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BSG - Entscheidung vom 08.04.2020

B 13 R 39/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 08.04.2020 - Aktenzeichen B 13 R 39/19 B

DRsp Nr. 2020/6504

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Januar 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 ;

Gründe

I

Mit Beschluss vom 7.1.2019 hat das Bayerische LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht als Verfahrensfehler 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) allein einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht gemäß § 103 SGG geltend.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 5.3.2019 genügt nicht der gesetzlichen Form, denn die Klägerin hat den geltend gemachten Zulassungsgrund nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet.

Die Klägerin rügt eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes 103 SGG ) durch das Berufungsgericht. Eine solche Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; Senatsbeschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - juris RdNr 6 mwN).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Aus der Beschwerdegründung ergeben sich bereits weder welcher Lebenssachverhalt noch welches Begehren der Klägerin der Entscheidung des LSG zugrunde liegen. Selbst wenn der Senat nach dem Vortrag der Klägerin in seiner Gesamtheit annimmt, es stehe eine Rente wegen Erwerbsminderung im Streit, mangelt es mit Blick auf eine hinreichende Beschwerdebegründung jedoch an Darlegungen der Klägerin dazu, dass sie im Berufungsverfahren einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG gestellt habe.

Zur Darlegung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags muss nicht nur die Stellung eines Antrags selbst, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 bzw § 373 ZPO ) und mit welchem Ziel Beweis erhoben werden sollte und dass es sich damit seinem Inhalt nach nicht nur um eine Beweisanregung gehandelt hat (Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Denn anders als eine Beweisanregung hat nur ein echter Beweisantrag die Warnfunktion, die es rechtfertigt, einen Revisionszulassungsgrund anzunehmen, wenn das LSG dem Antrag zu Unrecht nicht gefolgt ist (vgl BSG Beschluss vom 24.5.1993 - 9 BV 26/93 - SozR 3-1500 § 160 Nr 9; BSG Beschluss vom 5.3.2002 - B 13 RJ 193/01 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 35). Der Beweisantrag im Rentenverfahren muss sich deshalb möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen. Je mehr Aussagen von Sachverständigen oder sachverständigen Zeugen zum Beweisthema bereits vorliegen, desto genauer muss der Beweisantragsteller auf mögliche Unterschiede und Differenzierungen eingehen (vgl hierzu Fichte, SGb 2000, 653 , 656). Im Rahmen eines Rentenverfahrens darf es dabei nicht nur auf eine andere Diagnosestellung ankommen, sondern es muss vielmehr der negative Einfluss von weiteren, dauerhaften Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen behauptet und möglichst genau dargetan werden (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6; s auch BSG Beschluss vom 5.11.2019 - B 13 R 40/18 B - juris RdNr 7).

Mit dem von der Klägerin als Beweisantrag bezeichneten Vorbringen, sie habe die "Einvernahme des behandelnden Arztes, Herrn D. …" begehrt - für das sie schon keinen Schriftsatz benennt, mit dem ein solcher Antrag gestellt worden sein soll - bleibt unbestimmt, zu welchen konkreten Tatsachen eine erneute Aufklärung durch einen Arzt welcher Fachrichtung eingeholt werden sollte. Ein zur Zulassung der Revision führender Beweisantrag kann aber bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nur ein solcher sein, der das Beweisthema konkret angibt und insoweit wenigstens umreißt, was die Beweisaufnahme ergeben soll (Leitherer in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18a mwN). Soweit die Klägerin ausführt, sie habe mit Schriftsatz vom 13.9.2018 mitgeteilt, dass die Sehne ihrer linken Schulter beinahe vollständig zu verschleißen (drohe) und die Rotatorenmanschette links mit allerWahrscheinlichkeit eingerissen sei, reicht dies nicht aus. Denn sie legt nicht dar, auf welchen Vortrag sie sich bei der Beweisantragstellung im Einzelnen bezogen hat. Gerade weil auf diesen Vortrag hin offensichtlich Befundunterlagen von Dr. D. eingeholt worden sind, wären eine Konkretisierung des Beweisthemas und des Beweismittels erforderlich gewesen; dass dies erfolgt wäre, legt die Klägerin nicht dar. Allein das Verlangen nach Einvernahme eines Arztes von Amts wegen reicht insoweit nicht aus, um der Warnfunktion des Beweisantrags gegenüber dem LSG gerecht zu werden (vgl Senatsbeschluss vom 7.2.2017 - B 13 R 389/16 B - juris RdNr 5). Letztlich kritisiert die Klägerin auch nur, dass das LSG, außer dem sozialärztlichen Dienst der Beklagten, die beigezogenen Unterlagen nicht von sich aus - also von Amts wegen - den bereits im Verfahren tätig gewordenen Sachverständigen zur ergänzenden Stellungnahme vorgelegt habe. Dass sie weitere Ermittlung - über die Einvernahme des Dr. D. hinaus - beantragt habe, wird in der Beschwerdebegründung im Übrigen nicht ausgeführt.

