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BSG - Entscheidung vom 22.07.2020

B 13 R 14/19 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 22.07.2020 - Aktenzeichen B 13 R 14/19 BH

DRsp Nr. 2020/12787

Gewährung einer Erwerbsminderungsrente Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. Mai 2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. H. zu gewähren, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 14.5.2019 einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente verneint.

Mit privatschriftlichem Schreiben vom 6.6.2019 hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil beantragt. Mit privatschriftlichem Schreiben vom 13.6.2019 sowie weiteren privatschriftlichen Schreiben, zuletzt vom 25.11.2019, hat der Kläger sein Vorbringen ergänzt und umfangreiche Unterlagen vorgelegt.

II

1. Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier. Das gegen die angefochtene Berufungsentscheidung statthafte und vom Kläger angestrebte Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision 160a SGG ). Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr ), das angegriffene Urteil von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein bestimmter Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Akten des LSG und derjenigen der Beklagten auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers nicht ersichtlich. Mit der Ablehnung des PKH-Antrags entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

a) Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (vgl § 73 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGG ) erfolgreich geltend machen könnte, der Rechtssache komme eine grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zu. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Eine derartige Rechtsfrage stellt sich vorliegend nicht. Die Voraussetzungen, unter denen eine Erwerbsminderungsrente gewährt wird, ergeben sich unmittelbar aus § 43 und § 240 SGB VI . Hieraus ergibt sich insbesondere, dass Versicherte eine Erwerbsminderungsrente nur beanspruchen können, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (sog Drei-Fünftel-Belegung, vgl § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Abs 2 Satz 1 Nr SGB VI ), und unter welchen Voraussetzungen sich der Fünf-Jahres-Zeitraum verlängert (vgl § 43 Abs 4 SGB VI ). Es ist höchstrichterlich geklärt, dass das Erfordernis der Drei- Fünftel-Belegung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl BVerfG Beschluss vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 ua - BVerfGE 75, 78 , 95 ff, 103 = SozR 2200 § 1246 Nr 142 S 460 ff, 464; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 14.11.2000 - 1 BvL 9/89 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 64 S 297; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 20.9.2001 - 1 BvR 1423/94 - juris RdNr 32; BSG Urteil vom 24.10.2013 - B 13 R 83/11 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 20 RdNr 23).

Das umfangreiche klägerische Vorbringen bezieht sich in weiten Strecken auf den von ihm anderweitig verfolgten Anspruch auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen - die ihm im Übrigen seit dem 1.6.2019 gewährt zu werden scheint - und auf andere Streitigkeiten. Dabei macht der Kläger ua diverse Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche geltend und wendet sich gegen verschiedene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Soweit er sich auf das vorliegend angegriffene Urteil des LSG bezieht, kritisiert der Kläger die seiner Ansicht nach unrichtige Rechtsanwendung in seinem konkreten Fall. Er bringt ua vor, ihm stehe der geltend gemachte Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente ungeachtet der sog Drei-Fünftel-Belegung schon wegen der Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren zu; der Leistungsfall sei nicht, wie vom LSG angenommen, am 22.5.2015 sondern erst am 2., 5. oder 28.3.2016 eingetreten; zudem habe er im maßgeblichen Zeitraum weitere Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt; ihm sei jedenfalls angesichts seiner langjährigen Erwerbstätigkeit eine "Mindestrente" zu gewähren. Die darin liegende Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl etwa BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; jüngst Senatsbeschluss vom 2.9.2019 - B 13 R 354/18 B - juris RdNr 9).

b) Es spricht ferner nichts dafür, dass ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter mit Erfolg den Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) geltend machen könnte. Die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.

c) Es ist schließlich nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann, in zulässiger Weise geltend gemacht werden könnte. Insbesondere lässt sich kein Verstoß gegen § 124 Abs 1 SGG (Grundsatz der Mündlichkeit) darin erblicken, dass das LSG ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Klägers entschieden hat. Nach § 124 Abs 2 SGG kann im Einverständnis der Beteiligten von einer mündlichen Verhandlung abgesehen und im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 29.4.2019 (Bl 3193 der Prozessakte) sein Einverständnis mit einem solchen Vorgehen erklärt. Seine Einverständniserklärung ist klar, eindeutig und vorbehaltlos gewesen (vgl zu diesem Erfordernis zuletzt etwa BSG Beschluss vom 30.10.2019 - B 14 AS 258/18 B - juris RdNr 7 mwN). Es spricht auch nichts dafür, dass die Einverständniserklärung wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ihre Wirksamkeit verloren haben könnte (vgl dazu BSG Beschluss vom 2.7.2019 - B 2 U 156/18 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 16.7.2019 - B 12 KR 102/18 B - juris RdNr 6). Das wird vom Kläger selbst nicht vorgebracht, der lediglich im Nachhinein bedauert, auf eine mündliche Verhandlung verzichtet zu haben.

2. Eine - unbedingte - Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger nicht eingelegt. Vielmehr hat er deutlich gemacht, dass eine Beschwerdeeinlegung erst durch den im Rahmen der PKH-Gewährung beizuordnenden Bevollmächtigten erfolgen solle. Das ergibt sich beispielhaft aus der von ihm gewählten Formulierung "… Beiordnung des … Rechtsanwalt(s) …, der im Falle der antragsgemäßen Gewährung von PKH … Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sowie form- und fristgerecht die Nichtzulassungsbeschwerde offiziell einreichen und substantiiert begründen wird" (S 1 des privatschriftlichen Schreibens des Klägers vom 6.6.2019).

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 14.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 4 R 504/17
Vorinstanz: SG Dresden, vom 30.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 50 R 1325/16