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BSG - Entscheidung vom 25.02.2020

B 14 AS 37/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB II § 34

BSG, Beschluss vom 25.02.2020 - Aktenzeichen B 14 AS 37/19 B

DRsp Nr. 2020/4371

Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 12. Dezember 2018 - L 13 AS 137/17 - wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt R., beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB II § 34 ;

Gründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG ), weil die zu ihrer Begründung angeführten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und der Divergenz der Entscheidung des LSG von der Rechtsprechung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt sind.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Nach den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG sich ergebenden Anforderungen muss ein Beschwerdeführer dazu anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Frage sich stellt, dass diese Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 56 ff).

Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich bedeutsam führt sie an, das BVerfG habe 2005 entschieden: "Leistungen der Grundsicherung für arbeitssuchende dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt …" (Verweis auf BVerfG <Kammer> vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 - BVerfGK 5, 237). Danach sei "die Vorschrift des § 34 SGB II unter Berücksichtigung der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes auszulegen, nämlich ob auf existenzsichernde und bedarfsabhängige Leistungen ein Rechtsanspruch besteht und zwar unabhängig von der Ursache der entstandenen Notlage und einem vorwerfbaren Verhalten in der Vergangenheit." Das sei klärungsbedürftig, weil zwar Rechtsprechung des BSG zu § 34 SGB II vorliege, jedoch zumindest "Klärungsbedarf im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 12.05.2005" bestehe.

Damit ist grundsätzlicher Klärungsbedarf zu § 34 SGB II nicht hinreichend bezeichnet. Soll die Beschwerde auf einen weiteren Klärungsbedarf im Hinblick auf die (einfachrechtliche) Auslegung der Vorschrift durch das BSG wegen der Entscheidung des BVerfG vom 12.5.2005 gerichtet sein, nimmt die Rechtsprechung des BSG zu § 34 SGB II ausdrücklich Bezug auf diese Entscheidung (vgl nur BSG vom 2.11.2012 - B 4 AS 39/12 R - BSGE 112, 135 = SozR 4-4200 § 34 Nr 1, RdNr 19; BSG vom 16.4.2013 - B 14 AS 55/12 R - SozR 4-4200 § 34 Nr 2 RdNr 18). Soll mit der Beschwerde dagegen sinngemäß ein Verfassungsverstoß durch § 34 SGB II geltend gemacht sein, müsste unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG im Einzelnen dargelegt werden, welche Auswirkungen der Regelung zukommen und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dabei ist aufzuzeigen, dass und inwieweit der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten und in unzulässiger Weise verletzt hat (stRspr; vgl nur BSG vom 8.9.2016 - B 9 V 13/16 B - juris RdNr 7 mwN; BSG vom 8.2.2017 - B 13 R 294/16 B - juris RdNr 6). Schließlich ist substantiiert darzutun, welche Auswirkungen dem im konkreten Fall zukommen (vgl zu den Anforderungen an die Darlegungsanforderungen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zuletzt nur BVerfG vom 10.8.2017 - 1 BvR 1412/16 - juris RdNr 1). Daran fehlt es hier ebenso wie an näheren Ausführungen zu einem weiteren einfachrechtlichen Klärungsbedarf.

Auch eine Abweichung iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nicht formgerecht bezeichnet. Dazu hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG andererseits aufzuzeigen und die in Bezug genommene Entscheidung so zu kennzeichnen, dass sie ohne Weiteres aufzufinden ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 67 ; SozR 4-1500 § Nr 13). Dabei muss sie deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt wird und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder ein Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 67).

Dem wird die Beschwerde nicht gerecht. Soweit sie Abweichungen von der benannten Entscheidung des BVerfG rügt, sind weder Rechtssätze des BVerfG noch solche des LSG bezeichnet, mit denen es sich im aufgezeigten Sinne in Widerspruch zu denen des BVerfG gestellt hätte. Vielmehr rügt sie mit dem Vorwurf des Abweichens von der "Rechtsauffassung" des BVerfG allenfalls eine fehlerhafte Anwendung von dessen Maßstäben, nicht aber eine bewusste Abweichung im dargelegten Sinne. Nötig dazu wäre die Herausarbeitung und Benennung abstrakter Rechtss- ätze, die sich im Grundsätzlichen widersprechen; solches kann dem Vorbringen nicht entnommen werden.

PKH gemäß § 73a SGG iVm § 114 ZPO ist nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts 73a SGG iVm § 121 ZPO ) ist abzulehnen, weil kein Anspruch auf PKH besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 , 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 12.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 13 AS 137/17
Vorinstanz: SG Aurich, vom 10.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 19 AS 49/16