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BSG - Entscheidung vom 25.08.2020

B 3 P 2/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 25.08.2020 - Aktenzeichen B 3 P 2/20 B

DRsp Nr. 2020/13937

Leistungen aus einer privaten Pflegepflichtversicherung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Rüge einer unzureichenden Amtsermittlung des LSG

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. November 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 ;

Gründe

I

Das LSG hat mit Urteil vom 11.11.2019 die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 27.10.2017 zurückgewiesen und einen Anspruch des Klägers auf die im April 2016 beantragten Leistungen aus der privaten Pflegepflichtversicherung gegen den Beklagten - ein privates Versicherungsunternehmen - abgelehnt.

Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe gestützt auf das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten nebst ergänzender Stellungnahme des Sachverständigen unter Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers die Klage zu Recht abgewiesen. Der Pflegebedarf des Klägers begründe nach den erstinstanzlich durchgeführten Ermittlungen keinen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung. Die im Berufungs- und parallelen Eilverfahren vom Kläger vorgebrachten Gesundheitsbeeinträchtigungen und Funktionseinschränkungen seien vom Sachverständigen bereits gewürdigt worden, dessen Ausführungen schlüssig und überzeugend seien. Dessen Bewertungen deckten sich auch mit den Einschätzungen der vom Beklagten zuvor eingeholten Gutachten. Weitere Amtsermittlungen zur Feststellung etwaiger Verschlechterungen des Zustands des Klägers seien im Berufungsverfahren nicht veranlasst, nachdem der Kläger bestätigt habe, in den letzten Jahren keinen Arzt mehr aufgesucht zu haben.

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG im vorgenannten Urteil hat der Kläger Beschwerde eingelegt und beruft sich auf Verfahrensmängel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

II

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 11.11.2019 ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 SGG ).

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ). Diesen vorliegend allein geltend gemachten Zulassungsgrund hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde nicht schlüssig bezeichnet 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache "richtig" entschieden hat, erfolgt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht.

1. Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

a) Soweit der Kläger als Verletzung der Grundsätze der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens rügt, dass sein PKH-Antrag erst kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung fast zwei Jahre nach Berufungseinlegung vom LSG abgelehnt worden sei, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht hinreichend entnehmen, dass und warum allein dies die als verletzt gerügten Grundsätze zu seinem Nachteil betroffen haben könnte. Insbesondere lässt sich dem Beschwerdevorbringen weder entnehmen, dass nicht auch der unvertretene Kläger selbst auf eine weitere Sachaufklärung hätte hinwirken können und warum das LSG ausgehend von seiner Rechtsauffassung eine weitere Amtsermittlung hätte vornehmen sollen (zur Maßgeblichkeit der Rechtsauffassung des LSG bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, vgl Leitherer in Meyer-Ladewig ua, SGG , 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 16b, 23, § RdNr 16c, 16f).

Im Übrigen erfolgte die PKH-Ablehnung durch Beschluss vom 7.10.2019 noch so zeitig vor der für den 11.11.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung, dass dem Kläger die Möglichkeit sowohl zur Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten als auch zu weiterem Vorbringen eröffnet war. Dass und warum dies zur Wahrung der als im Berufungsverfahren verletzt gerügten Grundsätze vorliegend nicht ausreichend gewesen sein könnte, lässt die Beschwerdebegründung nicht genügend erkennen.

b) Soweit der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren sowie des Gebots der Waffengleichheit deshalb rügt, weil sachfremde Erwägungen und willkürliche Wertungen des Vorsitzenden Richters im Termin zur mündlichen Verhandlung dessen Befangenheit befürchten ließen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Kläger nach seinem Vorbringen ein Ablehnungsgesuch nach § 60 Abs 1 SGG iVm § 44 ZPO nicht angebracht hat. Zudem ist nicht ersichtlich, dass sich die behaupteten Äußerungen auf das Urteil des LSG ausgewirkt haben könnten, obwohl in diesem das Vorbringen des Klägers umfänglich wiedergegeben und ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG gewürdigt worden ist.

c) Im Rahmen seiner Rüge einer unzureichenden Amtsermittlung des LSG 103 SGG ), weil dieses nicht ein neuerliches Sachverständigengutachten oder zumindest eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt habe, macht der Kläger nicht geltend, dem LSG deutlich gemacht zu haben, eine weitere Amtsermittlung für erforderlich zu halten. Auch ein unvertretener Kläger muss indes dem Berufungsgericht deutlich machen, dass und ggf wo er die Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht und deshalb im Berufungsverfahren auf die Sachverhaltsaufklärung hinwirken, deren Unterlassen er nunmehr rügt (vgl zu dieser Anforderung Leitherer, aaO, § 160 RdNr 18a, § 160a RdNr 16e). Dementgegen lässt sich dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG nur entnehmen, dass die Gutachtenlage mit dem unvertretenen Kläger erörtert worden ist und er anschließend einen Sachantrag gestellt hat. Warum dennoch und trotz der nur begrenzt rügbaren Verletzung des § 103 SGG durch § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG hier die Rüge einer unzureichenden Amtsermittlung zulässig sein könnte, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Denn auch wenn von einem vor dem LSG nicht rechtskundig vertretenen Kläger kein ordnungsgemäßer Beweisantrag iS der ZPO iVm § 118 SGG im Verfahren vor dem LSG zu verlangen ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5), so hätte im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ein solcher im Berufungsverfahren zumindest sinngemäß gestellter Antrag von seinen Prozessbevollmächtigten formuliert werden müssen, damit klar wird, wieso das LSG sich zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt sehen müssen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5).

Auch im Übrigen lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, warum das LSG ausgehend von seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Amtsermittlung hätte haben sollen, erst recht, nach dem der Kläger zuletzt auf gerichtliche Anfrage mitgeteilt hatte, in den letzten Jahren keinen Arzt mehr aufgesucht zu haben. Auch dass ein gesonderter Hinweis des LSG, eine weitere Amtsermittlung nicht für erforderlich zu halten, geboten gewesen sein könnte, lässt das Beschwerdevorbringen nicht erkennen, zumal das LSG vor der mündlichen Verhandlung bereits den Antrag des Klägers auf einstweiligen Rechtsschutz im und auf PKH für das Berufungsverfahren abgelehnt hatte. Soweit der Kläger schließlich die Rüge einer unzureichenden Amtsermittlung im Gewand der Gehörsrüge (Überraschungsentscheidung) und der Rüge widersprüchlichen Verhaltens wiederholt, vermag dies die Begrenzung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht zu überspielen (vgl dazu Leitherer, aaO, § RdNr 18c, § RdNr 16e).

d) Unzulässig ist vorliegend schließlich auch die Rüge, das LSG hätte den Kläger auf die Möglichkeit der Beantragung eines Gutachtens nach § 109 SGG hinweisen müssen, denn eine Verletzung des § 109 SGG kann als Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht zulässig gerügt werden. Auch insoweit ist zudem darauf hinzuweisen, dass diese gesetzliche Begrenzung der Verfahrensmangelrüge nicht durch deren Erhebung im Gewand der Gehörsrüge überspielt werden kann (vgl dazu Leitherer, aaO, § 160 RdNr 17b).

e) Soweit der Kläger im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zuletzt auch die Feststellungen des Sachverständigen im Verfahren vor dem SG angegriffen hat, ist bereits nicht dargetan, dass und warum dies einen Verfahrensfehler des LSG begründen könnte (vgl zu den Darlegungsanforderungen insoweit nur Leitherer, aaO, § 160 RdNr 16a).

2. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 11.11.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 P 78/17
Vorinstanz: SG Würzburg, vom 27.10.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 9 P 184/16