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BVerwG - Entscheidung vom 23.04.2020

3 C 22.18

Normen:
RL 2001/83/EG Art. 8 Abs. 3 Buchst. j
RL 2001/83/EG Art. 11 Nr. 5.1
RL 2001/83/EG Art. 21 Abs. 2
AMG § 11a Abs. 1 S. 1, S. 2, S. 6
AMG § 22 Abs. 7 S. 1
AMG § 28 Abs. 1 S. 1
AMG § 28 Abs. 2 Nr. 2a
RL 2001/83/EG Art. 8 Abs. 3 Buchst. j)
RL 2001/83/EG Art. 11 Nr. 5.1
RL 2001/83/EG Art. 21 Abs. 2
AMG § 11a Abs. 1 S. 1-2 und S. 6
AMG § 22 Abs. 7 S. 1
AMG § 28 Abs. 1 S. 1
AMG § 28 Abs. 2 Nr. 2a
RL 2001/83/EG Art. 8 Abs. 3 Buchst. j)
RL 2001/83/EG Art. 11 Nr. 5.1
RL 2001/83/EG Art. 21 Abs. 2
AMG § 11a Abs. 1 S. 1-2 und S. 6
AMG § 22 Abs. 7 S. 1
AMG § 28 Abs. 1 S. 1
AMG § 28 Abs. 2 Nr. 2a

Fundstellen:
DÖV 2020, 949

BVerwG, Urteil vom 23.04.2020 - Aktenzeichen 3 C 22.18

DRsp Nr. 2020/9680

Anforderungen an die Angaben in der Fachinformation eines Arzneimittels zu dessen pharmakologischen Eigenschaften; Auflagen bei Zulassung des Arzneimittels; Sicherstellung der Anforderungen an die Fachinformation eines Arzneimittels

1. Angaben in der Fachinformation eines Arzneimittels zu dessen pharmakologischen Eigenschaften (§ 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AMG ) müssen richtig, knapp und präzise sowie anwendungsbezogen sein.2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat bei Zulassung des Arzneimittels oder deren Verlängerung durch die Anordnung einer Auflage sicherzustellen, dass die Fachinformation den Vorschriften des § 11a AMG entspricht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. November 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Normenkette:

RL 2001/83/EG Art. 8 Abs. 3 Buchst. j); RL 2001/83/EG Art. 11 Nr. 5 .1; RL 2001/83/EG Art. 21 Abs. 2 ; AMG § 11a Abs. 1 S. 1-2 und S. 6; AMG § 22 Abs. 7 S. 1; AMG § 28 Abs. 1 S. 1; AMG § 28 Abs. 2 Nr. 2a ;

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft die Fachinformation für ein Arzneimittel.

Die Klägerin stellt pflanzliche Arzneimittel her. Sie ist Inhaberin der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Jahr 2009 erteilten Zulassung für das Arzneimittel "S.". Damals waren in der Fachinformation unter Nr. 5.1 Angaben zu aus Tiermodellen gewonnenen Informationen über pharmakodynamische Eigenschaften akzeptiert worden.

Im Jahr 2013 beantragte die Klägerin die Verlängerung der Zulassung und legte dabei eine überarbeitete und ausführlichere Fassung der Fachinformation vor. Das BfArM verlängerte daraufhin die Zulassung für das Arzneimittel, verband den Bescheid vom 27. April 2015 aber mit der Auflage, die Angaben zu den pharmakodynamischen Eigenschaften in der Fachinformation zu streichen. Zur Begründung führte es aus, die postulierte pharmakologische Wirkung des Arzneimittels für die Anwendung beim Menschen sei aus den vorgelegten präklinischen Studien nicht sicher ableitbar.

