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BSG - Entscheidung vom 17.12.2020

B 12 R 28/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 17.12.2020 - Aktenzeichen B 12 R 28/20 B

DRsp Nr. 2021/4364

Nachentrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen Bremen vom 1. Juli 2020 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 22.819,89 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Nachentrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung einschließlich Umlagen für die Zeit von Anfang 2013 bis einschließlich 2016 wegen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung der Beigeladenen zu 1.

Der Kläger betreibt ein Busunternehmen, für das er seine Ehefrau, die Beigeladene zu 1., beauftragte, jeweils zweimal werktäglich Fahrgäste von weiter abseits gelegenen Haltepunkten zu Bushaltestellen zu bringen, an denen sie zeitgerecht in den Linienverkehr einsteigen konnten (Zubringerfahrten). Diese führte die Beigeladene zu 1. jeweils vom Betriebssitz des Klägers aus mit einem eigenen Pkw durch und stellte dem Kläger dafür bis Mai 2015 je Fahrt 33,40 Euro und in der Folgezeit 36,90 Euro in Rechnung.

Aufgrund einer Betriebsprüfung forderte die Beklagte für den genannten Zeitraum Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Umlagen in Höhe von 35.783,11 Euro, weil die Beigeladene zu 1. ihre Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe (Bescheid vom 27.2.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 31.8.2018).

Das SG Osnabrück hat die angefochtenen Bescheide mangels abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau aufgehoben (Urteil vom 21.8.2019). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Niedersachsen-Bremen dieses Urteil geändert und den angefochtenen Bescheid der Beklagten insoweit aufgehoben, als Beiträge und Umlagen in Höhe von mehr als 22 819,89 Euro gefordert wurden. Zur Begründung hat es ausgeführt, die von der Beigeladenen zu 1. im Auftrag ihres Ehemanns durchgeführten Pkw-Fahrten im Linienverkehr seien im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erfolgt. Inhalt, Zeit und Ort ihrer Tätigkeit seien im Linienverkehr nach einem festen Zeitplan auf vorbestimmten Strecken vorgegeben gewesen. Es sei ein festes Entgelt in üblicher Höhe für einen Fahrer ohne besondere Fachkenntnisse vereinbart worden. Die Beigeladene zu 1. habe die Fahrten regelmäßig in eigener Person durchgeführt. Die Bereitstellung eines eigenen Pkw durch die Beigeladene zu 1. begründe kein spezifisches, nachhaltig ins Gewicht fallendes unternehmerisches Risiko, weil Haushalte zum überwiegenden Teil ohnehin mit einem Kraftfahrzeug ausgestattet seien. In der gebotenen Gesamtabwägung kämen den für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkten überwiegendes Gewicht zu. Aufgrund der Aufwendungen der Beigeladenen zu 1. bei der Durchführung der Fahrten mit dem eigenen Pkw bleibe jedoch ein Teil des gezahlten Entgelts beitragsfrei (Urteil vom 1.7.2020).

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich (nur) der Kläger mit seiner Beschwerde. Wegen Versäumung der Frist für die Begründung der Beschwerde beantragt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Der Kläger hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend bezeichnet.

1. Über den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG bedurfte es keiner Entscheidung. Da die Beschwerde mangels hinreichender Beschwerdebegründung nach § 160 Abs 2 Satz 3 SGG unzulässig ist, kommt es weder auf die Einhaltung der Begründungsfrist noch auf eine gegebenenfalls zu gewährende Wiedereinsetzung nach § 67 SGG an.

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger zitiert aus der angefochtenen Entscheidung des LSG folgenden Satz:

"Die Bereitstellung des jeweiligen PKWs vermochte schon deshalb kein spezifisches nachhaltig ins Gewicht fallendes unternehmerisches Risiko zu begründen, weil ohnehin der ganz überwiegende Teil der Haushalte mit jedenfalls einem Kraftfahrzeug ausgestattet ist und da auch abhängig Beschäftigte vielfach zum Erreichen ihres Arbeitsplatzes auf ein eigenes Kraftfahrzeug angewiesen sind."

Der Kläger ist der Auffassung, es handele sich dabei um einen die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz, mit welchem sich das LSG in Widerspruch zu einer Entscheidung des BSG vom 11.3.2009 ( B 12 KR 21/07 R - juris RdNr 20) setze, in der ausgeführt sei:

"Soweit das LSG den Umstand als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit gewertet hat, dass die Klägerin als Ausdruck ihres unternehmerischen Risikos die Transportfahrten in einem eigenen Fahrzeug durchzuführen hatte, ist dieses Merkmal im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung in den Kontext der vertraglichen Beziehung und ihrer tatsächlichen Durchführung einzuordnen. Ein gewichtiges Indiz für das Vorliegend einer selbständigen Tätigkeit ist die Übernahme eines Unternehmerrisikos dann, wenn damit auch tatsächliche Chancen und nicht nur Risiken bei der Einkommenserzielung verbunden sind, hier also durch das eigene Transportfahrzeug eine Erweiterung unternehmerischer Möglichkeiten der Klägerin verbunden war."

Ebenso führe das BSG in einer Entscheidung vom 31.3.2015 ( B 12 KR 17/13 R - juris) sowie in einer Entscheidung vom 18.11.2015 ( B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25) aus, maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko sei, "ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt" werde, "der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss" sei.

Zwei sich widersprechende Rechtssätze werden daraus nicht ersichtlich. Denn aus den Ausführungen des Klägers wird nicht erkennbar, dass das LSG mit der widergegebenen Textpassage andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen haben könnte. Vielmehr handelt es sich bei dem zitierten Satz aus der Entscheidung des LSG um die Subsumtion des Einsatzes des eigenen Pkw unter das Kriterium des unternehmerischen Risikos im Rahmen der Gesamtwürdigung der Umstände. Einen abstrakten Rechtssatz hat der Kläger aus dem Urteil des LSG nicht dargelegt. Er hat auch keinen konkreten Widerspruch des LSG gegen die vom BSG entwickelten Kriterien herausgearbeitet. Insbesondere ergibt sich aus den wiedergegebenen Textpassagen der Rechtsprechung des BSG nicht, dass der Einsatz eines eigenen Pkw unabhängig von den Einzelfallumständen generell gegen eine abhängige Beschäftigung spreche. Vielmehr führt das BSG in der vom Kläger zitierten Entscheidung vom 11.3.2009 ( B 12 KR 21/07 R - juris RdNr 20) weiter aus, dass allein die Nutzung eines eigenen Fahrzeugs für eine Bewertung des Vorliegens einer selbstständigen Tätigkeit nicht ausreiche und es insbesondere Feststellungen zur Art des Transportfahrzeuges und zur Ausgestaltung der Tätigkeit und der Art und Weise der Vergütung bedürfe. Unerheblich ist, ob das LSG mit seiner Subsumtion im Einzelfall den vom BSG aufgestellten Kriterien inhaltlich gerecht geworden ist. Denn auf eine mögliche Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall kommt es für die Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht an.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 , § 162 Abs 3 VwGO .

5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG und entspricht der Höhe der noch streitgegenständlichen Beitragsforderung.

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 01.07.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 2 BA 86/19
Vorinstanz: SG Osnabrück, vom 21.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 10 BA 63/18