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BSG - Entscheidung vom 30.06.2020

B 14 AS 124/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 30.06.2020 - Aktenzeichen B 14 AS 124/20 B

DRsp Nr. 2020/10830

Parallelentscheidung zu BSG B 14 AS 118/20 B v. 30.06.2020

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. November 2019 - L 3 AS 19/19 - wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG ). Vorliegend sind höhere Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum Dezember 2016 bis August 2017 streitig.

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig. Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § Nr 16 S 27). Hierfür ist eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § Nr 8).

Die Klägerin formuliert in ihrer Beschwerdebegründung bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht (vgl BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - RdNr 7; BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - RdNr 10). Auch darüber hinaus ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend dargelegt: Wer sich - wie die Klägerin - auf die Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Regelungen beruft, darf sich nicht auf die Benennung des angeblich verletzten Rechts - hier das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG ) - beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu muss er den Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufzeigen, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtern und die Verletzung der konkreten Regelung des GG darlegen (vgl nur BSG vom 24.5.2017 - B 1 KR 79/16 B - RdNr 7 mwN). Hieran fehlt es.

Ein Verfahrensmangel ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann. Soweit die Klägerin rügt, der Gerichtsbescheid des SG und das Urteil des LSG seien - auch in der Urschrift - nicht von den Berufsrichtern unterschrieben, hat sie einen Verfahrensfehler nicht schlüssig behauptet. Die Klägerin legt nicht dar, in welcher Form ihr die gerichtlichen Entscheidungen zugestellt worden sind (vgl § 137 SGG ) und es lässt sich ihrem Vortrag nicht entnehmen, ob sie zur Überprüfung ihrer "Auffassung", es fehlten die Unterschriften, Akteneinsicht genommen hat.

Soweit die Klägerin zuletzt eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG iVm § 62 SGG ) mit der Begründung rügt, das LSG habe ihre unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung in den Schreiben vom 22.11.2019 und vom 25.11.2019 getätigten Ausführungen nicht berücksichtigt, ist ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht hinreichend aufgezeigt. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, vermittelt aber keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden, weshalb sich eine Gehörsverletzung insoweit nur aus den besonderen Umständen des Falls ergeben kann (stRspr, vgl zu allem nur BVerfG vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 , 216 f mwN).

Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Aus dem Umstand, dass das LSG in seinem Urteil auf ihre zuletzt getätigten Ausführungen nicht eingegangen sei, folgt eine fehlende Berücksichtigung gerade nicht. Besondere Umstände, aus denen sich im vorliegenden Einzelfall etwas anderes ergibt, hat die Klägerin nicht dargelegt. Warum sich dies aus der fehlenden Anordnung des Ruhens des Verfahrens oder aus der fehlenden Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung ergeben soll, erschließt sich nicht.

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 , 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 26.11.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3 AS 19/19
Vorinstanz: SG Speyer, vom 20.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 3 AS 533/17