakt angegeben werde, um welche biografischen Daten es sich gehandelt habe; ausgenommen sei der 7. und 8. Spiegelstrich. Gründe für Teilschwärzungen im 2. Absatz des Blattes 52 seien nicht ersichtlich und in der Sperrerklärung auch nicht angegeben. Dasselbe gelte grundsätzlich auch für die Teilschwärzung im 1. Absatz des Blattes 61.

3. Beklagter und Kläger haben gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt.

a) Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, mangels Akteneinsicht könne er nicht zur angeblich fehlenden Zustimmung anderer Sicherheitsbehörden zur Weitergabe von Informationen Stellung beziehen; darauf komme es allerdings auch nicht an.

b) Der Beklagte erklärt, anders als vom Oberverwaltungsgericht angenommen könne die Vorlage der Blätter 104, 106, 116 und 118 der Sachakte auch nicht in geschwärzter Form erfolgen. Sie dokumentierten Anschreiben anderer Sicherheitsbehörden. Die Offenlegung der in Bezug auf die konkreten Erkenntnisse angeschriebenen Sicherheitsbehörden würde die Kontakte und die Praxis der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden offenbaren, die für den Informationsaustausch erforderliche Vertrauensbasis erschüttern und damit die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden gefährden. Zudem hätten die Sicherheitsbehörden eine Vereinbarung getroffen, nach der eine Offenlegung auch ihrer bloßen Beteiligung an einem Informationsaustausch nur nach vorheriger einzelfallbezogener Freigabe durch die jeweils betroffenen Sicherheitsbehörden erfolgen dürfe. Im Rahmen dieses Koordinierungsverfahrens sei einer Offenlegung durch die betroffenen Sicherheitsbehörden nicht zugestimmt worden. Eine Vorlage auch in geschwärzter Form sei zudem auch deshalb nicht gefordert, weil sie derart geschwärzt werden müsse, dass nur noch eine inhaltsleere Darstellung vorliegen würde.

Mit Teilschwärzungen vorgelegt werden könnten hingegen nun - entsprechend der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts - Blatt 97 bis 101, 103, 107, 109 bis 111, 113, 115 und 119 bis 122 der Sachakte; insoweit hätten nicht alle betroffenen Sicherheitsbehörden ihrer Offenbarung widersprochen. Es seien lediglich diejenigen Sicherheitsbehörden geschwärzt worden, die ihrer Offenlegung nicht zugestimmt hätten (Blatt 97 bis 101, 103 und 119 bis 122 der Sachakte).

Ferner könnten - ebenfalls entsprechend der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts - Blatt 134, 137 bis 143, 189, 253, 257, 265, 269, 375 (Beiakte 3) und Blatt 500 (Beiakte 4) mit Teilschwärzungen vorgelegt werden. Entsprechendes gelte auf für die obergerichtliche Entscheidung zu Blatt 7 der Verwaltungsakte. Es könne aber nur eine Teilschwärzung erfolgen, weil die vollständige Vorlage der Übersicht und die Auflistung von Speicherungen die angewandte Methodik der Informationsgewinnung des Verfassungsschutzes offenbaren und dadurch Rückschlüsse auf dessen Arbeitsweise zulassen würde. Der Ausdruck enthalte zudem die namentliche Nennung von Behördenmitarbeitern, deren Offenlegung Kenntnis über die konkrete Bearbeitung und Rückschlüsse auf den Weg der Informationsbeschaffung innerhalb des Verfassungsschutzes erlauben würde. Zudem werde entsprechend der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts die Schwärzung auf Blatt 34 Abs. 1, Blatt 52 Abs. 2 und Blatt 61 Abs. 1 der Verwaltungsakte aufgehoben.

II

1. Über die zulässige Beschwerde des Klägers ist nur noch in dem Umfang zu befinden, in dem der Beklagte nicht bereits während des Beschwerdeverfahrens erklärt hat, dem obergerichtlichen Beschluss Folge zu leisten. Spiegelbildlich befindet der Senat nur noch über die Beschwerde des Beklagten in dem Umfang, in dem er den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts angreift; dies betrifft namentlich die Verpflichtung zur teilgeschwärzten Vorlage der Blätter 104, 106, 116 und 118 der Sachakte (Beiakte 3).

