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BSG - Entscheidung vom 08.04.2020

B 13 R 338/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
ZPO §§ 66 ff.
ZPOP §§ 72 ff.

BSG, Beschluss vom 08.04.2020 - Aktenzeichen B 13 R 338/18 B

DRsp Nr. 2020/6503

Parallelentscheidung zu BSG B 13 R 337/18 B v. 08.04.2020

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. September 2018 (L 13 R 870/16) wird

als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; ZPO §§ 66 ff.; ZPOP §§ 72 ff.;

Gründe

I

Mit Urteil vom 26.9.2018 hat das Bayerische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung der Zeiten vom 19.11.2011 bis zum 7.10.2012 sowie vom 8.10.2012 bis zum 28.02.2015 als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung, die ihr am 13.11.2018 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 10.12.2018 Beschwerde zum BSG eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 11.2.2019, der hier am Folgetag eingegangen ist, begründet hat.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.

Die Beschwerdebegründung vom 11.2.2019 genügt nicht der gesetzlichen Form. Die Klägerin hat darin den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt.

Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). In der Beschwerdebegründung ist deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und der Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; jüngst BSG Beschluss vom 8.8.2019 - B 13 R 289/18 B - juris RdNr 9; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 RdNr 8; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 14 ff mwN).

Hinsichtlich der Fragen,

"ob und inwieweit die Vorschriften nach §§ 66 bis 74 ZPO (Nebenintervention und Streitverkündung) in einem sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar sind" und

"ob zumindest die Voraussetzungen einer Beiladung gegeben sind"

verfehlt die Beschwerdebegründung vom 11.2.2019 die Darlegungsanforderungen schon deshalb, weil die Klägerin darin den insoweit entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht genügend darstellt. Die Fragen, denen die Klägerin grundsätzliche Bedeutung beimisst, betreffen offensichtlich die Beteiligung Dritter am sozialgerichtlichen Verfahren. Ihre Angaben dazu beschränken sich auf die Widergabe der Entscheidungsgründe des LSG, wonach die gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragte Drittbeteiligung des Sozialverbandes VdK als früherem Prozessbevollmächtigten zur Vorbereitung eines möglichen Haftungsanspruchs nicht vorliegen würden; die §§ 66 bis 74 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar seien und die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG offensichtlich nicht vorliegen würden. Damit zeigt die Klägerin nicht auf, aufgrund welchen Lebenssachverhalts sie eine Beteiligung des früheren Bevollmächtigten am Prozess für geboten hält und welche (Prozess-)Tatsachen das LSG dazu im angegriffenen Urteil festgestellt hat. Nur letztere können aber einer Entscheidung des BSG in der angestrebten Revision zugrunde gelegt werden. Ohne die Angabe der vom LSG festgestellten Tatsachen ist der Senat nicht in der Lage, wie erforderlich allein aufgrund der Beschwerdebegründung die Entscheidungserheblichkeit einer Rechtsfrage zu beurteilen (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 13e mwN). Es ist auch nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung herauszusuchen (vgl BSG Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 3 f).

Der zweiten Frage, ob die Voraussetzungen einer Beiladung gegeben seien, lässt sich aufgrund der allein auf den vorliegenden Einzelfall bezogenen Formulierung zudem keine hinreichend bestimmte Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit von § 75 SGG oder einer anderen konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht entnehmen. Die Bezeichnung einer aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl Becker, SGb 2007, 261 , 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181).

Unabhängig davon wird in der Beschwerdebegründung die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen - hinsichtlich der zweiten Frage allenfalls angedeuteten - Fragen nicht in der gebotenen Weise dargelegt. In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass es im sozialgerichtlichen Verfahren keine speziellen Prozessrechtsinstitute gibt, die wie im Zivilprozess die Nebenintervention (§§ 66 ff ZPO ) oder die Streitverkündung (§§ 72 ff ZPO ) eine über die Rechtskraftwirkung eines Urteils hinausgehende Bindung der Beteiligten bewirken ( BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 21 mwN; BSG Urteil vom 2.7.2013 - B 1 KR 18/12 R - BSGE 114, 36 = SozR 4-2500 § 130a Nr 9, RdNr 19). Weiterhin ist geklärt, dass sich mittels Beiladung eine funktional gleichwertige Bindungswirkung erreichen lässt ( BSG Urteil vom 8.8.1975 - 6 RKA 9/74 - BSGE 40, 130 , 132 = SozR 1750 § 41 Nr 1 S 2 f; BSG Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 6/11 R - BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 20 mwN) und wann eine Beiladung notwendig iS von § 75 Abs 2 Alt 1 SGG ist (vgl zB BSG Urteil vom 9.10.2007 - B 5b/8 Kn 2/06 R - BSGE 99, 122 = SozR 4-2600 § 201 Nr 1, RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 31/13 R - BSGE 118, 40 = SozR 4-2500 § 51 Nr 3, RdNr 13 mwN; BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 1 KR 5/14 R - BSGE 120, 289 = SozR 4-2500 § 268 Nr 1, RdNr 23 mwN). Zumindest eine BSG -Entscheidung befasst sich ausführlich mit der notwendigen Beiladung von Dritten, die als Haftungsschuldner eines Hauptbeteiligten in Betracht kommen ( BSG Urteil vom 2.7.2013 - B 1 KR 18/12 R - BSGE 114, 36 = SozR 4-2500 § 130a Nr 9, RdNr 15 ff). Der Klägerin hätte daher die Darlegung oblegen, dass und aus welchen Gründen die bereits ergangene Rechtsprechung die von ihr in den Raum gestellten Fragen nicht ausreichend beantwortet. Ausführungen zur Rechtsprechung des BSG fehlen in der Beschwerdebegründung aber vollständig.

