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BSG - Entscheidung vom 16.06.2020

B 12 R 6/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 16.06.2020 - Aktenzeichen B 12 R 6/20 B

DRsp Nr. 2020/12291

Zinsanspruch aus einem Erstattungsanspruch wegen zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Oktober 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über einen Zinsanspruch des Klägers iHv 7291,10 Euro aus einem Erstattungsanspruch wegen zu Unrecht gezahlter Beiträge.

Auf einen Statusfeststellungsantrag des Klägers bezüglich seiner Tätigkeit als Gesellschaftergeschäftsführer der a. GmbH stellte die Beklagte sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber der GmbH das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ab 1.1.2005 fest (Bescheide vom 10.11.2005, Widerspruchsbescheide vom 2.6.2006). In den dagegen vom Kläger und der GmbH geführten Klageverfahren gab die Beklagte ein Anerkenntnis ab und stellte in dessen Ausführungen fest, dass der Kläger seine Tätigkeit als Gesellschaftergeschäftsführer ab dem 1.1.2005 nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe (Bescheide vom 12.12.2008).

Auf Antrag vom 2.2.2009 überwies die AOK Bayern am 11.2.2009 sowohl den Arbeitgeberanteil als auch den Arbeitnehmeranteil der geltend gemachten zu Unrecht gezahlten Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung vollständig. Der Kläger machte im weiteren Verlauf Zinsansprüche gegen die Beklagte iHv 7291,10 Euro für den Arbeitnehmeranteil geltend, deren Zahlung die Beklagte ablehnte, da der Antrag auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beiträge am 3.2.2009 bei der Einzugsstelle eingegangen und die Rückerstattung der Beiträge noch im gleichen Monat zur Auszahlung gekommen sei. In dem Widerspruch gegen den Bescheid zur Statusfeststellung vom 10.11.2005 könne kein vollständiger Antrag auf Erstattung der Beiträge gesehen werden, weil jedenfalls noch Angaben zur Beitragstragung, zu eventuellen Ausschlussgründen und zur Bankverbindung des Erstattungsberechtigten gefehlt hätten (Bescheid vom 7.7.2010, Widerspruchsbescheid vom 6.2.2012).

Das SG hat - nach Abtrennung und Verweisung eines geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs an das Landgericht - die (übrige) Klage abgewiesen. Der zur Verzinsungspflicht erforderliche vollständige Erstattungsantrag setze jedenfalls auch die Angabe voraus, an wen und auf welches Konto die Erstattung erfolgen solle (Urteil vom 29.1.2016).

Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, für die Verzinsung des Erstattungsanspruchs könne weder auf das Eingangsdatum des Statusfeststellungsantrags vom 31.8.2005 noch auf den Widerspruch des Klägers vom 5.12.2005 gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.11.2005 abgestellt werden, da das Verwaltungsverfahren zur Erstattung von Beiträgen ein gesondertes Verfahren sei, das nicht durch den Statusfeststellungsantrag oder den Widerspruch gegen einen Feststellungsbescheid in Gang gesetzt werde. Zwar könne im Einzelfall bei entsprechender Auslegung auch in einem Widerspruch gegen einen Beitragsbescheid oder in einer unter Vorbehalt erfolgten, unfreiwilligen Erfüllung einer Beitragsforderung zugleich ein Erstattungsantrag gesehen werden, der Kläger habe aber keinen Widerspruch gegen einen Beitragsbescheid, sondern gegen einen Statusfeststellungsbescheid erhoben, und er habe auch nicht dargetan, dass die Beiträge unter Vorbehalt gezahlt worden seien (Urteil vom 23.10.2019).

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht hinreichend dargelegt.

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Die Beschwerdebegründung muss daher erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger hat weder sich widersprechende Rechtssätze noch aufgezeigt, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG oder des BVerfG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch in Frage gestellt hätte. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, weil sich das LSG über die Rechtsprechung des BSG (angegeben werden hier die Urteile des BSG vom 26.6.1986 - 2 RU 25/85 - , vom 16.4.1985 - 12 RK 19/83 - sowie vom 5.3.2014 - B 12 R 1/12 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 3) hinweggesetzt habe, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18). Mit seinen Ausführungen, dass bereits aus seinem Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status hervorgehe, dass gerade keine freiwilligen Beiträge geleistet werden sollten, rügt der Kläger aber im Kern lediglich die Unrichtigkeit der vorliegenden Entscheidung des LSG im Einzelfall, ohne abweichende Rechtsgrundsätze herauszustellen.

