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BSG - Entscheidung vom 15.01.2020

B 12 KR 51/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 15.01.2020 - Aktenzeichen B 12 KR 51/19 B

DRsp Nr. 2020/3477

Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. Juni 2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X eine Prüfung, ob er als Rentner in der Zeit vom 1.4.2013 bis 31.7.2017 in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) pflichtversichert war.

Der Kläger erhält seit 1.5.2004 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit. Mangels Erfüllung der Vorversicherungszeiten kam die beklagte Krankenkasse wiederholt in den Jahren 2004, 2007 und 2010 zu dem Ergebnis, dass er nicht als Rentner in der GKV pflichtversichert ist. Zum 31.3.2013 endete die Versicherung des Klägers in der Künstlersozialversicherung. Die Beklagte setzte die Krankenversicherung im Wege der freiwilligen Mitgliedschaft fort und lehnte es erneut bestandskräftig ab, eine Versicherungspflicht als Rentner festzustellen (Bescheid vom 26.6.2013).

Im November 2016 beantragte der Kläger die Überprüfung seiner freiwilligen Mitgliedschaft. Er habe die Rentenanträge nicht freiwillig gestellt, sondern sei hierzu gedrängt worden. Maßgebend für die Berechnung der Vorversicherungszeit sei daher nicht das Frühjahr 2004, sondern November 2016. Die Beklagte lehnte die Rücknahme des Bescheids vom 26.6.2013 ab (Bescheid vom 1.12.2016, Widerspruchsbescheid vom 14.3.2017). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 21.9.2017), das LSG hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen (Urteil vom 13.6.2019).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der unvertretene Kläger "den Antrag auf Aufhebung/Zurückweisung, hilfsweise einen Prozesskostenhilfeantrag für ein/e Revision/sverfahren" gestellt.

II

1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ist abzulehnen.

Nach § 73a SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Es ist nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.

Das BSG hat gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zuzulassen, wenn

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Durchsicht der Akten und die Würdigung des Vorbringens des Klägers in den Schreiben vom 25.6., 1.7., 5.7. und 17.7.2019 haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der vorgenannten Revisionszulassungsgründe ergeben.

a) Dass eine Zulassung der Revision gegen das angegriffene Urteil auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist bereits entschieden, dass die Zugangsvoraussetzungen zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nicht verfassungswidrig sind (vgl ua BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 26/07 R - BSGE 103, 235 = SozR 4-2500 § 5 Nr 8).

b) Der Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde liegen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aufgestellt hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Das ist vorliegend nicht der Fall.

c) Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte.

Insbesondere lässt sich den Akten eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör iS von § 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG nicht entnehmen. Das Recht auf rechtliches Gehör gebietet nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet sie aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, ihn also zu "erhören" (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - , NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN).

Der Kläger hat an der mündlichen Verhandlung des LSG am 13.6.2019 persönlich teilgenommen. Ausweislich des Protokolls ist das Sach- und Streitverhältnis erörtert worden. Soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe bestimmte Aspekte unberücksichtigt gelassen, ist eine Verletzung des Prozessgrundrechts auf rechtliches Gehör nicht ersichtlich. Das Gericht ist nicht zur ausdrücklichen und ausführlichen Bescheidung eines jeden Vorbringens der Beteiligten in den Urteilsgründen verpflichtet (vgl zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11 mwN). Ungeachtet dessen besteht für das Berufungsgericht keine Veranlassung, sich mit den Voraussetzungen der KVdR auseinanderzusetzen, wenn - wie hier - die Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen wird. Anhaltspunkte für die Behauptung des Klägers, es habe kein "faires Gerichtsverfahren" gegeben, liegen auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens nicht vor.

Im Übrigen sind Verfahrensmängel weder nachvollziehbar vorgetragen noch ersichtlich.

d) Ob das Berufungsurteil inhaltlich zutreffend ist, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu prüfen. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

2. Die von dem Kläger persönlich gegen das Urteil des LSG eingelegte Beschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (vgl § 73 Abs 4 SGG ) eingelegt worden ist.

3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Schleswig-Holstein, vom 13.06.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 191/17
Vorinstanz: SG Schleswig, vom 21.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 6 KR 112/17