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BVerwG - Entscheidung vom 21.02.2020

5 B 33.19 D (5 B 27.19 D)

Normen:
VwGO § 152 Abs. 1
VwGO § 152a Abs. 2 S. 6
GG Art. 103 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 21.02.2020 - Aktenzeichen 5 B 33.19 D (5 B 27.19 D)

DRsp Nr. 2020/11247

Anforderungen an die Darlegung der eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs begründenden Umstände im Rahmen einer Anhörungsrüge; Möglicher Gegenstand einer Anhörungsrüge; Fehlende Anfechtbarkeit eines Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs durch Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; Anforderungen an die Anfechtung einer mehrfach begründeten Entscheidung

Eine mit der Anhörungsrüge geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Möglichkeit einer derartigen Verletzung ableiten lässt. Was dazu im Einzelnen vorzutragen ist, bestimmt sich danach, auf welche Gründe die Anhörungsrüge gestützt wird. Die Anhörungsrüge lässt sich hingegen nicht mit Einwendungen begründen, die in Wirklichkeit auf die Fehlerhaftigkeit der mit ihr angegriffenen Entscheidung zielen. Denn die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar.

Tenor

Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 12. September 2019 (5 B 27.19 D) wird verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Normenkette:

VwGO § 152 Abs. 1 ; VwGO § 152a Abs. 2 S. 6; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Das Verfahren ist nicht nach § 152a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO fortzuführen. Nach § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten bei Vorliegen der Voraussetzung des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte dieser Pflicht nachgekommen sind. Die Gerichte sind allerdings nicht verpflichtet sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, ein Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst. Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO ). Die Gerichte können sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach ihrem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt. Geht ein Gericht auf einzelne Teile des Vorbringens nicht ein, dokumentiert es damit in der Regel zugleich, dass es sie für rechtlich irrelevant hält. Insbesondere vermittelt der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz davor, dass ein Gericht den Vortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch inhaltlich zu folgen (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D - juris Rn. 8 f. m.w.N.).

Die eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs begründenden Umstände sind gemäß § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO vom Rügeführer substantiiert und schlüssig darzulegen. Er muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Möglichkeit einer derartigen Verletzung ableiten lässt. Was dazu im Einzelnen vorzutragen ist, bestimmt sich danach, auf welche Gründe die Anhörungsrüge gestützt wird. Die Anhörungsrüge lässt sich nicht mit Einwendungen begründen, die in Wirklichkeit auf die Fehlerhaftigkeit der mit ihr angegriffenen Entscheidung zielen. Denn die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D - juris Rn. 10 f. m.w.N.). Gemessen an diesen Grundsätzen ist eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht dargelegt.

1. Die Klägerin trägt zur Begründung der behaupteten Gehörsverletzung im Wesentlichen vor, der Senat habe ihre Rechtsausführungen nicht zur Kenntnis genommen, das Oberverwaltungsgericht habe aus den unter Ziffer 2 der Anhörungsrügeschrift näher ausgeführten Gründen keine wirksame Entscheidung getroffen, so dass § 152 Abs. 1 VwGO nicht einschlägig sei, sondern es einer höchstrichterlichen Entscheidung bedürfe, die diese Gesetzeslücke schließe. Dass sie nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten gewesen sei, bedinge sich indirekt aus der Verweigerung eines Notanwalts durch das Oberverwaltungsgericht. Das Gericht habe sich nicht zu ihrer unter Ziffer 11 des Schriftsatzes vom 23. Juli 2019 geäußerten Rechtsansicht eingelassen, dass aufgrund des ohne Anwaltszwang geführten Ausgangsverfahrens auch das Beschwerdeverfahren ohne Anwaltszwang zu führen sei (Ziffer 3 der Anhörungsrügeschrift). Sie rüge außerdem die fehlende Prozessfähigkeit der Landesanwaltschaft Bayern.