Die weitere Rüge der Klägerin, das LSG habe auf ihren Hinweis vom 6.12.2018, dass sie unter weiteren Erkrankungen leide und insoweit medizinische Unterlagen vorlegen wolle, nicht abgewartet, sondern einen Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG gefasst, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Die Klägerin bringt im Einzelnen vor, die entsprechenden medizinischen Unterlagen bis Ende Dezember 2018 angekündigt zu haben. Wegen einer Absage des Arztes habe sie sie allerdings nicht erhalten. Das LSG habe dann, ohne erneute Fristsetzung zur Vorlage der angekündigten Unterlagen, durch Beschluss am 7.1.2019 entschieden.

Auch mit diesem Vorbringen hat die Klägerin den von ihr ausdrücklich bezeichneten Verstoß des LSG gegen seine Sachaufklärungspflicht nicht hinreichend dargebracht. Allein die mangelnde Reaktion des LSG auf die nicht zeitgerechte "Vorlage" von angekündigten medizinischen Unterlagen begründet keinen Verfahrensfehler wegen unterlassener Amtsermittlung nach § 103 SGG . Im Hinblick auf die oben schon beschriebene Warnfunktion des Beweisantrags genügt das Vorbringen einer solchen Ankündigung ohne Folgen - die Klägerin hat auch nicht mitgeteilt, sie habe das LSG darüber informiert, dass sie die Unterlagen nicht erhalten habe oder sie zu einem späteren Zeitpunkt übersenden werde - jedenfalls nicht den Darlegungserfordernissen für einen solchen Verfahrensfehler. Ebenso wenig ist der Vortrag geeignet die Annahme einer Verpflichtung des LSG zu begründen, es hätte bei der Klägerin wegen der angekündigten Unterlagen nachfragen und die ggf später eintreffenden - nicht genau bezeichneten - Befunde den Sachverständigen vorlegen oder ergänzend ein Gutachten einzuholen müssen.

Auf einen Verstoß gegen die Grundsätze des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens nach § 62 SGG iVm Art 103 GG (vgl BSG vom 20.11.2003 - B 13 RJ 38/03 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 1 sowie vom 25.5.2011 - B 12 KR 81/10 B) beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht. Unabhängig davon ließe sich aufgrund ihrer Darlegungen auch nicht nachvollziehen, wie der genaue Verfahrensgang gewesen ist; wann eine Anhörung durch das LSG zu einer Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ehrenamtliche Richter erfolgt, was daraufhin von den Beteiligten vorgebracht worden ist und wie das LSG darauf reagiert hat. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts sich die maßgeblichen Umstände aus den Akten selbst zusammenzusuchen (s nur BSG Beschluss vom 1.8.2019 - B 13 R 283/18 B - juris RdNr 17).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 07.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 14 R 471/18
Vorinstanz: SG Regensburg, vom 18.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 3 R 561/16