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BSG - Entscheidung vom 22.09.2020

B 5 R 151/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 22.09.2020 - Aktenzeichen B 5 R 151/20 B

DRsp Nr. 2020/15769

Rentenrechtliche Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I

Mit Urteil vom 19.2.2020 hat das LSG Nordrhein-Westfalen einen Anspruch des Klägers auf Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten verneint und seine Berufung gegen das Urteil des SG Köln vom 23.8.2017 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dem Kläger könnten die begehrten Erziehungszeiten für die in den Jahren 1977, 1979 und 1984 geborenen Kinder aufgrund der gemeinsamen Erklärung vom 17. und 18.11.2015 nicht mehr zugeordnet werden. Für die mittlerweile erwachsenen Kinder könne diese Erklärung keine Wirkung für die Zukunft entfalten. Für die Vergangenheit sehe das Gesetz keine Möglichkeit der Zuordnung von Kindererziehungszeiten durch übereinstimmende Erklärung der Eltern mehr vor. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Divergenz sowie einen Verfahrensfehler geltend 160 Abs 2 Nr 1 , 2 und 3 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Keiner der in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Fichte/Jüttner, SGG , 3. Aufl 2020, § 160a RdNr 32 ff).

Der Kläger formuliert schon keine aus sich heraus verständliche Rechtsfrage zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen, an denen das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschlüsse vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15 und vom 4.4.2016 - B 13 R 43/16 B - BeckRS 2016, 68283 RdNr 6; Becker, SGb 2007, 261 , 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Sofern es dem Kläger mit seinem Begehren nach Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für zurückliegende Zeiträume erkennbar darum geht, die Vereinbarkeit von § 56 Abs 2 SGB VI mit Verfassungsrecht zu überprüfen, fehlt es jedenfalls an einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügenden Darlegung der (abstrakten) Klärungsbedürftigkeit.

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgebracht werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl bereits Senatsbeschluss vom 17.6.2019 - B 5 R 61/19 B - juris RdNr 9). Leitet eine Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des GG ab, darf sie sich nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr, zB bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 13 f; aus jüngster Zeit BSG Beschluss vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 11 mwN).

Der Kläger macht geltend, seine frühere Ehefrau sei als Beamtin des Landes N. seit 1975 versicherungsfrei und er selbst aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Ärzteversorgung N. von der Anrechnung von Erziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen gewesen. Erst mit Urteil vom 31.1.2008 habe das BSG entschieden, dass auch Personen, die sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgung hätten befreien lassen, ein Anspruch auf Vormerkung von Kindererziehungszeiten nach dem SGB VI zustehe, solange in der berufsständischen Versorgung Zeiten der Kindererziehung nicht annähernd gleichwertig berücksichtigt würden wie in der gesetzlichen Rentenversicherung ( BSG Urteil vom 31.1.2008 - B 13 R 64/06 R - BSGE 100, 12 = SozR 4-2600 § 56 Nr 6). Zu diesem Zeitpunkt sei die Frist zur Abgabe einer gemeinsamen Erklärung bis zum 31.12.1996 nach § 249 Abs 6 und 7 SGB VI (idF des RüErgG vom 24.6.1993, BGBl I 1038 <aF>) längst abgelaufen gewesen. Diese Frist sei deshalb für ihn nicht einschlägig. Die Vorschrift des § 56 SGB VI sei verfassungskonform im Sinne der Entscheidung des BSG auszulegen.