Der Senat hat die Verwerfung der Beschwerde in dem angegriffenen Beschluss auf zwei selbständig tragende Gründe gestützt. Zum einen geht er davon aus, dass der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht zu den Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe gehört, die gemäß § 152 Abs. 1 VwGO durch Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können. Zum anderen stellt er darauf ab, dass die Beschwerde nicht von einem gemäß § 67 Abs. 4 VwGO vor dem Bundesverwaltungsgericht vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist. Da er die Entscheidung über die Statthaftigkeit der Beschwerde auf § 152 Abs. 1 VwGO gestützt hat, hat er zugleich zum Ausdruck gebracht, dass er ausschließlich diese Bestimmung für einschlägig hält. Er war deshalb nicht gehalten, auf die Ausführungen der Klägerin in der Beschwerdeschrift vom 23. Juli 2019 zur angeblichen Scheinwirksamkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (Ziffer 3 ff.) und die dort von ihr erörterten Optionen gerichtlich dagegen vorzugehen (vgl. Ziffer 8 ff.), einzugehen. Aus dem gleichen Grund erübrigte es sich für den Senat, im Zusammenhang mit der fehlenden anwaltlichen Vertretung der Klägerin näher auf deren Auffassung einzugehen, in dem Verfahren bestehe keine Anwaltspflicht vor dem Bundesverwaltungsgericht (Ziffer 11). Denn während der Senat sich nach § 152 Abs. 1 VwGO an einer Entscheidung gehindert sah, ging die Klägerin davon aus, dass es sich bei dem Verfahren um eine "sofortige Beschwerde ... aus § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78b Abs. 2 ZPO " handele, für die der Anwaltszwang gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 571 Abs. 4 ZPO nicht gelte. Diese Ausführungen waren vom Rechtsstandpunkt des Senats aus nicht entscheidungserheblich. Das Gleiche gilt im Hinblick auf die - im Übrigen nicht zweifelhafte - Prozessfähigkeit des durch die Landesanwaltschaft vertretenen Beklagten.

Die Klägerin legt nicht dar, warum gleichwohl ein Verstoß gegen ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs vorliegen soll, zumal sie sich im Ausgangsverfahren mit der Frage, ob § 152 Abs. 1 VwGO einschlägig ist oder nicht, in keiner Weise auseinandergesetzt hat (vgl. Beschwerdeschrift vom 23. Juli 2019). Ihr Vorbringen kann daher sowohl hinsichtlich der fehlenden Anfechtbarkeit gemäß § 152 Abs. 1 VwGO als auch hinsichtlich der Frage der ausreichenden Prozessvertretung nur als Einwand gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung gewertet werden, der eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht zu begründen vermag.

2. Die Anhörungsrüge erweist sich ebenfalls als unzulässig, soweit die Klägerin nicht nur eine Verletzung ihres Anspruchs auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 GG rügt, weil der Beschluss des Senats vom 12. September 2019 ihrer Auffassung nach nicht in Form einer wirksamen öffentlichen Urkunde vorliege und deshalb für sie "eine verbindliche richterliche Mitwirkung am Verfahren als auch eine unterfertigte Urschrift nicht festzustellen" sei, sondern deswegen auch einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, den Justizgewährungsanspruch, die Bindung an Gesetz und Recht, "das Grundrecht auf wirksame Beschwerde", das Grundrecht auf ein faires Verfahren aus Art. 3 Abs. 1, Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 (jeweils) i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG , Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 13 EMRK und Art. 6 Abs. 1 EMRK für gegeben hält. Denn abgesehen davon, dass die behaupteten Grundrechts- und Verfahrensverstöße in keiner Weise hinreichend dargelegt sind, kann die Anhörungsrüge nur auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, nicht aber auf die Verletzung anderer Verfassungs- und Verfahrensgarantien wie die hier angeführten gestützt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. März 2013 - 7 C 3.13 - juris Rn. 4 m.w.N., vom 13. Oktober 2015 - 9 B 31.15 - juris Rn. 15 und vom 5. April 2017 - 8 B 6.17 - juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 27. April 2017 - I ZB 34/15 - juris Rn. 5; vgl. a. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2009 - 1 BvR 893/09 - NJW 2009, 3710 Rn. 15 ff.).

3. Auch mit ihrem übrigen Vorbringen, wie der Erhebung einer Verzögerungsrüge, die keiner gesonderten Bescheidung durch das Gericht bedarf (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 20), sowie ihrer auf eine Erinnerung "gegen die Untätigkeit der Geschäftsstelle" (Ziffer 8 der Anhörungsrügeschrift) gerichteten Rüge benennt die Klägerin keine Umstände, mit denen eine die Anhörungsrüge begründende entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Beschluss des Senats vom 12. September 2019 dargetan wird. In der Sache geht der Hinweis der Klägerin auf die Regelung über die Erinnerung nach § 151 VwGO auch deshalb ins Leere, weil es sich bei dem angegriffenen Beschluss des Senats nicht um eine Entscheidung des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten im Sinne der zuvor genannten Vorschrift handelt.

4. Von einer weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung von § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO .