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BSG - Entscheidung vom 05.08.2020

B 12 KR 4/20 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 158

BSG, Beschluss vom 05.08.2020 - Aktenzeichen B 12 KR 4/20 BH

DRsp Nr. 2020/13687

Teilweise Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2020 ( L 16 KR 79/20) Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 158 ;

Gründe

I

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Nichtzulassungsbeschwerde. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die teilweise Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen.

Der Kläger war in der Zeit vom 2.4.2012 bis 31.10.2013 während seines juristischen Vorbereitungsdienstes am Oberlandesgericht bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Die im Jahr 2016 beantragte teilweise Erstattung von Beiträgen zur Krankenversicherung, die der Kläger mit der Anwendbarkeit des ermäßigten Beitragssatzes nach § 243 SGB V begründete, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 20.9.2016, Widerspruchsbescheid vom 16.1.2017).

Die auf Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der Beiträge und zur Weitergabe der Information darüber an die für den Kläger zuständige Personalstelle und die später zuständigen Krankenkassen gerichtete Klage ist erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid vom 26.3.2019). Auf Antrag des Klägers hat das SG in dessen Anwesenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. In der dem klageabweisenden Urteil (vom 28.6.2019, zugestellt am 1.8.2019) beigefügten Rechtsmittelbelehrung hat es auf die Möglichkeit der Berufung hingewiesen.

Das LSG hat die Berufung als unzulässig verworfen. In der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung des SG liege keine Zulassung der Berufung. Der Wert des Beschwerdegegenstands betrage 51,21 Euro. Die vom Kläger als zu hoch angesehenen Beiträge seien zwar für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erhoben worden. Es werde aber um eine einmalige Beitragserstattung gestritten, die nicht als wiederkehrende Leistung einzuordnen sei. Das Informationsbegehren habe keinen darüber hinausgehenden Wert. Es handele sich um eine Dienstleistung, deren Gegenstandswert demjenigen des Erstattungsbegehrens entspreche (Beschluss vom 11.5.2020).

Der Kläger beantragt mit von ihm selbst verfassten, beim BSG am 25.5.2020 eingegangenem Schreiben PKH für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Beschluss des LSG. Er macht geltend, das LSG habe den Wert des Antrags auf Weitergabe der Information über die Beitragserstattung unrichtig ermittelt. Es gehe in der Sache darum, dass er bei einer Versicherung ohne Anspruch auf Krankengeld von seinem Dienstherrn Fortzahlung der Unterhaltsbeihilfe und nach seinem Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) erreichen und damit eine Lücke in seinem Rentenversicherungskonto vermeiden könne. Das sei mehr wert als 51,21 Euro. Das LSG sei vom Urteil des BSG vom 25.8.2004 ( B 12 KR 22/02 R - SozR 4-2500 § 243 Nr 1) abgewichen. Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, es gehe um die Frage, ob ein Referendar bei Krankheit in der GRV abgesichert sein solle.

II

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.

Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.

Das BSG darf nach § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamens Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).

Das Vorbringen des Klägers und die Durchsicht der Akten haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der vorgenannten Gründe ergeben. Es ist nicht ersichtlich, dass ein beizuordnender Prozessbevollmächtigter einen der genannten Zulassungsgründe im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde mit Erfolg geltend machen könnte.

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Eine solche Rechtsfrage ist vorliegend nicht ersichtlich.

