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BSG - Entscheidung vom 15.12.2020

B 5 R 271/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 15.12.2020 - Aktenzeichen B 5 R 271/20 B

DRsp Nr. 2021/2187

Rente wegen Erwerbsminderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. Oktober 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung. Ihre Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 15.1.2014 und den Widerspruchsbescheid vom 24.11.2014 hat vor dem SG keinen Erfolg gehabt (Urteil vom 14.12.2016). Das LSG hat die Berufung gegen diese Entscheidung nach Einholung eines weiteren neurologisch-psychiatrischen und eines orthopädischen Sachverständigengutachtens zurückgewiesen. Die Klägerin sei nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen noch in der Lage, täglich wenigstens sechs Stunden körperlich leichte Arbeiten unter Beachtung bestimmter qualitativer Leistungseinschränkungen zu verrichten.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und macht Verfahrensmängel geltend (Revisionszulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG formgerecht begründet wurde. Sie hat weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch einen Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

1. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist in der Beschwerdebegründung nicht formgerecht dargelegt.

Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Daran fehlt es hier.

Die Klägerin formuliert in ihrer Beschwerdebegründung schon keine abstrakte Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Sie beanstandet vielmehr, dass das LSG ihrem Begehren nicht nachgekommen sei, das im Berufungsverfahren eingeholte neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten von K. der im SG -Verfahren auf ihren Antrag nach § 109 SGG beauftragten Sachverständigen H. zur Stellungnahme vorzulegen. Da das SG das Gutachten der H. dem von Amts wegen beauftragten Psychiater A. zur Stellungnahme zugeleitet habe, liege eine Ungleichbehandlung und ein Verstoß gegen Art 3 GG vor, der zur Revisionszulassung führen müsse. Mit diesem Vorbringen rügt sie die Vorgehensweise des LSG in ihrem Einzelfall. Eine noch weiter klärungsbedürftige Rechtsfrage zeigt die Klägerin damit nicht auf.

2. Auch einen Verfahrensmangel hat die Klägerin nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht.

a) Soweit ihr Vorbringen zur grundsätzlichen Bedeutung (s oben unter 1.) zugleich als Rüge eines Verfahrensmangels gewürdigt wird, entspricht es auch insoweit nicht den Anforderungen an die ordnungsgemäße Bezeichnung eines Verfahrensfehlers. Insoweit kommt zunächst eine Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht 103 SGG ) in Betracht. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich jedoch nicht, dass sie vor dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt hat, dem das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der von ihr mitgeteilte Antrag ua aus dem Schriftsatz vom 8.9.2020, "der Gutachterin H. das Nervenärztliche Gutachten der Frau K. vom 08.12.2017 vorzulegen", lässt nicht erkennen, zu welchen Punkten iS von § 403 ZPO H. hätte Stellung nehmen sollen (zum Inhalt eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags im Rentenverfahren vgl BSG Beschluss vom 13.8.2020 - B 5 R 121/20 B - juris RdNr 6 mwN).

Ebenso wenig hat die Klägerin konkret aufgezeigt, welche Feststellungen der Sachverständigen aus welchen Gründen widersprüchlich erschienen und deshalb möglicherweise eine persönliche Anhörung der Sachverständigen oder eine weitere schriftliche Befragung erforderlich machten (s dazu BSG Beschluss vom 20.5.2020 - B 5 R 298/19 B - juris RdNr 12 f mwN; zum Recht auf persönliche Anhörung auch bei einem nach § 109 SGG beauftragten Sachverständigen vgl BSG Beschluss vom 15.9.2015 - B 13 R 201/15 B - juris RdNr 7 mwN ).

Schließlich ist aufgrund der unterbliebenen Zuleitung des Gutachtens von K. an die Gutachterin H. auch eine Verletzung des prozessualen Grundsatzes der Waffengleichheit (s dazu z B BSG Beschluss vom 17.8.2017 - B 5 R 11/17 B - juris RdNr 8) allein mit der Behauptung einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art 3 GG nicht ausreichend bezeichnet. Insbesondere fehlen jegliche Ausführungen dazu, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann.

b) Die darüber hinaus ausdrücklich von der Klägerin erhobenen weiteren Verfahrensrügen enthalten bereits keine schlüssige Darstellung eines Verfahrensmangels.

aa) Die Rüge, das SG hätte den Psychiater A. nicht mit der Anfertigung eines Gutachtens beauftragen dürfen, weil dieser bereits im Verwaltungsverfahren am 8.7.2010 für die Krankenkasse ein Gutachten erstellt habe, lässt einen Verfahrensfehler, der dem LSG unterlaufen sein könnte, von vornherein nicht erkennen. Die Vorschrift des § 406 Abs 1 ZPO nimmt hinsichtlich der Gründe, aus denen ein Sachverständiger abgelehnt werden kann, inhaltlich auf die Umstände Bezug, die dazu führen, dass ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist(vgl BGH Beschluss vom 13.12.2016 - VI ZB 1/16 - BGHZ 213, 131 = juris RdNr 8). Welcher der in § 41 Nr 1 bis 8 ZPO bzw in § 60 Abs 2 SGG aufgeführten Ausschlussgründe dadurch verwirklicht sein könnte, dass der Gutachter bereits früher in einem anderen Verwaltungsverfahren für die Krankenkasse als Sachverständiger des MDK ein Gutachten erstellt hat, erläutert die Klägerin allerdings nicht. Sie behauptet auch nicht, dass der Inhalt jenes Gutachtens eine Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Gutachter hat rechtfertigen können und dass sie rechtzeitig einen Befangenheitsantrag gegenüber dem Sachverständigen angebracht hat.

bb) Entsprechendes gilt für die Rüge, das LSG hätte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie K. nicht mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen dürfen, weil diese bereits im Rechtsstreit S 19 SB 300/10 vor dem SG ein die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin ablehnendes Gutachten erstattet habe. Der Rechtsstreit um die Schwerbehinderteneigenschaft ist offenkundig nicht ein dem Rentenrechtsstreit vorausgegangenes Verwaltungsverfahren iS des § 60 Abs 2 SGG (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 60 RdNr 5 mwN).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 02.10.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 12 R 13/17
Vorinstanz: SG Bremen, vom 14.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 31 R 458/14