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BVerwG - Entscheidung vom 29.06.2020

8 PKH 9.19

Normen:
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 108 Abs. 1
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 133 Abs. 3 S. 3

BVerwG, Beschluss vom 29.06.2020 - Aktenzeichen 8 PKH 9.19

DRsp Nr. 2020/11255

Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags mangels Erfolgsaussicht; Anforderungen an die Begründung des Prozesskostenhilfeantrags hinsichtlich des Vorliegens eines Zulassungsgrundes in groben Zügen; Anforderungen an die Darlegung eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz; Anforderungen an die Darlegung eines Verstoßes gegen die Aufklärungspflicht; Streit um die Zulassung eines Rundfahrgeschäfts zur Teilnahme an einer Pfingstkirmes

Der nicht anwaltlich Vertretene, der einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt, muss die Erfolgsaussichten seines Antrags insoweit darlegen, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. November 2019 wird abgelehnt.

Normenkette:

VwGO § 86 Abs. 1 ; VwGO § 108 Abs. 1 ; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3 ; VwGO § 133 Abs. 3 S. 3;

Gründe

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Ablehnung seines Antrags, mit seinem Rundfahrgeschäft "..." zur Teilnahme an der Heddesdorfer Pfingstkirmes in Neuwied 2017 zugelassen zu werden, rechtswidrig gewesen ist. Seine Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat auch die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Ermessensentscheidung über die Auswahl zwischen den Bewerbern mit einem Rundfahrgeschäft gemäß § 70 Abs. 3 GewO sei rechtmäßig gewesen. Für eine beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts beantragt der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Der Antrag ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Beschwerde nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Dafür müsste ein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO gegeben sein. Dass diese Voraussetzung erfüllt ist, muss so weit dargelegt werden, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist. Zwar kann von dem nicht anwaltlich Vertretenen, der einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt, nicht verlangt werden, dass er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darlegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder den Verfahrensmangel in der Weise bezeichnet, wie dies für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde selbst nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich wäre. Erforderlich ist aber, dass sich aus der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags das Vorliegen eines Zulassungsgrundes in groben Zügen erkennen lässt (BVerwG, Beschlüsse vom 8. September 2008 - 3 PKH 3.08 - juris Rn. 3, vom 9. Januar 2020 - 8 PKH 8.19 - juris Rn. 2 und vom 13. März 2020 - 8 PKH 3.20 - juris Rn. 2). Daran fehlt es hier. Dem Vorbringen des Klägers lassen sich keine in diesem Sinne zureichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes entnehmen.

1. Der Kläger rügt Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO . Zureichende Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO ) oder gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ) und damit für einen Verfahrensmangel, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann und der zum Erfolg der Beschwerde führen könnte, sind jedoch nicht dargelegt.

a) Die Kritik des Klägers an der Würdigung seines Vorbringens durch das Oberverwaltungsgericht benennt keine Gesichtspunkte, die Rückschlüsse auf einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO zuließen.

Dazu genügt nicht der Hinweis auf (vermeintliche) Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts. Denn diese sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Sie können daher grundsätzlich keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen. Eine Ausnahme kommt nur bei Mängeln in Betracht, die allein die Tatsachenfeststellung und nicht auch die Subsumtion unter die materiell-rechtliche Norm betreffen. Zu diesen Mängeln gehören Verstöße gegen das Verbot selektiver Verwertung des Prozessstoffs sowie denkfehlerhafte, aus Gründen der Logik schlechterdings unmögliche oder sonst willkürliche Schlussfolgerungen von Indizien auf Haupttatsachen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 21. April 2020 - 8 B 62.19 - juris Rn. 11 m.w.N.). Solche Mängel zeigt der Kläger nicht auf.

Er macht geltend, die Zulassung der konkurrierenden Bewerberin des Rundfahrgeschäfts "..." sei willkürlich gewesen, während andere Bewerber dieser Sparte aufgrund sachfremder Erwägungen von der Teilnahme ausgeschlossen worden seien. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts habe die Beklagte das Auswahlverfahren weder transparent noch im Einklang mit ihren Richtlinien für die Zuteilung von Standplätzen durchgeführt. So sei die Zulassung nur eines Rundfahrgeschäfts bei der endgültigen Platzkonzeption im April 2018 sachlich nicht gerechtfertigt gewesen und das Punktbewertungssystem sei innerhalb des Auswahlverfahrens nicht angewendet worden. Zudem sei die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Zuordnung der Rund- und Hochfahrgeschäfte zu den einzelnen Sparten unzutreffend. Soweit diese Einwände die Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts betreffen, lassen sie keine Verstöße gegen die Denkgesetze oder das Willkürverbot erkennen. Ihnen sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts auf aktenwidrigen oder sonst objektiv willkürlichen Annahmen ohne jede Grundlage im Prozessstoff oder auf selektiver Beweiswürdigung beruhten oder von Schlussfolgerungen getragen würden, die denklogisch schlechthin ausgeschlossen wären. Die übrigen Einwände betreffen die Subsumtion der festgestellten Tatsachen unter die rechtlichen Anforderungen. Diese materiell-rechtliche Würdigung des Sachverhalts ist dem sachlichen Recht, nicht aber dem Verfahrensrecht zuzuordnen.

b) Der Kläger benennt auch keine zureichenden Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO ). Dazu genügt nicht der Vorwurf, das Berufungsgericht habe den Untersuchungsgrundsatz verletzt, weil es von der Beklagten keine Belege zum Nachweis und zur Dokumentation ihrer Auswahlentscheidung eingefordert habe. Wird die Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO geltend gemacht, muss der Rechtsmittelführer substantiiert darlegen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer ihm günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss er aufzeigen, dass er im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er nunmehr beanstandet, hingewirkt hat oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 8 C 13.19 - juris Rn. 26). Zwar muss das Vorbringen eines nicht anwaltlich vertretenen Antragstellers im Prozesskostenhilfeverfahren nicht all diese Darlegungsanforderungen erfüllen. Zureichende Anhaltspunkte für einen Aufklärungsmangel nennt es jedoch nur, wenn es zumindest erläutert, weshalb die nach Auffassung des Antragstellers beizuziehenden Unterlagen nicht nur nach seiner eigenen Auffassung, sondern nach der insoweit allein maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz entscheidungserheblich gewesen sein könnten. Das ist hier nicht geschehen.

2. Das Vorbringen des Klägers enthält auch keine zureichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VwGO .

a) Die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Die Begründung des Prozesskostenhilfeantrags führt nicht auf eine solche Grundsatzfrage.

Dem Vorbringen des Klägers lassen sich keine Fragen von fallübergreifender Bedeutung entnehmen. Es beschränkt sich darauf, das Berufungsurteil in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels zu kritisieren und ihm dabei insbesondere eine unzutreffende tatsächliche Würdigung des Sachverhalts vorzuhalten. Zureichende Anhaltspunkte für einen grundsätzlichen Klärungsbedarf ergeben sich daraus nicht.

b) Anhaltspunkte für eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO enthält der Prozesskostenhilfeantrag ebenfalls nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz vorliegt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Eine derartige Abweichung abstrakter Rechtssätze ist aufgrund des Vorbringens des Klägers nicht erkennbar. Er beanstandet allenfalls eine fehlerhafte Anwendung der in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze im konkreten Fall.

Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 11.11.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 6 A 11692/18