Mit dem vom Kläger in den Vordergrund gestellten Aspekt der Rentenversicherungspflicht von Referendaren mit Unterhaltsbeitrag während des Bezugs von Krankengeld kann eine grundsätzliche Bedeutung nicht zulässig begründet werden. Es ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für die Klärungsfähigkeit dieser Frage im angestrebten Revisionsverfahren. Eine Klärungsfähigkeit ist nur anzunehmen, wenn das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist. Dies ist auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen, weshalb sich diese Zulässigkeitsvoraussetzung aus den im angegriffenen Beschluss mit Bindungswirkung für das BSG 163 SGG ) festgestellten Tatsachen ergeben muss. Daran fehlt es hier. Die Berufung war bereits wegen fehlender Erreichung des Werts des Beschwerdegegenstands von mehr als 750 Euro unzulässig (dazu unten 3.). Im Übrigen wäre die aufgeworfene Frage auch bei Zulässigkeit der Berufung nicht klärungsfähig. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur die Beitragserstattung und die Information anderer Krankenkassen und der Personalstelle darüber gewesen, nicht aber die (nachträgliche) Berücksichtigung von rentenversicherungsrechtlichen Zeiten während des Krankengeldbezugs, die nachträgliche Abführung von Rentenversicherungsbeiträgen auf das in der Vergangenheit gewährte Krankengeld oder der Anspruch des Klägers gegen seinen am Rechtsstreit nicht beteiligten Dienstgeber auf Nachversicherung in der GRV.

2. Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer (anderen) Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Eine solche Abweichung ist hier nicht ersichtlich. Soweit der Kläger geltend macht, das LSG sei von der Entscheidung des BSG vom 25.8.2004 ( B 12 KR 22/02 R - SozR 4-2500 § 243 Nr 1) abgewichen, kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf schon deshalb nicht gestützt werden, weil das LSG über die Richtigkeit der Ablehnung der Beitragserstattung, die Gegenstand des zitierten Urteils des BSG war, nicht entschieden hat.

3. Es ist auch nicht erkennbar, dass gegen die Entscheidung des LSG durchgreifende Verfahrensrügen erhoben werden könnten. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der mündlichen Verhandlung durch die Entscheidung durch Beschluss nach § 158 SGG ist ebenso wenig erkennbar wie ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter (vgl BSG Urteil vom 8.10.2019 - B 12 KR 8/19 R - SozR 4-1500 § 153 Nr 18, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Weder ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass das SG die Berufung zugelassen hat und das LSG an diese Zulassung gebunden war, noch dafür, dass das LSG zu Unrecht von der fehlenden Statthaftigkeit der Berufung ausgegangen ist. Vielmehr ist das LSG zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass in der schlichten Anfügung einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung an ein Urteil keine Zulassungsentscheidung gesehen werden kann (vgl BSG Beschluss vom 2.6.2004 - B 7 AL 10/04 B - juris; BSG Beschluss vom 6.10.2011 - B 9 SB 45/11 B - SozR 4-1500 § 144 Nr 7 RdNr 12; BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R - juris RdNr 17, jeweils mwN). Soweit das LSG von der Unzulässigkeit der Berufung wegen des fehlenden Erreichens des Beschwerdewerts von mehr als 750 Euro ausgegangen ist 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG ) und auch die Tatbestandsvoraussetzung "wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr" 144 Abs 1 Satz 2 SGG ) verneint hat, ergibt sich daraus kein Hinweis auf einen Verfahrensfehler. Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Urteil vom 14.8.2008 - B 5 R 39/07 R - SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 10 mwN). Auch das vom LSG zutreffend als Dienstleistung eingeordnete weitere Begehren das Klägers, dass die Personalstelle und die später gewählten Krankenkassen von der Beitragserstattung in Kenntnis gesetzt werden, erhöht den Gegenstandswert der Berufung nicht. Entscheidend für die Bestimmung des Gegenstandswerts sind allein die mit dem Streitgegenstand unmittelbar verknüpften Interessen (vgl BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R - juris RdNr 15). Beide Anträge des Klägers sind wirtschaftlich auf dasselbe Interesse gerichtet. Die begehrte Weitergabe der Information dokumentiert lediglich die Tatsache der Beitragserstattung und deren Höhe gegenüber Dritten, ihr Wert erschöpft sich damit in der Beitragserstattung. Soweit der Kläger das Fernziel der Berücksichtigung des Krankengeldbezugs in seinem Rentenversicherungskonto erwähnt, ist dieses nicht mit dem Streitwert unmittelbar verknüpft, sondern ist allenfalls mittelbare Folge des Rechtsstreits, bestimmt deshalb den Wert des Beschwerdegegenstands nicht.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 11.05.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 16 KR 79/20
Vorinstanz: SG Münster, vom 28.06.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 6 KR 94/17