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BSG - Entscheidung vom 29.04.2020

B 5 R 238/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG § 128 Abs. 1 S. 1

BSG, Beschluss vom 29.04.2020 - Aktenzeichen B 5 R 238/19 B

DRsp Nr. 2020/8317

Rente wegen Erwerbsminderung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. August 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGG § 128 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte ihren Antrag mit Bescheid vom 15.3.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.6.2013 ab. Das Hessische LSG hat mit Urteil vom 23.8.2019 die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG Marburg vom 9.4.2015 zurückgewiesen. Eine volle oder teilweise Erwerbsminderung iS des § 43 SGB VI liege nicht vor. Die Klägerin sei nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen noch in der Lage, bei Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG formgerecht begründet wurde. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG , wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnen und zudem anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, inwiefern diese in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich), klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr, zB BSG Beschluss vom 30.8.2004 - B 2 U 401/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht.

Die Klägerin bezeichnet die Fragen als rechtsgrundsätzlich bedeutsam,

a) "in welchem Rahmen Gutachten ausländischer Sachverständiger, vor allem aus Nicht-EU-

Ländern, in deutschen Verfahren verwertbar sind oder welche Beweiskraft sie entfalten";

b) "inwiefern Gutachten deutscher Sachverständiger verwertbar sind, wenn die Betroffenen

eine andere Muttersprache haben vor allem bezüglich psychiatrischer Erkrankungen, bei welchen es gerade auf die Erzählungen und Erläuterungen der Betroffenen ankommt" und "der kulturelle Hintergrund eine entscheidende Rolle bezüglich der Beurteilung von psychologischen und psychiatrischen Fragestellungen" spielt;

c) "inwieweit ein Gutachten Grundlage einer Entscheidung sein kann, welches erst als nicht

entscheidungsrelevant angesehen wurde und aus diesem Grund ein anderes Gutachten mit Zusatzgutachten eingeholt wird".

Sie versäumt es jedoch aufzuzeigen, bei der Auslegung oder Anwendung welcher verfahrensrechtlichen Vorschrift sich diese Fragen zum Beweiswert von Sachverständigengutachten stellen und weshalb der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung dieser Fragen zu entnehmen sind. Es fehlt an jeder Auseinandersetzung sowohl mit den maßgeblichen Vorschriften als auch mit der bisherigen einschlägigen Rechtsprechung. Damit lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, zu welchen Punkten in welcher Hinsicht weiterer Klärungsbedarf besteht (zur Beweiskraft unterschiedlicher Beweismittel im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG vgl zB BSG Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 41/02 R - SozR 4-2700 § 4 Nr 1 RdNr 12; BSG Urteil vom 22.4.2015 - B 3 P 8/13 R - BSGE 118, 239 = SozR 4-3300 § 23 Nr 7, RdNr 23; zum nicht von vornherein geringeren Beweiswert der Bescheinigungen ausländischer Ärzte vgl BSG Urteil vom 26.2.1992 - 1/3 RK 13/90 - SozR 3-2200 § Nr 12 S 54 = juris RdNr 20 mwN; zu einem Urteil, das sich maßgeblich auf das Gutachten eines tunesischen Arztes stützt, vgl BSG Urteil vom 28.4.2005 - B 9a/9 VG 3/04 R - juris RdNr 5, 47).

Soweit die Klägerin mit ihren Fragen im Kern rügt, dass das LSG im Ergebnis nicht dem von ihm selbst in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten des in der Türkei praktizierenden Psychiaters Dr. K., sondern dem bereits vom SG eingeholten Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. gefolgt ist, greift sie die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts in ihrem Einzelfall an. Das kann jedoch weder unter dem Gesichtspunkt grundsätzlicher Bedeutung noch - wie sich aus dem Ausschluss der Rüge einer Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ergibt - unter dem Aspekt eines Verfahrensmangels zur Revisionszulassung führen.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 23.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 5 R 143/15
Vorinstanz: SG Marburg, vom 09.04.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 15 R 152/13