Den gegen diese Auflage erhobenen Widerspruch wies das BfArM mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2016 zurück. Bloße Hintergrundinformationen dürften in die Fachinformation nicht aufgenommen werden. Angaben zu pharmakodynamischen Wirkungen seien demnach nur veranlasst, soweit die Information im Hinblick auf eine sichere und zweckdienliche Anwendung der Arzneimittel von Bedeutung sein könne. Auch Erkenntnisse aus präklinischen Studien dürften hierfür erwähnt werden, sofern sie relevante Informationen für Fachkreise enthielten. Für die Art der Wirkung - etwa die Angabe, welche bakteriellen Enzyme gehemmt werden - könnten in-vitro-Daten daher durchaus von Relevanz sein. Derartige Untersuchungen - etwa zur Rezeptorbindung oder Enzymhemmung - lägen für S. indes nicht vor.

Mit der daraufhin erhobenen Klage hat die Klägerin u.a. vorgetragen, das BfArM akzeptiere in seiner Verwaltungspraxis durchgängig Ergebnisse von in-vitro-Untersuchungen; sie legte hierzu eine Aufstellung der Fachinformation von acht anderen zugelassenen pflanzlichen Arzneimitteln vor. Es sei kein Grund dafür erkennbar, von dieser rechtmäßigen und bewährten Praxis nur und gerade bei S. abzuweichen.

Durch Urteil vom 7. November 2017 hat das Verwaltungsgericht die Auflage zum Verlängerungsbescheid aufgehoben, die Beklagte verpflichtet, über den Antrag zur Aufnahme der Angaben unter Nr. 5.1 der Fachinformation unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klägerin habe zwar keinen Anspruch auf eine Zulassungsverlängerung mit der beantragten oder hilfsweise der im Zulassungsbescheid vom 10. Juli 2009 enthaltenen Formulierung der Fachinformation. "Eigenschaft" eines Arzneimittels könne nur ein tatsächlich belegter Umstand sein, nicht eine bloße Vermutung oder ein Erklärungsansatz. Den von der Klägerin begehrten Angaben zu in Tiermodellen beobachteten Effekten komme aber allenfalls ein mittelbarer Bezug zur Anwendung am Menschen und zum zugelassenen Anwendungsgebiet zu. Angesichts des Umstands, dass die Beklagte Hinweise auf präklinische Untersuchungen bei zahlreichen Arzneimitteln konkurrierender Unternehmen beanstandungslos hinnehme, erweise sich die verfügte Auflage aber als gleichheitswidrig. Schon um potentiell wettbewerbsrelevante Wirkungen vergleichbarer Sachverhalte zu vermeiden, bedürfe es hier eines planmäßigen Vorgehens. Ein Vorgehen nur gegen die Klägerin erweise sich als willkürlich.

Auf die von beiden Beteiligten eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage durch Urteil vom 7. November 2018 insgesamt abgewiesen. Der von der Klägerin im Verlängerungsverfahren vorgelegte Text zu Nr. 5.1 der Fachinformation sei mit den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes nicht vereinbar. Danach sei es zwar nicht generell ausgeschlossen, in präklinischen Studien gewonnene pharmakodynamische Erkenntnisse in die Fachinformation aufzunehmen. Vorliegend fehle es aber an der anwendungsbezogenen Relevanz der Angaben für die Heilberufsangehörigen als Adressaten der Fachinformation. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Auflage auch nicht wegen etwaiger Ermessensfehler zu beanstanden. Vielmehr eröffne das Arzneimittelgesetz kein Entschließungsermessen, wenn die Auflage erforderlich sei, um die Übereinstimmung der Fachinformation mit den gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen. Sollte die Beklagte vergleichbare Texte in Fachinformationen anderer Arzneimittel nicht beanstanden, möge hierin ein Rechtsverstoß liegen. Ein unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung folgender Gleichbehandlungsanspruch der Klägerin scheide aber aus. Auch durch eine ständige Verwaltungspraxis könne sich eine Behörde nicht über gesetzliche Regelungen hinwegsetzen.

Mit der bereits vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wendet sich insbesondere gegen die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, dass in die Fachinformation nur pharmakodynamische Eigenschaften mit unmittelbarem Anwendungsbezug aufgenommen werden dürften. Das Berufungsgericht verkenne überdies, dass das BfArM bei einer Entscheidung über die Anordnung einer Auflage zur Ermessensausübung verpflichtet sei. Die Praxis der Beklagten, gegen rechtswidrige Fachinformationen nur im "Anlassfall" der Bearbeitung anstehender Anträge vorzugehen, führe im Übrigen dazu, dass Produkte in Altfällen für immer beanstandungsfrei im Verkehr blieben.

Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und führt ergänzend aus, da die Beschränkung auf anwendungsbezogene Informationen sogar für freiwillige Angaben gelte, müsse Entsprechendes erst recht für die Pflichtangaben zutreffen. Diese Anforderung erfülle die von der Klägerin beantragte Angabe nicht. Dies folge schon daraus, dass Ergebnisse präklinischer Untersuchungen nicht ohne weiteres auf die Anwendung beim Menschen im zugelassenen Anwendungsgebiet übertragen werden könnten. Überdies sei die Wirkstoffkonzentration der in Anspruch genommenen Studien nicht bekannt und daher auch nicht einschätzbar, ob entsprechende Dosierungen bei einer Anwendung am Menschen erzielt werden könnten. Dass die Fachinformation in "Altfällen" keiner Überprüfung mehr unterzogen werde, sei Folge der Entscheidung des Gesetzgebers, für verlängerte Zulassungen eine zeitliche Befristung nicht mehr vorzusehen.

II

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das angegriffene Berufungsurteil verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO ). Angaben in der Fachinformation eines Arzneimittels müssen richtig, knapp und präzise sowie anwendungsbezogen sein; den erforderlichen Anwendungsbezug hat das Berufungsgericht hier ohne Rechtsfehler verneint (1.). Die Einhaltung dieser Vorgaben hat das BfArM durch die Anordnung einer Auflage sicherzustellen; ein Entschließungsermessen besteht insoweit nicht (2.).

1. Nach § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Buchst. a des Arzneimittelgesetzes in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids geltenden Fassung des Gesetzes vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2210 ) - AMG - muss die Fachinformation Angaben zu den pharmakodynamischen Eigenschaften des Arzneimittels enthalten.

a) Diese Angaben müssen sachlich richtig, knapp und präzise sein.

Nur so kann die mit der Fachinformation bezweckte schnelle und präzise Information ermöglicht werden (vgl. die Hinweise in dem von der Europäischen Kommission im September 2009 herausgegebenen Guideline on Summary of Product Characteristics - SmPC-Guideline - unter Nr. 5: "Statements should be brief and precise."). Mit der restriktiven Zulassung weiterer Angaben soll verhindert werden, dass die Verwender von den Pflichtinformationen abgelenkt werden; insoweit gilt nichts anderes als für die Gebrauchsinformation nach § 11 AMG (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 8. November 2018 - 3 C 2.17 [ECLI:DE: BVerwG:2018:081118B3C2.17.0] - Buchholz 418.32 AMG Nr. 75 Rn. 22; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - I ZR 161/11 - PharmR 2013, 491 <492 f.>). Zwar ist die Fachinformation nicht für die Patienten gedacht, sondern an das heilberuflich tätige Fachpublikum adressiert (vgl. § 11a Abs. 1 Satz 1 AMG ). Sie enthält daher andere Angaben - nämlich die für Fachanwender notwendigen wissenschaftlichen Informationen - und muss auch nicht in einer für medizinische Laien verständlichen Art und Sprache abgefasst sein (vgl. BT-Drs. 10/5112 S. 16). Auch der Fachanwender soll aber nicht von den Pflichtangaben abgelenkt werden. Weitere Angaben müssen von dieser Pflichtinformation deutlich abgesetzt sein; sie sind nur zulässig, wenn sie mit der Anwendung des Arzneimittels in Zusammenhang stehen und den Pflichtangaben nicht widersprechen (§ 11a Abs. 1 Satz 6 AMG ).

b) Die Angaben müssen überdies auf die Anwendung des Arzneimittels durch den Fachanwender bezogen sein.

