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BSG - Entscheidung vom 08.01.2020

B 13 R 307/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 08.01.2020 - Aktenzeichen B 13 R 307/18 B

DRsp Nr. 2020/2316

Früherer Beginn einer bewilligten Altersrente Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Anforderungen an die Sachverhaltsdarlegung in einer Nichtzulassungsbeschwerde

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Oktober 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Der Kläger begehrt einen früheren Beginn der ihm von der Beklagten bewilligten Altersrente. Dies hat die Beklagte - vom LSG durch Urteil vom 16.10.2018 bestätigt - abgelehnt. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde an das BSG 160a Abs 1 Satz 1 SGG ). Er macht als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.

Die Beschwerdebegründung vom 23.1.2019 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn der von dem Kläger geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) ist nicht formgerecht dargetan (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Der Senat lässt es dahinstehen, ob es sich bei der von dem Kläger formulierten Frage um eine abstrakt-generelle Rechtsfrage handelt, die in einem Revisionsverfahren einer Beantwortung durch das BSG zugeführt werden kann. Der Kläger hält es für klärungsbedürftig, ob einer Anwendung des § 28 SGB X die Vorschrift des § 44 Abs 4 SGB X entgegensteht. Diese Frage ist nicht aus sich heraus verständlich. Denn § 28 SGB X sieht eine Rückwirkung eines Antrags auf eine andere Sozialleistung als die aktuell begehrte bis zu einem Jahr vor. Voraussetzung ist, dass der Antrag auf die aktuell begehrte Leistung im Hinblick auf den Antrag auf die andere Leistung unterblieben und nun nach der Versagung der anderen Sozialleistung nachgeholt worden ist. Welche Bedeutung § 44 Abs 4 SGB X in diesem Zusammenhang zukommen soll, nach dem gilt, dass Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme eines Verwaltungsakts erbracht werden, wenn dieser mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, erschließt sich aus der Frage selbst nicht. Denn die Rücknahme des Verwaltungsakts, mit dem die andere als die nun begehrte Sozialleistung versagt worden ist, würde nicht die Frist des § 28 SGB X auslösen und umgekehrt ist die Rückwirkungsfrist des § 28 SGB X deutlich kürzer als die des § 44 Abs 4 SGB X . Auch aus dem weiteren Beschwerdevorbringen lassen sich keine Erkenntnisse gewinnen, die Rückschlüsse darauf zulassen, worum es dem Kläger bei der aufgeworfenen Frage geht.

Unabhängig davon scheitert die Zulassung der Revision auf Grundlage der Beschwerdebegründung jedoch auch daran, dass der Kläger die Klärungsbedürftigkeit, zumindest aber die Klärungsfähigkeit der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage nicht hinreichend dargelegt hat.

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Insoweit genügt es nicht zu behaupten, ersteres sei nicht der Fall. Ebenso wenig ist es ausreichend vorzubringen, es gäbe keine Entscheidungen des BSG oder des BVerfG zu § 28 SGB X und folglich auch nicht zu dem Verhältnis von § 28 SGB X und § 44 Abs 4 SGB X . Zum einen benennt der Kläger in der weiteren Begründung eine Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 19.10.2010 (B 14 AS 16/09 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 3), auf die sich das LSG gestützt haben soll und die sich mit § 28 SGB X befasst. Selbst wenn der Kläger meint, diese Entscheidung sei für die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage nicht ergiebig, so hätte dies zumindest einer kurzen Begründung bedurft. Gleiches gilt für die Entscheidung des 4. Senats vom 2.4.2014 (B 4 AS 29/13 R - BSGE 115, 225 = SozR 4-4200 § 37 Nr 6), die sich am Rande ebenfalls mit den Fristen des § 28 SGB X befasst, oder das Urteil des BSG vom 24.4.2014 (B 13 R 23/13 R - RdNr ). Dort wird ausgeführt, zwar komme § 44 Abs 4 SGB X im zu entscheidenden Fall nicht unmittelbar zur Anwendung. Denn ein bindender 77 SGG ) rechtswidriger Verwaltungsakt, der in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen wäre, liege nicht vor. Der Senat habe jedoch bereits entschieden, dass in Erstfeststellungsverfahren, in denen ein Anspruch auf rückwirkende Leistungserbringung aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erhoben werde, § 44 Abs 4 SGB X entsprechende Anwendung finde (s auch BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 13 R 58/06 R - BSGE 98, 162 = SozR 4-1300 § 44 Nr 9).

