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BSG - Entscheidung vom 04.05.2020

B 12 R 41/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB IV § 7a Abs. 1

BSG, Beschluss vom 04.05.2020 - Aktenzeichen B 12 R 41/19 B

DRsp Nr. 2020/8295

Sozialversicherungsrechtlicher Status für eine Tätigkeit als Instruktor und Trainer sowie Präzisionsfahrer Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. September 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB IV § 7a Abs. 1 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers in seiner Tätigkeit als Instruktor, Trainer und Präzisionsfahrer bei der klagenden und die Beschwerde führenden GmbH.

Die Klägerin ist ein Unternehmen der BMW Gruppe. Der Kläger ist als Student in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Er führte ab 22.6.2015 für die Klägerin Fahrsicherheitstraining auf der Grundlage eines Vertrags als freier Mitarbeiter als sog. Instruktor und Trainer durch und war als Präzisionsfahrer für sie tätig. Auf den Statusfeststellungsantrag stellte die beklagte DRV Bund fest, dass der Kläger in dieser Tätigkeit für die beschwerdeführende GmbH versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sei. In den übrigen Zweigen der Sozialversicherung bestehe als Student Versicherungsfreiheit (Bescheide vom 10.8.2016, Widerspruchsbescheide vom 5.4.2017). Die dagegen gerichteten Klagen und Berufungen sind erfolglos geblieben (Urteil des SG München vom 9.8.2016, Urteil des Bayerischen LSG vom 24.9.2019, Berichtigungsbeschluss vom 29.11.2019). Die Gesamtabwägung spreche für eine abhängige Beschäftigung. Der Kläger habe zunächst Schulungen der Klägerin absolvieren müssen, führe das Training ausschließlich auf deren Gelände durch, habe die Leitlinien aus dem Instruktorenhandbuch zu beachten und sich "markenkonform" zu verhalten, erbringe seine Leistung gegenüber den Kunden der Klägerin und erhalte eine Tagespauschale, die in ihrer Höhe nach Stunden gestaffelt sei und damit einem Stundenlohn sehr nahe komme. Er sei in den Betriebsablauf der Klägerin eingegliedert.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat weder sich widersprechende Rechtssätze noch hinreichend aufgezeigt, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch in Frage gestellt hätte. Sie führt aus, das LSG habe "bei der Gesamtschau" gewichtige Argumente für und gegen eine abhängige Beschäftigung gefunden und das Unternehmerrisiko als ausschlaggebend angesehen. Damit weiche das LSG von einem Rechtssatz des BSG im Urteil vom 14.3.2018 ( B 12 KR 3/17 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 33) ab, der die vertraglichen Bestimmungen nur dann als nicht beachtlich ansehe, wenn die tatsächlichen Umstände davon abwichen. Es fehlt insoweit schon an hinreichenden Ausführungen dazu, wie das LSG in einer Abwägung nach einer Gesamtschau der tatsächlichen Umstände im Einzelfall grundsätzlichen Aussagen widersprochen haben soll. Sofern die Klägerin ausführt, der vorliegende Sachverhalt sei mit dem Sachverhalt im genannten Urteil des BSG vergleichbar, macht sie lediglich die Außerachtlassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung geltend. Das kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

Der weitere Vortrag der Klägerin, die Entscheidung des Senats vom 4.6.2019 (B 12 R 11/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 42, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) habe die frühere Rechtsprechung nicht entfallen lassen, sondern weise Besonderheiten auf, ist von vorneherein nicht geeignet, eine Divergenz aufzuzeigen. Soweit die Klägerin auf ein weiteres Urteil des LSG Bezug nimmt, das von einer selbstständigen Tätigkeit eines Präzisionsfahrers und Instruktors ausgehe, behauptet sie wiederum nur die inhaltliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Das gleiche gilt in Bezug auf die Rüge, das LSG habe die Behandlungsspielräume des Klägers nicht ausreichend beachtet, und sich an den Leitlinien sowie der Teilnahme an Kursen orientiert. Auch mit dem Vorbringen, das LSG habe auf den Ort und das Erfordernis eines "markenkonformen" Verhaltens abgestellt, wird jeweils nicht deutlich, welchen abstrakten Rechtssatz das LSG aufgestellt haben und inwiefern es damit von der Rechtsprechung des BSG abgewichen sein soll. Die Wertung der Tagespauschale als Indiz für eine abhängige Beschäftigung betrifft ebenfalls nur die Subsumtion im Einzelfall und ist nicht geeignet, eine Divergenz im Grundsätzlichen zu begründen.

2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin hat die Frage aufgeworfen,

"unter welchen Voraussetzungen eine lehrende Tätigkeit selbstständig oder im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erbracht wird".

Es stelle sich "mithin die Frage der Auslegung von § 7 Abs. 1 SGB IV bei lehrenden Tätigkeiten, namentlich im Rahmen von 'Fahrsicherheitstrainings'".

Damit stellt die Klägerin bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN). Die Klägerin fragt im Kern nach der Anwendung einer Norm auf einen konkreten Sachverhalt ("bei lehrenden Tätigkeiten im Rahmen von Fahrsicherheitstrainings"). Selbst wenn aber eine solche allgemeine, über die Subsumtion des konkreten Einzelfalls unter die Voraussetzungen des § 7 SGB IV hinausgehende Rechtsfrage als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt.

Mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Beurteilung einer Tätigkeit als Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV oder als selbstständige Tätigkeit (vgl ua BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 12/17 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 34; BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30) setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Sie beschränkt sich auf das Zitat von zwei Urteilen des Senats (vom 14.3.2018 - B 12 KR 3/17 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 33 und vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 42, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) ohne zu untersuchen, ob und inwiefern die aufgeworfene Frage anhand dieser Urteile beantwortet werden kann. Das wäre aber angezeigt gewesen, zumal die Klägerin in ihren Ausführungen zur behaupteten Divergenz gerade die Abweichung von diesen Urteilen rügt.

Es fehlen auch Ausführungen zu dem nach der Rechtsprechung des BSG zu bewertenden Gesamtbild der Tätigkeit ( BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 16 mwN) und zu den durch den Senat ( BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30, RdNr 21 mwN, zuletzt BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 42, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 2/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 40) aufgestellten Maßstäben zur Beurteilung von Tätigkeiten mit verfeinertem Weisungsrecht. Das Beschwerdevorbringen, das auch weder die Entscheidung des BSG zum sog "Rackjobbing" ( BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25) noch diejenige zur Erbringung von Leistungen beim Endkunden eines Auftraggebers ( BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 12/17 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 34) in Bezug nimmt, erschöpft sich darin, die Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls durch das LSG zu kritisieren.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 , § 162 Abs 3 VwGO . Beschwerdeführerin ist nur die Klägerin zu 2., die nicht gemäß § 183 SGG kostenprivilegiert ist.

5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 24.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 7 BA 166/18
Vorinstanz: SG München, vom 09.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 56 R 771/17