Mit der Einführung der Fachinformation sollte den Fachkreisen die Möglichkeit gegeben werden, die für eine sichere Arzneimitteltherapie notwendigen wissenschaftlichen Informationen zu erlangen. Von der Fachinformation wurde eine Verbesserung der Information der Heilberufe über die therapeutische Wirksamkeit und mögliche Risiken erwartet (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 10/5112 S. 16). Die Fachinformation dient daher nicht einer wissenschaftlichen Grundlagendiskussion, sie ist vielmehr auf die Anwendung des Arzneimittels bezogen. Angaben, die keinen Zusammenhang mit dem therapeutischen Einsatz des Arzneimittels aufweisen, insbesondere also nicht förderlich sein können, um die Wirkungsweise des Arzneimittels nachzuvollziehen, gehören nicht in die Fachinformation des § 11a AMG . Dies ist in § 11a Abs. 1 Satz 6 AMG für weitere Angaben ausdrücklich klargestellt. Für die in § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Buchst. a AMG vorgesehenen Pflichtangaben gilt dieser Anwendungsbezug erst recht.

Aus dem Umstand, dass die in § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 AMG a.F. für pharmakologische Eigenschaften enthaltene Beschränkung auf Angaben, die für die therapeutische Verwendung erforderlich sind, bei der Neuformulierung in § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AMG in der Fassung des Gesetzes vom 29. August 2005 (BGBl. I S. 2570 ) entfallen ist, folgt nichts Anderes. Mit der Novellierung sollten die Vorschriften zur Fachinformation an die Regelungen in Art. 11 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 S. 67) angepasst werden (vgl. BT-Drs. 15/5316 S. 35). Da dort auch ohne ausdrückliche Erwähnung ein Anwendungsbezug der Angaben vorausgesetzt wird, ergibt sich aus der Neuformulierung nicht, dass Angaben ohne Bezug zur therapeutischen Verwendung nunmehr zulässig sein sollten. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, warum Angaben ohne diesen Bezug zu den Pflichtangaben der Fachinformation gehören sollten.

Dementsprechend sehen auch die SmPC-Guidelines unter Nr. 5 die Aufnahme von Informationen vor, die für Fachkreise mit Blick auf die belegte therapeutische Indikation sowie mögliche unerwünschte Nebenwirkungen relevant sein können ("Sections 5.1 - 5.3 should normally mention information, which is relevant to the prescriber and to other health-care professionals, taking into account the approved therapeutic indication<s> and the potential adverse drug reactions."). Derartigen Leitlinien kommt zwar keine rechtliche Bindungswirkung zu, ihnen können aber Hinweise für das Verständnis der unionsrechtlichen Normen entnommen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 2014 - 3 C 10.13 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 65 Rn. 12).

c) Der erforderliche Anwendungsbezug ist für pharmakodynamische Erkenntnisse aus präklinischen Studien nicht von vornherein ausgeschlossen. Er engt die Wiedergabe entsprechender Untersuchungsergebnisse in der Fachinformation aber ein. Ein hinreichender Anwendungsbezug präklinischer Studienergebnisse kann nur angenommen werden, wenn der Fachanwender aus ihnen berechtigterweise Schlüsse auf die therapeutische Anwendung des Arzneimittels beim Menschen ziehen darf.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss die pharmakologische Wirkung eines Funktionsarzneimittels wissenschaftlich festgestellt sein (vgl. EuGH, Urteile vom 15. Januar 2009 - C 140/07 [ECLI:EU:C: 2009:5], Hecht Pharma GmbH - Rn. 25 und vom 6. September 2012 - C-308/11 [ECLI:EU:C:2012:548], Chemische Fabrik Kreussler - Rn. 30). Nur wenn einem Erzeugnis die Eignung zukommt, die physiologischen Eigenschaften positiv zu beeinflussen, kann es überhaupt als Funktionsarzneimittel eingestuft werden (BVerwG, Urteil vom 7. November 2019 - 3 C 19.18 [ECLI:DE:BVerwG:2019: 071119U3C19.18.0] - NVwZ 2020, 545 Rn. 18 f.). Auch die pharmakodynamische "Eigenschaft" eines Erzeugnisses setzt daher voraus, dass die angegebene Wirkung nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis erforscht und belegt ist. Gesicherte Aussagen zu Veränderungen der physiologischen Funktionen des Menschen durch das Arzneimittel sind regelmäßig nur aufgrund von Untersuchungen am menschlichen Organismus möglich. Dementsprechend sind in Teil I Modul 5 Nr. 5.2.4 des Anhangs I zur Richtlinie 2001/83/EG für den Zulassungsantrag eines Humanarzneimittels Berichte über pharmakodynamische Studien am Menschen vorausgesetzt, die etwa Dosis-Wirkungsbeziehungen umfassen.

