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BVerwG - Entscheidung vom 13.08.2020

8 AV 1.20

Normen:
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
VwGO § 52 Nr. 1 und Nr. 2 S. 1-2
VwGO § 53 Abs. 1 Nr. 3
VermG § 2 Ab. 2
VermG § 3 Abs. 1 S. 4

BVerwG, Beschluss vom 13.08.2020 - Aktenzeichen 8 AV 1.20

DRsp Nr. 2020/12702

Ablehnung eines Antrags auf Bestimmung des zuständigen Gerichts; Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts; Örtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten über die Restitution von Aktienbeteiligungen; Örtliche Zuständigkeit für einen Antrag auf Einräumung von Bruchteilseigentum an Flurstücken; Keine Abweichung von gesetzlichen Zuständigkeitsregeln aufgrund Erwägungen zur Prozessökonomie

Für einen Antrag auf Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen und für die Anfechtung der Ablehnung des Antrags auf Rückübertragung oder Entschädigung bezüglich einer verlorenen Unternehmensbeteiligung bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach § 52 Nr. 2 S. 1 und 2 VwGO .

Tenor

Der Antrag der Klägerin, das zuständige Gericht zu bestimmen, wird abgelehnt.

Normenkette:

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; VwGO § 52 Nr. 1 und Nr. 2 S. 1-2; VwGO § 53 Abs. 1 Nr. 3 ; VermG § 2 Ab. 2; VermG § 3 Abs. 1 S. 4;

Gründe

1. Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) vom 5. Mai 2020, mit dem dieses seinen bestandskräftigen Bescheid vom 12. April 2012 aufgehoben (Tenorpunkt 1), den Antrag der Klägerin auf Rückübertragung oder Entschädigung bezüglich einer Beteiligung am Unternehmen S. AG (Tenorpunkt 2) sowie den Antrag auf Einräumung von Bruchteilseigentum an näher bezeichneten, in Chemnitz und in Dresden belegenen Grundstücken jeweils abgelehnt hat (Tenorpunkt 3). Entsprechend der dem Bescheid vom 5. Mai 2020 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung hat die Klägerin gegen die Tenorpunkte 1 und 2 des Bescheids Klage beim Verwaltungsgericht Berlin erhoben. Gegen Tenorpunkt 3 des Bescheids hat sie bezogen auf zwei in Chemnitz belegene Flurstücke Klage beim Verwaltungsgericht Chemnitz und bezogen auf 144 weitere in Dresden belegene Flurstücke Klage beim Verwaltungsgericht Dresden eingereicht. Sie beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen.

2. Der Antrag hat keinen Erfolg. Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts ist geboten, wenn die in § 53 VwGO geregelten Anforderungen erfüllt sind. Die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden und von der Klägerin in Bezug genommenen Vorschrift des § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO liegen indessen nicht vor. Danach setzt die Bestimmung des zuständigen Gerichts voraus, dass der Gerichtsstand sich nach § 52 VwGO richtet und verschiedene Gerichte in Betracht kommen. Das ist hier nicht der Fall. Die Verwaltungsgerichtsordnung trifft für die in Rede stehenden Klagebegehren eindeutige und widerspruchsfreie örtliche Zuständigkeitsregelungen in § 52 Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 und 2 VwGO .

Soweit die Klägerin sich gegen die Aufhebung des Bescheids des BADV vom 12. April 2012 und die Ablehnung ihres Antrags auf Rückübertragung oder Entschädigung bezüglich der verlorenen Unternehmensbeteiligung an der S. AG wendet, ist die örtliche Zuständigkeit nach § 52 Nr. 2 Satz 1 und 2 VwGO zu bestimmen. Sie richtet sich bei der Rückübertragung von Rechten an einem Unternehmen im Sinne des § 6 Vermögensgesetz ( VermG )- und damit auch bei der Restitution von Aktienbeteiligungen (§ 2 Ab. 2 Satz 2 VermG ) - nicht nach § 52 Nr. 1 VwGO , weil sich ein solches Klagebegehren nicht auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis bezieht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. April 1993 - 7 ER 400.93 - Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 22 S. 19 f. und vom 18. Mai 2009 - 5 B 2.09 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 87 Rn. 6). Da sich gemäß § 52 Nr. 2 Satz 1 und 2 VwGO die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz des BADV bestimmt, ist für diesen Streitgegenstand das Verwaltungsgericht Berlin zuständig.

Demgegenüber richtet sich die örtliche Zuständigkeit für den Antrag der Klägerin auf Einräumung von Bruchteilseigentum (§ 3 Abs. 1 Satz 4 VermG ) an den im Bescheid aufgeführten Flurstücken nach § 52 Nr. 1 VwGO , da sich dieser Antrag auf unbewegliches Vermögen im Sinne der Vorschrift bezieht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 1994 - 7 AV 13.94 - Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 36). Danach ist für die in Dresden belegenen Flurstücke ausschließlich das Verwaltungsgericht Dresden, für die in Chemnitz belegenen Flurstücke ausschließlich das Verwaltungsgericht Chemnitz örtlich zuständig.

Der Anregung der Klägerin, für sämtliche Anträge nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten einheitlich das Verwaltungsgericht Berlin oder, hilfsweise, zumindest für die Bruchteilsrestitutionsbegehren einheitlich das Verwaltungsgericht Dresden als zuständiges Gericht zu bestimmen, kann nicht gefolgt werden. § 53 VwGO durchbricht nicht die Regelung über den gesetzlichen Richter, sondern ergänzt sie lediglich für den Fall, dass das Prozessrecht selbst keine oder keine widerspruchsfreie Zuweisung enthält (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. September 1987 - 3 ER 401.87 - juris Rn. 2 und vom 15. Februar 2018 - 5 AV 1.18 - juris Rn. 9). Erwägungen der Prozessökonomie können eine Abweichung von gesetzlichen Zuständigkeitsregeln nicht rechtfertigen; denn die Verfahrensgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gilt nicht nach Maßgabe prozessualer Zweckmäßigkeitserwägungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2002 - 7 AV 2.02 - Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 28 S. 3 f.). Problemen, die sich aus der Vorgreiflichkeit eines in einem anderen anhängigen Rechtsstreit zu klärenden Rechtsverhältnisses ergeben können, hat die Prozessordnung in § 94 VwGO Rechnung getragen.