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BSG - Entscheidung vom 24.08.2020

B 1 KR 85/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 24.08.2020 - Aktenzeichen B 1 KR 85/19 B

DRsp Nr. 2020/13707

Kostenerstattung für eine stationäre psychotherapeutische Langzeitbehandlung Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 24. Oktober 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1300 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I

Die klagende Krankenhausträgerin behandelte den bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten S (im Folgenden: Versicherter) wegen dessen Alkoholsucht mit mittelgradiger depressiver Episode bei allgemeiner emotionaler Labilität vom 28.8. bis 27.11.2007 stationär (zunächst Entgiftung und ab 7.9.2007 S5-Behandlung <stationäre psychotherapeutische Langzeitbehandlung>). Die Klägerin stellte der Beklagten für die S5-Behandlung des Versicherten 16 716,45 Euro in Rechnung. Die Beklagte lehnte die Zahlung ab, weil nach der Entgiftung bis zur Aufnahme in eine stationäre Rehabilitationseinrichtung (S3-Behandlung) eine ambulante psychotherapeutische Behandlung ausreichend gewesen wäre. Das SG hat die im November 2008 erhobene Zahlungsklage nach Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen (Urteil vom 30.11.2016). Das LSG hingegen hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin 16 716,45 Euro nebst Prozesszinsen von fünf Prozent(punkten) über dem Basiszinssatz hierauf ab dem 11.11.2008 zu zahlen. Die Regelung in § 7 der zwischen der Klägerin einerseits und der Beklagten zusammen mit weiteren KKn-Verbänden andererseits geschlossenen Budget- und Entgeltvereinbarung für das Jahr 2007 (BEV) betreffe nur Verzugszinsen. Die Prozesszinsen bestimmten sich nach dispositivem Gesetzesrecht (Urteil vom 24.10.2019).

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG- Urteil.

II

Die Beschwerde der Beklagten ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

1. Wer sich - wie hier die Beklagte - auf den Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zB BSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - juris RdNr 6; BSG vom 9.5.2018 - B 1 KR 55/17 B - juris RdNr 8; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl BVerfG <Dreierausschuss> vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Beklagten nicht gerecht.

Die Beklagte bezeichnet als Rechtssatz des LSG: "Zwar sei der Anspruch auf Prozesszinsen nach § 291 BGB dispositives Recht und abweichender vertraglicher Vereinbarungen zugängig ( BSG , 23.03.2006, B 3 KR 6/05 R, Rn. 6, juris). Liegt keine ausdrückliche Regelung über den Ausschluss und der Höhe von Prozesszinsen vor, ist durch Auslegung einer vorhandenen vertraglichen Regelung zu ermitteln, ob diese eine abschließende vertragliche Verzinsung unter Verdrängung des dispositiven Gesetzesrechts anordnen sollte." Dem stellt die Beklagte den von ihr formulierten Rechtssatz des BSG gegenüber, "dass grundsätzlich Geldforderungen aus Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern im Falle des Verzugs entsprechend den allgemeinen zivilrechtlichen Regelung zu verzinsen sind, soweit vertraglich nichts anderes vereinbart ist. Die gesetzliche Zinsregelung wird durch vorrangige vertragliche Vereinbarungen verdrängt" (Hinweis auf BSG vom 8.9.2009 - B 1 KR 8/09 R - SozR 4-2500 § 69 Nr 7). Die Beklagte legt nicht hinreichend dar, dass das LSG, das nach dem Beklagtenvorbringen über Prozesszinsen zu befinden hatte, hinsichtlich derselben Rechtsfrage eine andere Antwort im Sinne eines Rechtssatzes gab als das BSG , das nach ihrem Vortrag nicht über Prozesszinsen, sondern über Verzugszinsen zu befinden hatte. Hiernach fehlt es schon an zwei divergierenden Rechtssätzen zur Höhe der Prozesszinsen. Abgesehen davon betonen beide Rechtssätze einen Vorrang der vertraglichen Regelung gegenüber der dispositiven gesetzlichen Regelung. Im Kern macht die Beklagte auch nicht eine auf diese Rechtssätze gestützte Divergenz geltend. Sie wendet sich in der Sache nur gegen die Verurteilung zu Prozesszinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz statt von vier Prozent. Insoweit rügt sie lediglich, das LSG habe § 7 BEV fehlerhaft ausgelegt. Die Regelung besage, dass bei Überschreitung des Fälligkeitstermins jährliche Verzugszinsen in Höhe von vier Prozent erhoben werden könnten, ohne dass es einer Mahnung bedürfe. Eine zutreffende Vertragsauslegung hätte ergeben, dass die für den Verzug vertraglich vereinbarten Zinsen entsprechend für Prozesszinsen gelten würden. Eine dahingehende - von der Beklagten ohnehin nicht erhobene - Rüge der Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ist nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausgeschlossen (vgl dagegen zur Kontrolldichte der Auslegung vertraglicher Vereinbarungen durch die Tatsachengerichte im Revisionsverfahren BSG vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 17 RdNr 25 mwN; BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 9/16 R - SozR 4-5562 § 11 Nr 2 RdNr 27 mwN).

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO . Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 43 Abs 2 , § 52 Abs 1 GKG . Hierbei orientiert sich der Senat zwar an den Vorgaben des § 52 Abs 3 GKG und berücksichtigt, dass nur noch der Betrag aus den unterschiedlichen Zinsansätzen für die Prozesszinsen streitig ist. Er schätzt jedoch die Betragsdifferenz, weil die Beteiligten nicht dazu vorgetragen haben, ob und ggf wann die Beklagte die mittlerweile durch das LSG-Urteil rechtskräftig zuerkannte Hauptforderung erfüllt hat.

Vorinstanz: LSG Sachsen-Anhalt, vom 24.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 6 KR 44/17
Vorinstanz: SG Magdeburg, vom 30.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 13 KR 322/08