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BSG - Entscheidung vom 24.02.2020

B 12 KR 61/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 24.02.2020 - Aktenzeichen B 12 KR 61/19 B

DRsp Nr. 2020/6974

Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens darüber, ob der Kläger als Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH vom 27.1.2012 bis 31.12.2017 sozialversicherungspflichtig tätig war.

Der Kläger ist Geschäftsführer der zu 1. beigeladenen GmbH, deren alleinige Gesellschafterin eine GmbH & Co KG ist, deren einzige Komplementärin wiederum die Beigeladene zu 1. ist. Der Kläger war zunächst mit einer Kapitalbeteiligung von 200 000 Euro neben einer weiteren GmbH (100 000 Euro Anteil) Kommanditist dieser GmbH & Co KG. Mit Gesellschaftsvertrag vom 26.1.2012 kamen drei Kommanditisten (250 000, 50 000 und 100 000 Euro Anteile), im Juni 2012 noch ein weiterer Kommanditist hinzu. Die Gesellschaftsverträge sowohl der Beigeladenen zu 1. als auch der GmbH & Co KG sahen jeweils in der Regel die einfache Mehrheit für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vor.

Die Beklagte stellte die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ab 27.1.2012 aufgrund Beschäftigung fest (Statusfeststellungsbescheid vom 21.1.2013, Teilabhilfebescheid vom 30.7.2013, Widerspruchsbescheid vom 8.11.2013). Das SG Lübeck hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 14.1.2016). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ein vom Kläger angenommenes Anerkenntnis für die Zeit ab 1.1.2018 abgegeben, im Übrigen ist die Berufung erfolglos geblieben (Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 27.6.2019). Der Kläger sei als Minderheitsgesellschafter mit 44 vH der Gesellschaftsanteile nicht in der Lage gewesen, seine minderheitsbedingte Weisungsgebundenheit aufzuheben oder abzuschwächen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dargelegt.

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger wirft folgende Frage auf:

"ob § 7 SGB IV so auszulegen ist, dass für einen geschäftsführenden Minderheitsgesellschafter ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis stets dann anzunehmen ist, wenn er nicht über mindestens die Hälfte der Gesellschaftsanteile verfügt bzw. mittels Sperrminorität Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern kann, obwohl eine Vielzahl von Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit wie die Ausübung typischer Arbeitgebertätigkeiten, die faktische Weisungsfreiheit, die Einzelvertretungsbefugnis sowie die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot gegeben sind, und eine Beschlussfassung zu Ungunsten des Geschäftsführer-Gesellschafters faktisch ausgeschlossen ist, weil der Gesellschafter die Gesellschaft durch alleinige Branchenkenntnis und gewährte Darlehen persönlich wie wirtschaftlich dominiert."

Es ist bereits fraglich, ob der Kläger mit der so formulierten Frage nach einer über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsamen Klärung fragt oder nicht vielmehr die Subsumtion des konkreten Einzelfalls unter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 SGB IV durch das LSG beanstandet. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

Die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage - ihre Qualität als Rechtsfrage unterstellt - hat der Kläger nicht den nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG geltenden Anforderungen genügend dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben ( BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Dazu hätte der Kläger konkret auf die zT bereits vom SG und LSG zitierte umfangreiche Rechtsprechung des 12. Senats des BSG zum sozialversicherungsrechtlichen Status von Fremdgeschäftsführern (vgl BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 79; BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35 mwN) und Gesellschafter-Geschäftsführern ( BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 R 5/16 R - juris; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17 <Schönwetter-Selbstständigkeit>; BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24 <kein "Kopf und Seele" im Beitragsrecht>; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - juris <Bedeutung der Mehrheitsverhältnisse>; BSG Urteile vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R - BSGE 120, 59 = SozR 4-2400 § 7 Nr 26 und B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28 <jeweils zu Stimmbindungsverträgen>) eingehen und darlegen müssen, weshalb sich die von ihm formulierte Frage nicht bereits auf Grundlage dieser einschlägigen Rechtsprechung des BSG beantworten lässt. Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich danach bei Geschäftsführern einer GmbH in erster Linie danach, ob der Geschäftsführer nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 18 ff und BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 R 5/16 R - juris RdNr 13 ff). Der Senat hat geklärt, dass die sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs 1 SGB IV nicht heranzuziehen ist, es also nicht darauf ankommt, ob der Geschäftsführer in der Gesellschaft rein faktisch schalten und walten kann ( BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - aaO, RdNr 28 ff; BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28).

Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger darlegen müssen, dass dieser Rechtsprechung keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der von ihm formulierten Frage zu entnehmen seien. Es reicht nicht, wenn der Kläger - wie hier - zwar mehrere einschlägige höchstrichterliche Entscheidungen zitiert und vorträgt, dass sein konkreter Einzelfall bisher nicht entschieden sei bzw sich sein konkreter Einzelfall von den dort entschiedenen Einzelfällen unterscheide. Vielmehr hätte der Kläger sich mit der bisherigen Rechtsprechung auseinandersetzen und darlegen müssen, aus welchen Gründen diese die von ihm aufgeworfene Frage nicht zu beantworten geeignet sei. Daran fehlt es. Aus dem Vortrag des Klägers, er sei die Gesellschaft und der Einzige mit einschlägigem Fachwissen in der Gesellschaft, während in den vom Senat bereits entschiedenen Fällen die familiären Verhältnisse andere gewesen seien, geht nicht hervor, inwiefern dieser Umstand einer Anwendung der in den genannten Entscheidungen aufgestellten Grundsätze entgegenstehen soll.

Schließlich legt der Kläger auch die Klärungsfähigkeit seiner Frage im vorliegenden Rechtsstreit nicht in hinreichender Weise dar. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist. Über die aufgeworfene Rechtsfrage muss das Revisionsgericht konkret-individuell sachlich zu entscheiden haben. Aus diesem Grund ist von einem Beschwerdeführer der nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagende Weg der Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung und damit insbesondere der Schritt darzustellen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht ( BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § Nr 31 S 48). Der Kläger hätte insoweit darlegen müssen, inwiefern es im konkreten Fall auf die Beurteilung der Beschäftigung von Minderheitsgesellschaftern im angestrebten Revisionsverfahren ankommt, obwohl im zugrunde liegenden Rechtsstreit um seinen sozialversicherungsrechtlichen Status in seiner Tätigkeit nur für die zu 1. beigeladene Komplementär-GmbH gestritten wird, an der der Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht beteiligt ist. Der Kläger hätte sich deshalb damit auseinandersetzen müssen, ob die für Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer formulierte Frage für den konkret-individuellen Einzelfall von Bedeutung ist. Der bloße Hinweis auf eine "Komplexgesellschaft" reicht insofern nicht.

Soweit der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung aus verfassungsrechtlichen Gründen geltend macht, fehlt es ebenfalls an der hinreichenden Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung. Wird eine verfassungsrechtliche Frage aufgeworfen, darf sich die Begründung nicht auf die bloße Behauptung der Verletzung einer Norm des GG beschränken. Vielmehr muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG substantiiert ausgeführt werden, woraus sich im konkreten Fall die vermeintliche Verfassungswidrigkeit ergibt (vgl BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN). Daran fehlt es. Der Kläger macht geltend, er sei in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit dadurch beeinträchtigt, dass der Senat in seiner Rechtsprechung zum sozialversicherungsrechtlichen Status von GmbH-Geschäftsführern die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten habe. Der Senat stelle zu schematisch auf Mehrheitsverhältnisse und fehlende Sperrminoritäten ab und lasse eine Einzelfallprüfung nicht zu. Dazu zitiert er eine Entscheidung des BVerfG zur verfassungswidrigen Rechtsfortbildung durch die Gerichte (BVerfG stattgebender Kammerbeschluss vom 31.10.2016 - 1 BvR 871/13, 1 BvR 1833/13 - juris) und vertritt die Auffassung, dass der Senat die Grenzen der Auslegung des § 7 SGB IV überschreite, weil es nach seiner Rechtsprechung nicht auf die Eingliederung des GmbH-Geschäftsführers in die Arbeitsorganisation der GmbH und nicht auf die Weisungsgebundenheit ankomme. Es fehlt auch insofern an jeglicher Auseinandersetzung mit den in der Rechtsprechung des Senats zu den GmbH-Geschäftsführern ausgeführten Grundsätzen zur Weisungsgebundenheit von Fremd- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern gegenüber der Gesellschafterversammlung. Sofern der Kläger insofern vorträgt, es sei offensichtlich, dass er nicht weisungsgebunden sei, rügt er wiederum nur die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall.

Sofern der Kläger eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 GG geltend macht, fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Wer mit der Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfassungsverstoß geltend macht, darf sich nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Grundrechte beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSG Beschluss vom 8.9.2016 - B 9 V 13/16 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 8.2.2017 - B 13 R 294/16 B - juris RdNr 6). Bei der Rüge der Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist deshalb darzulegen, welche Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu welcher anderen Gruppe anders behandelt wird, welche Unterschiede zwischen beiden Gruppen bestehen sowie welcher Art und welchen Gewichts diese Unterschiede sind und inwiefern sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (vgl BVerfG Beschluss vom 7.4.2008 - 1 BvR 1924/07 - SozR 4-2500 § 229 Nr 5 RdNr 30; BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400 , 416 = juris RdNr 78 f; Senatsurteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 17/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 24 RdNr 24 mwN). Der Kläger legt schon keine Vergleichsgruppen dar, sein Vortrag beschränkt sich darauf, mit Arbeitnehmern auf eine Stufe gestellt zu werden. Er benennt weder seine eigene Vergleichsgruppe noch Unterschiede oder deren Art und Gewicht.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Schleswig-Holstein, vom 27.06.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 64/16
Vorinstanz: SG Lübeck, vom 14.01.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 3 KR 49/14