Zusätzliche Erkenntnisse aus präklinischen Studien - etwa zur Wirkungsweise des Arzneimittels - sind für den Anwender eines Humanarzneimittels nur relevant, wenn aus ihnen Schlüsse für den therapeutischen Einsatz am Menschen gezogen werden können. Angaben zu Erkenntnissen aus Tiermodellen setzen daher Studienergebnisse voraus, aus denen abgeleitet werden kann, dass die beobachteten Effekte auch bei einem therapeutischen Einsatz beim Menschen erwartet werden dürfen. Andernfalls fehlt es am hinreichenden Bezug der Information zur Anwendung des Arzneimittels am Menschen.

d) Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht anhand der ihm vorliegenden Sachverständigengutachten ohne Rechtsfehler verneint. Es ist von dem dargelegten rechtlichen Maßstab ausgegangen. Insbesondere hat es zutreffend erkannt, dass § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Buchst. a AMG nicht generell ausschließt, in präklinischen Studien gewonnene Erkenntnisse in die Fachinformation aufzunehmen. Dass es hier den erforderlichen Anwendungsbezug der Angaben verneint hat, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil können die beantragten Angaben zu den pharmakodynamischen Eigenschaften des Arzneimittels durch die vorliegenden präklinischen Studien nicht hinreichend belegt werden. Den vorgelegten Studien fehle vielmehr eine Aussagekraft für die Wirkung am Menschen. Eine Übertragung der in Tiermodellen gewonnenen Erkenntnisse - etwa zur Sekretolyse, zur Entzündungshemmung oder zu antiviralen und antibakteriellen Effekten - scheitere schon daran, dass die meisten der beobachteten Effekte mit Konzentrationen erzielt worden seien, die in der klinischen Anwendung nicht erreicht werden könnten. Zum anderen seien in-vitro-Studien ohne geeignete in-vivo-Korrelate nicht geeignet, einen entsprechenden Effekt bei einer klinischen Anwendung beim Menschen zu belegen.

Diese - die Annahme eines fehlenden Anwendungsbezugs der Angaben zu Nr. 5.1 in der Fachinformation tragenden - Feststellungen sind der revisionsgerichtlichen Beurteilung zugrunde zu legen, weil die Klägerin hiergegen keine Verfahrensrügen vorgebracht hat (§ 137 Abs. 2 VwGO ). Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensfehler auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert. Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht im Rahmen einer Verfahrensrüge nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Denkgesetze verstößt, logische oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 2019 - 3 C 19.18 - NVwZ 2020, 545 Rn. 23 m.w.N.). Einen derartigen Verfahrensmangel zeigt die Revision nicht auf. Die Einschätzung des Berufungsgerichts ist vielmehr plausibel und in methodisch vertretbarer Weise auf die zitierten Studien gestützt. Dass es Anforderungen an die Beweiskraft präklinischer Studien gestellt haben könnte, die diese von vornherein nicht erfüllen können, ist weder von der Klägerin dargelegt noch ersichtlich. Soweit die Revision der Würdigung des Berufungsgerichts ihre eigene, hiervon abweichende Bewertung entgegensetzt, erfüllt dies die Voraussetzungen für die Darlegung eines Verfahrensfehlers nicht.

2. Bei Zulassung des Arzneimittels oder deren Verlängerung hat das BfArM durch die Anordnung einer Auflage sicherzustellen, dass die Fachinformation den Vorschriften des § 11a AMG entspricht.

a) Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2a AMG kann die Zulassung eines Arzneimittels zu diesem Zweck mit Auflagen verbunden werden. Das gilt auch für die Verlängerung der Zulassung nach § 31 AMG .