Unabhängig davon ergibt sich bezüglich der zitierten Entscheidungen des BSG vom 26.6.1986 ( 2 RU 25/85 - juris) und vom 16.4.1985 ( 12 RK 19/83 - SozR 2100 § 27 Nr 3) auch nicht die Entscheidungserheblichkeit im vorliegenden Fall, da nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist 163 SGG ), weder ein Widerspruch gegen einen Beitragsbescheid vorliegt noch Anhaltspunkte für eine unter Vorbehalt erfolgte unfreiwillige Erfüllung der Beitragsforderung. Das zitierte Urteil des LSG München (vom 10.9.2015 - L 1 LW 11/14) vermag die Zulassung der Revision wegen einer Divergenz ebenfalls nicht zu begründen. Vielmehr setzt § 160 Abs 2 Nr 2 SGG für die Zulassung der Revision eine Abweichung von einer Entscheidung eines der dort aufgeführten Bundesgerichte voraus.

2. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und es ist der Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt ( BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

"ob auch in dem Antrag auf Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens oder in der Einlegung des Widerspruchs wegen der Nicht-Anerkennung eines nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ein Erstattungsantrag im Sinne von § 27 SGB IV gesehen werden kann."

Es kann offenbleiben, ob diese Frage die Anforderungen an die Darlegung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts 162 SGG ) mit höherrangigem Recht (vgl allgemein BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) erfüllt, denn jedenfalls ist die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargelegt.

Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben ( BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN).

Zwar zitiert der Kläger umfangreich aus der Entscheidung des BSG vom 5.3.2014 (B 12 R 1/12 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 3), er zieht daraus aber lediglich den Schluss, das LSG verkenne, dass das BSG die Möglichkeit eines Zinsanspruchs nicht grundsätzlich ausschließe und verweist auf die Möglichkeit einer Verzinsung aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Damit ist aber nicht dargelegt, ob bzw inwiefern die aufgeworfene Frage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist. Auch der Schritt, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll, ergibt sich daraus nicht. Gerade wenn das BSG in seiner Rechtsprechung - wie der Kläger geltend macht - nicht grundsätzlich ausschließt, dass der Erstattungsantrag bereits in dem Statusfeststellungsantrag oder dem Widerspruch gegen den Statusbescheid liegen kann, ist die Rechtsfrage grundsätzlich hinreichend geklärt, und ihre Beantwortung hängt dann von den jeweiligen Einzelfallumständen ab. Sollte das LSG die Einzelfallumstände vorliegend nicht hinreichend gewürdigt haben, ergibt sich daraus keine grundsätzliche Bedeutung.

Zudem fehlt es an der hinreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit, weil weiterhin die Frage der Vollständigkeit des Antrags unklar bleibt. Der Beginn des Verzinsungsanspruchs ist nach § 27 Abs 1 SGB IV ausdrücklich an das Vorliegen eines "vollständigen Erstattungsantrags" gebunden. Sowohl nach den Bescheiden der Beklagten als auch nach dem erstinstanzlichen Urteil fehlt es am Vorliegen dieser Voraussetzung. Das LSG hat die Frage ausdrücklich offengelassen, weil es unter Zugrundelegung seiner Auffassung darauf nicht ankam. Entscheidungserheblich ist die vom Kläger aufgeworfene Frage aber nur dann, wenn der geltend gemachte Zinsanspruch nicht schon deshalb ausscheidet, weil es einem früher vom Kläger geltend gemachten Begehren an der für einen Erstattungsantrag erforderlichen Vollständigkeit fehlt. Hierzu fehlen jegliche Darlegungen.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 23.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 19 R 440/17
Vorinstanz: SG Nürnberg, vom 29.01.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 20 R 287/12