Mit diesem Vorbringen hat der Kläger eine Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Das BSG hat bereits entschieden, dass es sich bei der Frist des § 249 Abs 6 und 7 SGB VI aF um eine Ausschlussfrist handelte. Bei der Ausgestaltung der Fristbestimmung ist es im Wesentlichen jeweils darum gegangen, die Verwaltung vor übermäßigen Belastungen im Zusammenhang der auch für die Vergangenheit eingeführten Begünstigungen zu bewahren. Ein derartiges Bedürfnis hat für Eltern(teile) zu keinem Zeitpunkt in vergleichbarer Weise bestanden. Diese müssen vielmehr eine Entscheidung über die Verteilung der Erziehungslasten übereinstimmend zukunftsgerichtet treffen und gegenüber der zuständigen Stelle kundtun; eine Zuordnungserklärung hinsichtlich in der Vergangenheit längst abgeschlossener Sachverhalte hat das Gesetz nur ausnahmsweise eröffnet (vgl BSG Urteil vom 31.8.2000 - B 4 RA 28/00 R - juris RdNr 17 ff; BSG Urteil vom 3.4.2001 - B 4 RA 89/00 R - SozR 3-2600 § 56 Nr 15 S 86). Diese Rechtsprechung wird in dem angegriffenen Urteil in Auszügen wörtlich wiedergegeben. Die Beschwerdebegründung enthält hierzu jedoch keine Ausführungen, insbesondere auch nicht zu der Frage, aus welchen Rechtsgründen es nach dem Urteil des BSG vom 31.1.2008 geboten sein könnte, dem davon begünstigten Personenkreis rückwirkend eine von der tatsächlichen Erziehungsleistung abweichende Erklärung zur Zuordnung von Kindererziehungszeiten zu ermöglichen.

2. Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn das angefochtene Urteil seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde legt, der von einem zu derselben Rechtsfrage entwickelten abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Darüber hinaus erfordert der Zulassungsgrund der Divergenz, dass die angefochtene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, ist in der Beschwerdebegründung im Einzelnen darzulegen 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Hierzu sind die betreffenden Rechtssätze einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21).

Auch diese Darlegungserfordernisse werden in der Beschwerdebegründung nicht erfüllt. Der Kläger zitiert Rechtssätze zur verfassungskonformen Auslegung von § 56 Abs 4 Nr 2 SGB VI aus dem Urteil des BSG vom 31.1.2008 (B 13 R 64/06 R - BSGE 100, 12 = SozR 4-2600 § 56 Nr 6). Der Beschwerdebegründung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass das LSG einen davon abweichenden eigenen abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat. Das LSG hat nicht in Frage gestellt, dass auch für von der Versicherungspflicht befreite Mitglieder der berufsständischen Versorgungswerke Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung anzuerkennen sind, solange diese Zeiten in der berufsständischen Versorgung nicht annähernd gleichwertig berücksichtigt werden. Es hat seine Entscheidung vielmehr darauf gestützt, dass für die Zuordnung der Erziehungszeiten an den Kläger, unabhängig vom tatsächlichen Umfang seiner Erziehungsleis- tung, eine rechtzeitige gemeinsame Erklärung nach § 56 Abs 2 Satz 3 SGB VI fehle. Worin insofern eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG begründet sein soll, legt die Beschwerdebegründung nicht dar.

3. Soweit der Kläger als Verfahrensfehler eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) rügt, hat er einen solchen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Hierzu hätte er ausführen müssen, welchen erheblichen Vortrag das Gericht bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat bzw welches Vorbringen des Rechtsuchenden verhindert worden ist und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruhen kann (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; aus jüngerer Zeit Senatsbeschluss vom 27.1.2020 - B 5 RE 3/19 B - juris RdNr 14). Der Vortrag des Klägers, sein Hinweis auf die Entscheidung des BSG vom 31.1.2008 sei zwar entgegengenommen worden, das LSG habe sich damit jedoch nicht sachlich auseinandergesetzt, ist dafür nicht ausreichend. Insofern fehlt es insbesondere an einer Darlegung der Relevanz dieser Entscheidung für die tragenden Gründe des angefochtenen Urteils. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet im Übrigen auch nicht, dass der Rechtsansicht eines Beteiligten gefolgt wird (vgl Senatsbeschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 16).

Von weiteren Ausführungen wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 19.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 3 R 834/17
Vorinstanz: SG Köln, vom 23.08.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 40 R 264/17