Das Arzneimittelgesetz hat die Fehlerhaftigkeit der mit dem Antrag vorgelegten Angaben zur Fachinformation (vgl. § 22 Abs. 7 Satz 1 AMG ) nicht als Versagungsgrund für die Zulassung oder Zulassungsverlängerung eines Arzneimittels ausgestaltet, sondern hierfür das mildere Mittel einer Auflagenbefugnis vorgesehen. Kommt der Zulassungsinhaber dieser Verpflichtung nicht nach, kann die Zulassung widerrufen werden (§ 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG ).

Nur mit der Auflage ist aber sichergestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung oder deren Verlängerung erfüllt werden. Die Auflage ist damit notwendige Ergänzung zur Zulassung oder Verlängerung; sie kann nicht unterbleiben. Dass es ein milderes Mittel gibt, mit dem die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen aus § 11a AMG an die Fachinformation gewährleistet werden könnte, hat die Klägerin nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

b) Die Verpflichtung zur Anordnung einer Auflage folgt auch daraus, dass § 22 Abs. 7 Satz 1 AMG den Inhalt der Fachinformation mit den Angaben zur Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels verknüpft und parallelisiert. Danach handelt es sich bei der Zusammenfassung der Produktmerkmale zugleich um die Fachinformation. Entsprechend hierzu ordnet § 11a Abs. 1 Satz 2 AMG an, dass die Angaben in der Fachinformation in Übereinstimmung mit der im Rahmen der Zulassung genehmigten Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels stehen müssen.

Für die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels enthält das Unionsrecht aber in Art. 8 Abs. 3 Buchst. j i.V.m. Art. 11 der Richtlinie 2001/83/EG strikte Vorgaben. Nach Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG trifft die zuständige Behörde alle zweckdienlichen Maßnahmen, damit die in der Zusammenfassung enthaltenen Angaben den bei der Genehmigung oder später ermittelten Angaben entsprechen. Hinsichtlich der Gewährleistung der Angaben zur Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels kommt dem BfArM danach kein Entschließungsermessen zu. Da das deutsche Recht die Fachinformation mit diesen Angaben verklammert, gilt Entsprechendes für die Fachinformation nach § 11a Abs. 1 Satz 2 AMG .

c) Ob damit auch eine Verpflichtung der Beklagten zur Anordnung nachträglicher Auflagen gemäß § 28 Abs. 1 Satz 4 AMG in Altfällen besteht, die nicht aus Anlass eines Verlängerungsantrags oder im Rahmen einer Änderungsanzeige zur Prüfung stehen, oder ob dem BfArM insoweit ein Entschließungsermessen zuzuerkennen ist, muss im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht entschieden werden. Vertrauensschutz gegen nachträgliche Auflagen dürfte das Arzneimittelgesetz dem Inhaber der Zulassung nicht einräumen.

Angesichts des Umstands, dass unzulässige Angaben als werbliche Hinweise eingestuft werden könnten (vgl. Rehmann, AMG , 5. Aufl. 2020, § 11 Rn. 3 m.w.N.) und verlängerte Zulassungen einer Anlassprüfung in der Regel nicht mehr unterliegen (vgl. § 31 Abs. 1a AMG ), ist im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz fraglich, ob einem Mitbewerber jede Möglichkeit abgesprochen werden kann, in Altfällen prüfen zu lassen, ob die Fachinformation des Konkurrenten den Vorschriften des § 11a AMG entspricht. Sachwidrig wäre eine Überprüfung auf Antrag eines Mitbewerbers entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. Die von der Beklagten angesprochene Möglichkeit einer wettbewerbsrechtlichen Klage dürfte einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren weder vorgängig sein (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 - 3 C 4.18 [ECLI: DE:BVerwG:2019:241019U3C4.18.0] - PharmR 2020, 157 <158>) noch erschiene sie hier effektiv: Solange die Angabe durch das BfArM zugelassen ist, dürfte ihre Verwendung nicht wettbewerbswidrig sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO .

Verkündet am 23. April 2020

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 07.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 13 A 3140/17
Vorinstanz: VG Köln, vom 07.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 7 K 4442/16
Fundstellen
DÖV 2020, 949