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BSG - Entscheidung vom 13.08.2020

B 1 KR 23/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 62
GG Art. 103 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 13.08.2020 - Aktenzeichen B 1 KR 23/20 B

DRsp Nr. 2020/14722

Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Verletzung des rechtlichen Gehörs

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 16. Dezember 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4246,20 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 62 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I

Die Klägerin ist Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses. Sie behandelte den 1982 geborenen, bei der beklagten Krankenkasse versicherten L (im Folgenden: Versicherter) vom 4. bis 26.11.2012 stationär. Dem lag eine vertragsärztliche Verordnung mit der Diagnose: Atopisches Ekzem - therapierefraktär (auch als Neurodermitis-Erkrankung bezeichnet) zugrunde. Die Klägerin berechnete insgesamt 3946,20 Euro. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, verrechnete den Zahlungsbetrag später jedoch mit unstreitigen Forderungen der Klägerin. Die Aufnahme in eine stationäre Behandlung sei nicht notwendig gewesen. Das SG hat die Beklagte zur Zahlung von 4246,20 Euro (Rechnungsbetrag zuzüglich Aufwandspauschale) verurteilt (Urteil vom 28.8.2015). Das LSG hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die stationäre Behandlung des Versicherten sei nicht individuell erforderlich gewesen (Urteil vom 16.12.2019).

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Die Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des hier allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensfehlers 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

1. Der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur unter zusätzlichen Voraussetzungen gestützt werden 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ). Mit Blick auf § 160a Abs 2 Satz 3 SGG sind die Umstände zu bezeichnen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § Nr 36). Wer - wie hier die Klägerin - die Verletzung des rechtlichen Gehörs 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG , Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 EMRK ) bzw als gesetzlich ausformulierte Konkretisierung dessen die fehlende Äußerungsmöglichkeit zu Tatsachen und Beweisergebnissen 128 Abs 2 SGG ) rügt, muss ausführen, welchen erheblichen Vortrag das Gericht bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat, welches Vorbringen des Rechtsuchenden dadurch verhindert worden ist und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruht (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36; BSG vom 10.3.2011 - B 1 KR 134/10 B - juris RdNr 6 mwN). Jedenfalls an Letzterem fehlt es.

Die Klägerin macht - über viele Seiten ihres Beschwerdebegründungsschriftsatzes hinweg - mit beiden Verfahrensrügen (S 24 und S 51 des Schriftsatzes vom 18.5.2020) im Kern geltend, dass das LSG auf Grundlage verschiedener wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu der medizinischen Einschätzung gelangt sei, dass bei dem behandelten Versicherten eine nur mittelschwere Neurodermitis vorgelegen habe. Es habe hierbei eigene medizinische Wertungen vorgenommen, ohne dass sie (die Klägerin) sich hierzu habe äußern können und ohne dass das LSG dargelegt habe, worauf es seine hierfür erforderliche Sachkunde stütze. Auch die Gutachter hätten darauf nicht Bezug genommen oder nehmen können. Dies stelle eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und überdies eine Überraschungsentscheidung dar, weil sie (die Klägerin) mit der Auswertung dieser Veröffentlichungen nicht habe rechnen müssen. Auch gehe das LSG unter Verstoß gegen § 128 Abs 2 SGG zu Unrecht davon aus, dass der Sachverständige Prof. Dr. W. den von ihm bejahten Schweregrad im Rahmen des diagnostischen Index SCORAD (Severity Scoring of Atopic Dermatitis) 2012 nicht belegt habe.

Die Klägerin legt nicht schlüssig dar, dass die vom LSG getroffene Entscheidung auf dieser Verwertung wissenschaftlicher Beiträge zur Klassifikation der Neurodermitis auch beruhe. Dazu hätte jedoch Anlass bestanden, weil das LSG seine Entscheidung - unabhängig von der Frage nach der Schwere der Neurodermitiserkrankung - maßgeblich allein auf die fehlende Ausschöpfung noch möglicher ambulanter Therapiemethoden gestützt hat. Das LSG führt zur Begründung seiner Entscheidung zwar auch aus, dass aus seiner Sicht - anders als aus Sicht der Gutachter - beim Versicherten keine schwere, sondern nur eine mittelgradige atopische Dermatitis vorgelegen habe. Zur Begründung zieht es wissenschaftliche Veröffentlichungen heran, auf deren Verwertung das Beschwerdevorbringen zielt. Dieses Fazit ist indes kein tragender Grund für das Ergebnis einer fehlenden Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung. Das LSG hat vielmehr unabhängig davon ausgeführt, dass es bei einer - wie bei der Neurodermitis - nicht generell erforderlichen stationären Behandlung nach Überzeugung des Senats erforderlich sei, dass zuvor eine kontinuierliche erfolglose ambulante Behandlung unter Ausschöpfung etablierter Therapien durchgeführt worden sei. Der Versicherte sei hier jedoch nicht austherapiert gewesen. Mit dieser - aus sich heraus tragenden - Begründung für die fehlende Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Weshalb die getroffene Entscheidung auf einer möglichen Verletzung rechtlichen Gehörs bei Klassifikation des Schweregrads der Neurodermitis beruhe, zeigt die Klägerin daher nicht auf. Der erkennende Senat ist an die Feststellung des LSG, dass ambulante Therapiemöglichkeiten nicht ausgeschöpft worden seien, gebunden, da die Klägerin sie nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen hat 163 SGG ).

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO , diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Thüringen, vom 16.12.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 6 KR 194/16
Vorinstanz: SG Meiningen, vom 28.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 22 KR 2385/13