2. Nach Maßgabe dessen ist die Beschwerde des Beklagten begründet, die des Klägers unbegründet.

a) Das Oberverwaltungsgericht hat auf den - nach ordnungsgemäßer Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen durch das Verwaltungsgericht - zulässigen Antrag des Klägers das Vorliegen der mit der Sperrerklärung differenzierend auf die einzelnen Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung der zutreffenden rechtlichen Maßstäbe geprüft. Mit Ausnahme der vorliegend zugunsten des Beklagten vorgenommen Korrektur ist dessen Prüfung nicht zu beanstanden.

b) Ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO ist unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde (BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 78 Rn. 6 m.w.N.). Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl eines Landes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 4. März 2010 - 20 F 3.09 - juris Rn. 6 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen (BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2009 - 20 F 11.08 - juris Rn. 9 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Nachrichtendienstliche Belange in diesem Sinne können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzbehörde die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt, vorzulegen.

Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO . Bei solchen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundgesetzlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 13). Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten. Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch bei Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 9 f. und vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 14).

c) Die Weigerung des Beklagten, über die von ihm im Beschwerdeverfahren anerkannten (ungeschwärzten) Dokumente hinaus die Blätter 104, 106, 116 und 118 der Sachakte auch nicht teilgeschwärzt vorzulegen, ist danach rechtmäßig. Das Oberverwaltungsgericht ist zwar im Ansatzpunkt zutreffend davon ausgegangen, dass der Austausch von Informationen zwischen den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder deren Aufgabe entspricht und grundsätzlich nicht geheimhaltungsbedürftig ist (BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 20 und vom 12. September 2017 - 20 F 8.16 - juris Rn. 13). Hat jedoch eine Sicherheitsbehörde eines anderen Landes im Einzelfall Bedenken gegen die Mitteilung eines Auskunftsersuchens oder Informationsaustausches erhoben, können berechtigte nachrichtendienstliche Belange einer Offenlegung dieser Kommunikation entgegenstehen. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den innerdeutschen Sicherheitsbehörden bedingt, dass Partnerdienste darauf vertrauen können, dass die Herkunft und der Inhalt vertraulich übermittelter Informationen auch Jahre später nicht ohne ihre Mitwirkung preisgegeben werden (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 20 F 7.16 - juris Rn. 19 m.w.N.). So liegen die Dinge hier. Der Beklagte hat sich im Rahmen seiner Beschwerde ausdrücklich darauf berufen, dass die betroffenen Sicherheitsbehörden anderer Hoheitsträger im Rahmen der Koordinierungsverfahren vom 31. Juli 2017 und 29. März 2018 einer Offenlegung widersprochen haben. Die entsprechenden Dokumente deswegen bis auf den Namen des Klägers zu schwärzen, würde lediglich zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Januar 2020 - 20 F 4.19 - juris Rn. 9 m.w.N.).

Auch die Durchsicht der dem Senat im Übrigen im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen. Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO abgesehen. Weitere Teilschwärzungen, die noch über das hinausgehen, was der Beklagte in Umsetzung des obergerichtlichen Beschlusses anerkannt hat, kommen in Bezug auf diese Aktenbestandteile deshalb nicht in Betracht, weil auch dies nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würde.

d) Das Oberverwaltungsgericht hat zudem zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte in seiner Sperrerklärung eine auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten beruhende Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen genügt (BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO analog. Der Kläger hat trotz weitgehenden Anerkennens der obergerichtlichen Entscheidung durch den Beklagten an seinem Antrag uneingeschränkt festgehalten und ist damit unterlegen. Zudem hat der Beklagte mit seinem Antrag obsiegt, die obergerichtliche Entscheidung bezüglich bestimmter Dokumente aufzuheben.

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 18.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 14 PS 9/17