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BSG - Entscheidung vom 21.12.2020

B 13 R 260/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 21.12.2020 - Aktenzeichen B 13 R 260/19 B

DRsp Nr. 2021/3029

Rente wegen Erwerbsminderung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. September 2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Mit Urteil vom 26.9.2019 hat das LSG Sachsen-Anhalt einen Anspruch der Klägerin auf eine höhere Rente wegen Erwerbsminderung sowie höhere Regelaltersrente verneint und ihr Verschuldenskosten iHv 337,50 Euro auferlegt.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin am 30.10.2020 Beschwerde beim BSG eingelegt und diese begründet. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Verfahrensmängel (Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 3 SGG ). Mit Schriftsatz vom 6.4.2020 hat sie zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt.

II

1. Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von PKH zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 26.9.2019 ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114 , 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG ua nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die von der Klägerin eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG nicht erfolgreich sein kann. Die Klägerin hat PKH für eine von einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten bereits eingelegte und bis zum Ablauf der Begründungsfrist am 18.12.2019 bereits begründete Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt. Die Revision wäre daher nur zuzulassen, wenn mit dieser Beschwerde einer der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG genannten Zulassungsgründe in der gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG vorgeschriebenen Form dargelegt bzw bezeichnet wäre. Solche Erfolgsaussicht besteht hier nicht, weil die Beschwerde unzulässig ist (dazu unten 2.).

Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

2. Die unabhängig vom Antrag auf Bewilligung von PKH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

a) Die Klägerin beruft sich zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Die Beschwerdebegründung vom 29.10.2019 nebst Ergänzung durch Schriftsatz vom 6.4.2020 verfehlt jedoch die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34, juris RdNr 6 mwN) schon deshalb, weil darin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht - formuliert wird (vgl allgemein BSG Beschluss vom 24.10.2018 - B 13 R 239/17 B - juris RdNr 8 mwN). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (stRspr; zB BSG Beschluss vom 8.4.2020 - B 12 R 24/19 B - juris RdNr 8; Becker, SGb 2007, 261 , 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 181). Eine solche Rechtsfrage ist nicht einmal sinngemäß erkennbar.

b) Der Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels wird ebenfalls nicht den insoweit geltenden formalen Anforderungen entsprechend bezeichnet.

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.10.2018 - B 13 R 59/18 B - juris RdNr 7). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG( BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG ; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 23). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN).

Die Beschwerdebegründung der Klägerin genügt dem nicht, denn allein der Vortrag zur vermeintlichen Unzulässigkeit der Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid weist einen hinreichend konkreten Bezug zu einer Vorschrift des Verfahrensrecht auf. Dennoch kann die Beschwerde hierauf nicht zulässig gestützt werden, weil damit - anders als erforderlich - kein Fehler des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug geltend gemacht wird. Dass der vermeintliche Fehler des SG im Berufungsverfahren fortgewirkt haben könnte, hat die Klägerin nicht ausgeführt. Soweit die Beschwerdebegründung allenfalls andeutet, dass LSG könnte gegen die Amtsermittlungspflicht verstoßen und nicht alle relevanten Tatsachen in die Entscheidungsfindung einbezogen haben, kann auch dies nicht zur Zulässigkeit der Beschwerde führen. Denn gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Einen solchen Beweisantrag hat die Klägerin nicht benannt.

c) Im Kern richtet sich die Beschwerde gegen die inhaltliche Richtigkeit des angegriffenen Urteils, ua weil die Rente fehlerhaft berechnet, die Anrechnung von Kindererziehungszeiten unkorrekt, ein falscher Umrechnungsfaktor angewandt und die Tätigkeit im öffentlichen Dienst nicht berücksichtigt worden sei. Zudem seien Einwendungen zum AAÜG unberücksichtigt geblieben. Dass die Klägerin das Berufungsurteil insoweit inhaltlich für unrichtig hält, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

d) Soweit sich die Beschwerdebegründung gegen die Verhängung von Verschuldenskosten bzw Missbrauchsgebühren nach § 192 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG richtet, kann die Klägerin damit nicht durchdringen, weil allein wegen der Kostenentscheidung im Urteil des LSG die Revision nicht zugelassen werden kann (vgl BSG Beschluss vom 8.1.1985 - 7 BAr 109/84 - SozR 1500 § 160 Nr 54; BSG Beschluss vom 13.1.2020 - B 4 AS 1/20 B - juris RdNr 7). Dies schließt es zugleich aus, die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG hierauf zu stützen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 604 mwN).

e) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen-Anhalt, vom 26.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3 R 45/17
Vorinstanz: SG Magdeburg, vom 23.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 46 R 504/14