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BSG - Entscheidung vom 15.05.2020

B 8 SO 1/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 15.05.2020 - Aktenzeichen B 8 SO 1/20 B

DRsp Nr. 2020/9304

Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2019 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Im Streit ist die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ), insbesondere für Unterkunft und Heizung, im Zeitraum vom 1.12.2018 bis 30.11.2019. Der Kläger verfügt über Renteneinkünfte in Höhe von rund 740 Euro/Monat und lebt allein in einer Wohnung mit rund 95qm-Wohnfläche. Die Kosten hierfür hat die Beklagte nicht in vollem Umfang anerkannt (Bescheid vom 18.1.2019; Bescheid vom 7.3.2019; Widerspruchsbescheid vom 18.3.2019). Die Klage, mit der der Kläger die Übernahme weiterer 91 Euro monatlicher Unterkunftskosten begehrt hat, ist erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Konstanz vom 5.8.2019; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Baden-Württemberg vom 4.12.2019). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, der qualifizierte Mietspiegel der Stadt K aus dem Jahr 2017 biete eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung angemessener Unterkunftskosten. Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG beim Bundessozialgericht ( BSG ) sinngemäß Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

II

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Denn es ist nicht ersichtlich, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter die Beschwerde erfolgreich begründen könnte. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre insoweit nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat 160 Abs 2 Nr 1 SGG ), das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Im Zusammenhang mit den, mit dem Begehren des Klägers auf Berücksichtigung höherer Bedarfe für Unterkunft und Heizung 42a Abs 1 iVm § 35 SGB XII ) aufgeworfenen Fragen zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenze liegt gefestigte Rechtsprechung des BSG vor. Zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße für Einpersonenhaushalte ist nach der ständigen Rechtsprechung der für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - ( SGB II ) zuständigen Senate des BSG auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau und die entsprechenden landesrechtlichen Wohnraumförderungsbestimmungen abzustellen (vgl etwa BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - juris RdNr 18 mwN; BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 mwN, die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG vom 10.10.2017 - 1 BvR 944/14). Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung für den Bereich des SGB XII angeschlossen, auch wenn § 35 SGB XII im Wortlaut abweicht (vgl BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 24/08 R - SozR 4-3500 § 29 Nr 1 RdNr 14 mwN; BSG vom 7.2.2018 - B 8 SO 40/17 BH - juris RdNr 6; BSG vom 7.3.2019 - B 8 SO 23/18 BH - juris RdNr 6). Das LSG hat die vom BSG aufgestellten Maßstäbe berücksichtigt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Soweit der Kläger sinngemäß ausführt, die Entscheidung des LSG sei inhaltlich falsch, vermag dies die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat ( BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § Nr 7).

Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.

Nach Aktenlage liegt auch kein Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) vor. Insbesondere lassen die Ausführungen des LSG, dass der den streitigen Zeitraum betreffende und während des Widerspruchsverfahrens ergangene Bescheid vom 7.3.2019 Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist, keinen Verfahrensfehler erkennen (vgl dazu BSG vom 28.8.2018 - B 8 SO 31/16 R - SozR 4-1500 § 86 Nr 4 RdNr 11 mwN). Der danach zu Unrecht ergangene "zusätzliche" Widerspruchsbescheid vom 23.5.2019 ist ausweislich des vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellten Antrags nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens und der Entscheidung des LSG geworden. Angesichts dieses Antrags (Leistungen "unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren") durfte das LSG auch von einer wirksamen Begrenzung des Streitgegenstands auf Leistungen der Unterkunft und Heizung ausgehen, selbst wenn der Kläger zur Begründung seiner Klage noch ausgeführt hat, ihm werde der Regelsatz gekürzt. Der Antrag des Klägers war auch sachdienlich, weil der Regelsatz in voller Höhe in die Berechnung der Grundsicherungsleistungen eingeflossen ist und die Beklagte ausschließlich Unterkunftsbedarfe nicht in vollem Umfang anerkannt hat.

Das LSG musste entgegen der Auffassung des Klägers vor seiner Entscheidung in der Sache über den Antrag auf Bewilligung von PKH entscheiden, weil das Gesetz eine vorbehaltlose PKH- Bewilligung nicht kennt, sondern sie davon abhängig macht, dass nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage das Berufungsverfahren eine gewisse Aussicht auf Erfolg in der Sache hat. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gebietet dabei, über das PKH-Gesuch vor Entscheidung über die Berufung und nicht praktisch zeitgleich oder gar nach dem Erlass des Berufungsurteils hierüber zu befinden (vgl dazu etwa BSG vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 9).

Die weiteren Rügen des Klägers zur behaupteten Weigerung des Vorsitzenden, Erklärungen abzugeben oder Fragen zu beantworten sowie zum Jobcenter lassen auch bei wohlwollender Betrachtung keinen Verfahrensmangel erkennen, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen könnte.

Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Die eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung selbst nicht rechtswirksam vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Auch hierauf hat das LSG in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen.

Die Entscheidung ergeht nach § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 04.12.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 2 SO 2898/19
Vorinstanz: SG Konstanz, vom 05.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 3 SO 607/19