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BVerfG - Entscheidung vom 22.07.2020

2 BvR 1249/20

Normen:
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2
BVerfGG § 92
§ 77 Abs. 2 S. 1 JVollzG ND 2014
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2
BVerfGG § 92
NJVollzG § 77 Abs. 2 S. 1
BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2
BVerfGG § 92
StPO § 119

BVerfG, Beschluss vom 22.07.2020 - Aktenzeichen 2 BvR 1249/20

DRsp Nr. 2020/11226

Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung durch Begründung i.R.v. Maßnahmen im Strafvollzug (hier: Durchsuchung)

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (vergleiche § 40 Absatz 3 Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts).

Normenkette:

BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2; BVerfGG § 92 ; StPO § 119 ;

[Gründe]

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG nicht genügt. Ihre Begründung lässt die Möglichkeit einer Verletzung von Rechten im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG inhaltlich nicht nachvollziehbar erkennen, zumal wesentliche, für die Beurteilung des Sachverhalts und der Frage der Verfassungsgemäßheit notwendige Unterlagen nicht vorgelegt worden sind (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>; 99, 84 <87>; 115, 166 <179 f.>; 130, 1 <21>; stRspr).

Eine § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>; 89, 155 <171>; 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>; 113, 29 <44>). Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen (vgl. BVerfGE 82, 43 <49>; 86, 122 <127>; 88, 40 <45>; 105, 252 <264>). Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>; 99, 84 <87>; 115, 166 <179 f.>). Auch andere Unterlagen aus dem fachgerichtlichen Verfahren wie zum Beispiel Schriftsätze oder nicht mit angegriffene vorinstanzliche Entscheidungen müssen vorgelegt oder inhaltlich wiedergegeben werden, soweit ohne ihre Kenntnis eine Einschätzung, ob die Verfassungsbeschwerde Erfolg haben kann, nicht möglich ist (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits vor, der die angegriffenen Gerichtsentscheidungen folgen, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 ff.>; 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 123, 186 <234>; 130, 1 <21>).

Der Beschwerdeführer hat es bereits versäumt, für die verfassungsrechtliche Prüfung wesentliche Unterlagen vorzulegen. So fehlt die Anordnung der Justizvollzugsanstalt hinsichtlich der mit der Entkleidung verbundenen Durchsuchung. Aus der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 15. Juni 2020 ergibt sich, dass die angegriffenen Maßnahmen in jedem Einzelfall durch eine Sicherheitsverfügung angeordnet werden, die regelmäßig daraufhin überprüft wird, ob ihre Aufrechterhaltung notwendig ist. Eine solche Sicherungsverfügung ist nicht beigefügt. Diese kann daher keiner verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen werden, obwohl sie für die Beurteilung des Sachverhalts und die Frage der Verfassungsgemäßheit der angegriffenen Entscheidungen von erheblicher Bedeutung ist. Darüber hinaus fehlt auch der Beschluss des Bundesgerichtshofs zu den Anordnungen von Beschränkungen in der Untersuchungshaft nach § 119 StPO vom 9. November 2016, welcher Rückschlüsse auf die gegebenenfalls erforderliche Trennung zu Mitgefangenen beziehungsweise zur Notwendigkeit, eine Kommunikation zu unterbinden, erlauben könnte. Insbesondere ist der Verfassungsbeschwerde die Anklageschrift beziehungsweise der Eröffnungsbeschluss des Oberlandesgerichts Celle nicht beigefügt, aus denen sich die Tatvorwürfe in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ergeben. Auf diese nehmen die Justizvollzugsanstalt, der Generalbundesanwalt und auch der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers selbst Bezug. Hieraus sollen sich die Gefährlichkeit und die "Fähigkeiten" des Beschwerdeführers ergeben, welche die Durchsuchungen rechtfertigen beziehungsweise aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht rechtfertigen. Mangels Vorliegens dieser Unterlagen kann eine verantwortbare verfassungsrechtliche Prüfung nicht erfolgen.

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG rügt, ist eine solche nach den dargestellten Grundsätzen zudem nicht substantiiert dargetan. Das Vorbringen des Beschwerdeführers setzt sich nicht hinreichend mit den tragenden Gründen und den zugrundeliegenden einfachrechtlichen sowie verfassungsrechtlichen Fragestellungen auseinander. Er versäumt es bereits, im fachgerichtlichen Verfahren mit den einschlägigen verfassungsrechtlichen Grundsätzen zu argumentieren. Damit ist der Grundsatz der materiellen Subsidiarität nicht gewahrt. In der Verfassungsbeschwerde wird lediglich ein Verstoß gegen das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gerügt, ohne dass sich der Beschwerdeführer mit den einschlägigen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts im Einzelnen auseinandersetzt.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: OLG Celle, vom 18.06.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 4 StE 1/17