Aus klägerischer Sicht wäre eine Auseinandersetzung hiermit erforderlich gewesen. Denn als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, aber schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr, zB BSG Beschluss vom BSG 15.8.2019 - B 9 SB 23/19 B - Juris RdNr 9; Beschluss vom 8.3.2018 - B 9 SB 93/17 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 24.3.2018 - B 12 R 44/17 B - Juris RdNr 8). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt hat oder durch die schon vorliegenden Entscheidungen die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom 22.3.2018 - B 5 RE 12/17 B - Juris RdNr 12 mwN).

Soweit es die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage betrifft, ist diese vom Kläger bereits deswegen nicht hinreichend dargebracht worden, weil der Senat an Hand der Beschwerdebegründung nicht nachvollziehen kann, von welchem Sachverhalt auszugehen ist. Auch den Inhalt der Entscheidungsgründe des LSG teilt der Beschwerdeführer nur bruchstückhaft mit.

Der Kläger führt zwar aus, das LSG habe seine Entscheidung auf § 44 SGB X gestützt und dabei eine Anwendbarkeit des § 28 SGB X aufgrund des Fristablaufs des § 44 Abs 4 SGB X verneint. Ferner bringt er dar, das LSG vertrete die Auffassung, auf die Bestimmung des § 28 SGB X komme es im Endergebnis nicht an, weil einer Zuerkennung der begehrten Leistung schon die Vorschrift des § 44 Abs 4 SGB X entgegenstehe. Die Fragestellung gehöre vor der Fragestellung, ob § 28 SGB X tatbestandlich überhaupt gegeben sei, geklärt, denn es habe keinen Sinn ein solches Verfahren zu führen, wenn man mit § 44 Abs 4 SGB X das Verfahren im Keim ersticke. Welche zeitlichen Abläufe dem Geschehen zugrunde liegen, die offensichtlich nach Auffassung des LSG sowohl zu einer Anwendbarkeit des § 28 SGB X , als auch des § 44 Abs 4 SGB X führen können, erschließt sich hieraus jedoch nicht.

Es lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür, in welcher Verbindung § 28 SGB X und § 44 Abs 4 SGB X stehen könnten, aus der Sachverhaltsdarstellung gewinnen. Denn hieran mangelt es in der Beschwerdebegründung ebenfalls. Den Schilderungen des Klägers können allenfalls Fragmente der entscheidungserheblichen Tatsachen entnommen werden. Abgesehen davon gehört eine verständliche Sachverhaltsschilderung zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes; denn es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 29.9.2017 - B 13 R 365/15 B - juris RdNr 3; Beschluss vom 12.6.2017 - B 13 R 144/17 B - juris RdNr 9 mwN).

An das Erfordernis der Sachverhaltsdarlegung sind zudem umso höhere Anforderungen zu stellen, wenn es sich wie hier offenbar um einen sehr umfangreichen Lebenssachverhalt handelt. So muss jedenfalls der Hinweis in der Beschwerdeschrift verstanden werden, die Sache habe dem BSG in der Vergangenheit bereits zur Überprüfung vorgelegen. Es ist davon auszugehen, dass neue Tatsachen seitdem hinzugekommen sind, die jedoch in der Beschwerdeschrift weder inhaltlich noch in zeitlicher Sicht dargebracht werden. Auch mangelt es an Ausführungen dazu, ob die fragmentarische Darstellung den Tatsachenfeststellungen entspricht, die das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (vgl Senatsbeschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 214/16 B - juris RdNr 6).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 16.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 1698/16
Vorinstanz: SG Freiburg, vom 13.04.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 16 R 5970/14