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BSG - Entscheidung vom 24.02.2020

B 12 KR 100/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 24.02.2020 - Aktenzeichen B 12 KR 100/19 B

DRsp Nr. 2020/4366

Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner Ungleichbehandlung mit Rentnern nach dem Fremdrentengesetz Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. Oktober 2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, wird abge lehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem oben bezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

Der im Jahr 1949 geborene Kläger war von August 1981 bis März 2007 und ist seit Juli 2012 bei der beklagten Krankenkasse krankenversichert. In der Zwischenzeit war er privat krankenversichert. Die Beklagte lehnte die Feststellung der Mitgliedschaft in der KVdR ab Rentenantragstellung im September 2014 ab, weil die Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei (Bescheid vom 15.10.2014, Widerspruchsbescheid vom 14.4.2015).

Dagegen hat sich der Kläger mit der Begründung gewendet, ihm stehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf Berücksichtigung von Vorversicherungszeiten von 2007 bis 2012 zu. Die Beklagte habe es zu Unrecht abgelehnt, ihn während seines Aufenthalts in Rumänien von 2007 bis 2012 weiter zu versichern. Er habe sich nur deshalb privat versichert. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Der Kläger erfülle die notwendige Vorversicherungszeit nicht. Deren Fehlen lasse sich nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herstellen (Urteil des SG Frankfurt am Main vom 26.7.2018, Beschluss des Hessischen LSG vom 28.10.2019).

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beantragt.

II

1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem BSG PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung - hier die Nichtzulassungsbeschwerde - hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es.

2. Die in der Beschwerdebegründung vom 22.1.2020 geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und eines Verfahrens- mangels 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) sind nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet. Die Beschwerde genügt nicht den Begründungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG und ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.

a) Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger wirft in seiner Beschwerdebegründung folgende Fragen auf:

"1) Ist es mit Art. 3 I GG und Art. 6 I GG vereinbar, dass der Kläger/Beschwerdeführer für den Zeitraum ab Rentenbeginn nicht sofort in die Krankenversicherung der Rentner/innen eingestuft wurde, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.

2) Ist die fehlende inzidente Prüfung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs trotz Antrag der Klägerin als vorgreifliches Rechtsverhältnis verfahrensfehlerhaft und verstößt somit gegen Art. 19 IV GG ."

aa) Mit der ersten Frage hat der Kläger schon keine abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert. Er fragt vielmehr nach der korrekten Anwendung der Vorschriften über die Versicherungspflicht in der KVdR in seinem konkreten Einzelfall. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr mwN). Das gilt auch für Beschlüsse nach § 153 Abs 4 SGG .

Es fehlt auch an einer hinreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit. Hierzu wäre darzustellen gewesen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist. Der Kläger unterstellt in seiner Frage, dass die Vorversicherungszeit in der KVdR vorliege und fragt dann nach der Verfassungsmäßigkeit der trotzdem durch die Beklagte verfügten Ablehnung dieser Pflichtversicherung. Zugleich wird aber ersichtlich, dass das LSG das Vorliegen der Vorversicherungszeit in seiner mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung gerade verneint hat.

Selbst unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens, mit dem der Kläger seine Ungleichbehandlung mit Rentnern nach dem Fremdrentengesetz rügt, fehlt es an einer hinreichenden Darlegung der Voraussetzungen für eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Wer mit der Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfassungsverstoß geltend macht, darf sich nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Grundrechte beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSG Beschluss vom 8.9.2016 - B 9 V 13/16 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 8.2.2017 - B 13 R 294/16 B - juris RdNr 6). Weder legt der Kläger substantiiert dar, welche Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu welcher anderen Gruppe anders behandelt wird, welche Unterschiede zwischen beiden Gruppen bestehen, noch welcher Art und welchen Gewichts diese Unterschiede sind und inwiefern sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (vgl BVerfG Beschluss vom 7.4.2008 - 1 BvR 1924/07 - SozR 4-2500 § 229 Nr 5 RdNr 30; BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 ua - BVerfGE 126, 400 , 416 = juris RdNr 78 f; BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 17/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 24 RdNr 24, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, mwN). Er geht auch nicht auf die Rechtsprechung des BVerfG zu den Anforderungen an Vorversicherungszeiten in der KVdR ein (zB BVerfG Beschluss vom 15.3.2000 - 1 BvL 16/96 ua - BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42).