Hinsichtlich der Fragen,

"ob bei Vorliegen von bestimmten Gründen unter sog Härtefallgesichtspunkten auch ein Zeitraum von zehn Monaten und mehr als zulässiger Überbrückungszeitraum anzusehen ist" und

"ob bei fehlender bzw unterlassener Aufklärung betreffend der Möglichkeit, sich nach dem Bezug von Arbeitslosengeld bei der Agentur weiterhin arbeitsuchend zu melden, unter Berücksichtigung von Härtefallgesichtspunkten diese Zeiten dennoch als Anrechnungszeiten zu bewerten sind, wenn die Nichtmeldung bei der Agentur als arbeitsuchend nicht auf ein Fehlverhalten des Versicherten zurückzuführen ist",

mangelt es ebenfalls bereits an einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügenden Darstellung des insoweit entscheidungserheblichen Sachverhalts. Die Klägerin gibt hierzu in der Beschwerdebegründung vom 11.2.2019 die Entscheidungsgründe der LSG wieder, wonach die Zeit seit dem 8.10.2012 nicht als Anrechnungszeit gelte, weil die Klägerin zwar seitdem wieder arbeitsuchend gemeldet, durch die Arbeitslosigkeit aber keine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit unterbrochen worden sei; es bestehe auch keine Verbindung zu einem früheren Beschäftigungsverhältnis mehr, weil bei einem Arbeits- bzw Beschäftigungslosen grundsätzlich innerhalb von längsten sechs Monaten zu überblicken sei, ob ein Selbsthilfeversuch Erfolg verspreche, wohingegen im Fall der Klägerin eine Lücke von mehr als zehn Monaten (vom 19.11.2011 bis zum 7.10.2012) bestehe. Darüber hinaus teilt die Klägerin lediglich mit, in einem Schriftsatzvom 29.3.2017 ausgeführt zu haben, "damals"nicht darüber aufgeklärt worden zu sein, dass auch nach dem Bezug von Arbeitslosengeld die Möglichkeit bestehe, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, um weiterhin rentenrechtliche Anrechnungszeiten zu "erhalten". Damit zeigt die Klägerin nicht einmal ansatzweise auf, welche Tatsachen das LSG zu ihren Zeiten der Beschäftigung, der selbständigen Tätigkeit und der Arbeitslosigkeit - über die wohl für den 8.12.2012 festgestellte Arbeitslosmeldung hinaus - im angegriffenen Urteil festgestellt hat. Völlig unklar bleibt ferner, ob und ggf welche Tatsachenfeststellungen das LSG im Zusammenhang mit einer etwaigen Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten getroffen hat, die nach Auffassung der Klägerin der Beklagten zuzurechnen wären.

Ferner wird auch insoweit die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht in der gebotenen Weise dargelegt. Die Klägerin setzt sich weder mit den Rechtsnormen auseinander, die wie vor allem § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI bei der begehrten Feststellung von Anrechnungszeiten zur Anwendung kommen, noch mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG , nach der eine Unterbrechung iS des § 58 Abs 2 Satz 1 SGB VI grundsätzlich anzunehmen ist, wenn zwischen dem Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung und der Anrechnungszeit eine Lücke von einem vollen Kalendermonat oder mehr besteht, und bei einer größeren zeitlichen Lücke der erforderliche zeitliche Zusammenhang durch Überbrückungstatbestände für einen Zeitraum gewahrt wird, der in der Regel sechs Monate nicht überschreiten darf (stRspr; vgl BSG Urteil vom 13.8.1996 - 8 RKn 30/95 - SozR 3-2600 § 58 Nr 7 S 38 f; BSG Urteil vom 1.2.2001 - B 13 RJ 37/00 R - BSGE 87, 269 = SozR 3-2600 § 58 Nr 16 S 88 f; BSG Urteil vom 26.7.2007 - B 13 R 8/07 R - SozR 4-2600 § 58 Nr 9 RdNr 14 ff; zuletzt etwa BSG Beschluss vom 10.12.2019 - B 5 R 152/19 B - juris RdNr 5 mwN). Ebenso wenig befasst sich ihre Beschwerdebegründung in irgendeiner Weise mit dem Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl aus jüngerer Zeit etwa BSG Urteil vom 22.3.2018 - B 5 RE 1/17 R - BSGE 125, 252 = SozR 4-2600 § 6 Nr 15, RdNr 36 mwN) und dem Grundsatz, dass sich die fehlende Meldung eines Versicherten bei der Agentur für Arbeit nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzen lässt ( BSG Urteil vom 11.3.2004 - B 13 RJ 16/03 R - BSGE 92, 241 = SozR 4-2600 § 58 Nr 3, RdNr 24). Für die Klägerin hätte insbesondere Veranlassung bestanden darzulegen, warum sich ihrer Meinung nach mit letztgenannter Entscheidung die aufgeworfene Frage nach der Feststellung von Anrechnungszeiten trotz unterbliebener Arbeitslosmeldung aus "Härtefallgesichtspunkten" nicht genügend beantworten lässt. Denn als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben ( BSG Urteil vom 21.01.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; aus jüngerer Zeit etwa BSG Beschluss vom 24.01.2018 - B 13 R 450/14 B - juris RdNr 9).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, da diese nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 26.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 870/16
Vorinstanz: SG München, vom 30.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 4 R 24/16