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BSG - Entscheidung vom 05.02.2020

B 4 AS 5/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 05.02.2020 - Aktenzeichen B 4 AS 5/20 B

DRsp Nr. 2020/4188

Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Unbeachteter Beweisantrag

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. April 2019 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin F. aus D. beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin den von ihr allein geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, nicht in der gebotenen Weise bezeichnet hat 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG , § 169 SGG ).

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; s bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § Nr 36).

Die Beschwerdebegründung der Klägerin, die sich in der Sache gegen die Ablehnung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1.7.2015 bis 30.12.2015 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit wendet, wird diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Sie rügt zunächst eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil das LSG einen Bevollmächtigten nach § 73 Abs 3 Satz 1 SGG zurückgewiesen hatte. Dies sei ihr nicht rechtzeitig angekündigt worden und sie sei auch nicht befragt worden, ob sie einen Vertagungsantrag stellen wolle. Hierzu fehlen nachvollziehbare Ausführungen zu den Gründen, aus denen es ihr in dem Zeitraum zwischen dem Zugang des Beschlusses am 31.10.2018 und dem Verhandlungstermin am 9.4.2019, zu dem sie rechtzeitig geladen wurde, nicht möglich gewesen sein soll, einen neuen Bevollmächtigten zu beauftragen. Ebenso wenig erschließt sich, warum die Klägerin bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage gewesen sein will, ohne besonderen Hinweis einen Vertagungsantrag zu stellen und aus welchen Gründen diesem hätte entsprochen werden sollen.

Was ihren Beistand im Verhandlungstermin betrifft macht die Klägerin schon nicht geltend, dass dieser vom LSG zurückgewiesen wurde. Sie behauptet zwar, der Beistand hätte im Verhandlungstermin keine Ausführungen tätigen dürfen, belegt dies aber nicht schlüssig, sondern nur durch die Vorlage einer zum übrigen Vorbringen in der Beschwerdebegründung teilweise im Widerspruch stehenden schriftlichen Erklärung. In dieser heißt es ua unzutreffend, der Beistand sei nicht zugelassen worden. Aus der Sitzungsniederschrift, auf die die Klägerin Bezug nimmt, ergibt sich indes, dass sie mit Beistand erschienen ist, und Hinweise auf Beschränkungen der Äußerungsbefugnis des Beistandes fehlen. Dass § 73 Abs 7 SGG Beschränkungen grundsätzlich zulässt, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

Soweit die Klägerin vorträgt, die Entscheidung des LSG sei für sie überraschend gewesen, ist auch dies nicht ausreichend dargelegt. Eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Urteil auf Gesichtspunkte gestützt wird, die bisher nicht erörtert worden sind, und dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (stRspr; vgl etwa BVerfG vom 1.8.2017 - 2 BvR 3068/14 - NJW 2017, 3218 ff, 3219; BSG vom 22.4.2015 - B 3 P 8/13 R - BSGE 118, 239 = SozR 4-3300 § 23 Nr 7, RdNr 37; BSG vom 13.3.2018 - B 11 AL 19/17 B - juris RdNr 9; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 62 RdNr 8b). Der Verfahrensmangel einer Überraschungsentscheidung ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt (zu den Anforderungen vgl etwa BSG vom 7.6.2016 - B 13 R 40/16 B - juris RdNr 9). Vorliegend ergibt sich aus der Beschwerdebegründung, dass die Berücksichtigung von Vermögen im gesamten Verfahrensverlauf von Bedeutung gewesen ist und in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde. Warum für die Klägerin vor diesem Hintergrund die Verneinung der Hilfebedürftigkeit aus diesem Grund überraschend gewesen sein soll, bleibt offen.

Die verfahrensfehlerhafte Verletzung der Aufklärungspflicht durch das LSG ist schon deshalb nicht ausreichend bezeichnet, weil die Klägerin - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat und sich auch aus der Beschwerdebegründung nicht entnehmen lässt, aus welchen Erklärungen der Klägerin sich wenigstens sinngemäß ergeben sollte, über welche konkreten Umstände durch welche Beweismittel im Einzelnen weiter Beweis hätte erhoben werden müssen.

Schließlich ist auch mit dem Vorbringen der Klägerin in ihrer noch fristgerechten "Beschwerde- Teilbegründung 2", eine Akteneinsicht durch Übersendung der Akten sei unterbleiben, kein Verfahrensfehler in der gebotenen Weise gerügt. Denn die Beschwerde führt aus, dass Akteneinsicht in den Geschäftsräumen des LSG erfolgt ist, und macht nicht deutlich, warum dies unzureichend gewesen sein soll.

Weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO ), ist der Klägerin auch keine PKH zu bewilligen. Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 09.04.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 2 AS 1119/18
Vorinstanz: SG Düsseldorf, vom 23.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 40 AS 189/17