bb) Mit der zweiten Frage rügt der Kläger einen Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG und damit im Kern das prozessuale Vorgehen des LSG im konkreten Einzelfall. Zwar können prinzipiell auch verfahrensrechtliche und prozessuale Fragen grundsätzliche Bedeutung haben ( BSG Beschluss vom 15.7.2019 - B 13 R 3/18 B - juris RdNr 12; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 310 ff); auch diesbezüglich muss jedoch die Rechtsfrage so klar formuliert sein, dass deutlich wird, welche Auslegung welchen einfachen Rechts als mit der Verfassung nicht in Einklang stehend erachtet wird. Daran fehlt es hier.

Soweit der Kläger aus der Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sinngemäß eine unmittelbare "Wiedergutmachung" durch die Fiktion von ausreichenden Vorversicherungszeiten ohne nachträgliche Durchführung einer freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung ableiten möchte, hat er die Klärungsbedürftigkeit dieser Thematik nicht hinreichend dargelegt. Hierzu hätte er neben der Darstellung des materiell-rechtlichen Regelungsgehalts des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs und insbesondere seiner Rechtsfolgen im Einzelnen ausführen müssen, inwiefern die Rechtsfrage vom BSG bisher nicht entschieden ist bzw sich für die Beantwortung der Frage auch keine ausreichenden Anhaltspunkte in vorliegenden Entscheidungen des BSG finden lassen (vgl zu diesem Erfordernis zB Senatsbeschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - juris RdNr 19). Insbesondere hätte es einer substantiierten Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung bedurft, wonach die aufgrund eines Herstellungsanspruchs begehrte Amtshandlung rechtlich zulässig sein muss und auf die Wiederherstellung des Sozialrechtsverhältnisses gerichtet ist, das ohne die Pflichtverletzung herbeigeführt worden wäre (stRspr, vgl BSG Urteil vom 14.2.1989 - 7 RAr 18/87 - SozR 4100 § 66 Nr 2 S 11 f; vgl BSG Urteil vom 26.4.2005 - B 5 RJ 6/04 R - SozR 4-2600 § 4 Nr 2 RdNr 21).

b) Die zweite Frage ist auch nicht als Verfahrensrüge gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG zulässig gestellt. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen vorgetragen und dargelegt werden, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann ( BSG Beschluss vom 10.12.2019 - B 3 P 1/19 B - juris RdNr 12 mwN). Im Rahmen einer Verfahrensrüge kann keine inhaltliche Überprüfung der Entscheidung erfolgen. Die Nichtberücksichtigung eines materiell-rechtlichen Anspruchs betrifft lediglich die Rechtsanwendung des LSG (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGG , 1. Aufl 2017, § 160a RdNr 160 mwN). So verhält es sich hier. Wenn der Kläger die materielle Rechtsauffassung des LSG zur Erforderlichkeit der Durchführung einer freiwilligen Krankenversicherung für falsch hält, wird damit ein Verfahrensmangel nicht bezeichnet.

Soweit er damit geltend macht, das LSG habe seinen Vortrag nicht hinreichend berücksichtigt, genügen seine Ausführungen auch nicht den Anforderungen an eine Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Dieses Recht gebietet nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet sie aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, ihn also zu "erhören" (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN).

3. Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beanspruchen (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 28.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 8 KR 628/18
Vorinstanz: SG Frankfurt am Main, vom 26.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 14 KR 212/15