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BSG - Entscheidung vom 17.03.2020

B 3 KR 47/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 17.03.2020 - Aktenzeichen B 3 KR 47/19 B

DRsp Nr. 2020/6970

Freistellung von Kosten für selbstbeschaffte häusliche Krankenpflege Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. August 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Das Bayerische LSG hat mit Urteil vom 13.8.2019 einen Anspruch der Klägerin auf Freistellung von den Kosten für selbstbeschaffte häusliche Krankenpflege im Zeitraum vom 1.1. bis 31.12.2017 im Umfang von einer weiteren Stunde und 33 Minuten täglich an sieben Tagen pro Woche gegen die beklagte Krankenkasse (KK) und die beigeladene Pflegekasse verneint. Die Klage sei bereits mangels erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin nicht ersichtlich sei, dass ihr Kostenansprüche gegenüber der Beklagten oder der Beigeladenen drohten. Doch selbst bei unterstelltem Rechtsschutzbedürfnis bestehe kein Anspruch auf Freistellung von Kosten im begehrten zeitlichen Umfang an häuslicher Krankenpflege. Hierbei sei der zeitliche Bedarf an Grundpflege zugunsten der Klägerin nach dem auf der Grundlage des SGB XI aF (idF bis 31.12.2016) erstellten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) individuell und nicht pauschal - nach den zur neuen Rechtslage ab 1.1.2017 ergangenen Pflege-Richtlinien - bemessen. Über den Anspruch der Klägerin sei nach der einschlägigen Rechtsprechung des BSG vom 17.6.2010 ( B 3 KR 7/09 R - BSGE 106, 173 = SozR 4-2500 § 37 Nr 11) und vom 30.11.2017 ( B 3 KR 11/16 R - SozR 4-2500 § 37 Nr 15) entschieden worden. Die Klägerin sei im streitigen Zeitraum im Umfang von 24 Stunden täglich medizinisch bzw pflegerisch intensiv versorgt worden. Hier stehe nur die nach den Maßstäben der vorgenannten Rechtsprechung entwickelte Aufteilung der Finanzierung der Leistungen zwischen den Leistungserbringern im Streit, denn sowohl Leistungen der häuslichen Krankenpflege aus der GKV als auch Leistungen der häuslichen Grundpflege der sozialen Pflegeversicherung ( SGB XI ) seien erbracht worden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht formgerecht dargelegt worden ist 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Sie war deshalb ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG ).

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

a) Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam die Frage:

"Schließt das Bestehen eines Sachleistungsanspruchs auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V im Umfang von 24 Stunden täglich an sieben Tagen in der Woche auch im Hinblick auf den Charakter der gesetzlichen Krankenversicherung als beitragsfinanzierter Vollversicherung eine Aufteilung der für diese Leistungen entstehenden Kosten zwischen der Krankenkassen und der Pflegekasse auch dann aus, wenn sowohl die Leistungen der häuslichen Krankenpflege als auch die Leistungen der Grundpflege von ein und derselben Pflegekraft erbracht werden?"

b) Hierzu trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass sich das BSG zwar bereits in seiner Entscheidung vom 17.6.2010 ( B 3 KR 7/09 R - BSGE 106, 173 = SozR 4-2500 § 37 Nr 11) zur Frage der Kostenaufteilung zwischen Kranken- und Pflegekasse geäußert habe. Allerdings habe es sich nicht hinreichend mit dem Sachleistungsprinzip der GKV beschäftigt. Die soziale Pflegeversicherung sei keine Vollversicherung. Die vom BSG getroffene Kostenaufteilung zwischen Krankenkasse, Pflegekasse und Versicherten bzw dem Sozialhilfeträger sei dem Sachleistungsprinzip fremd und widerspreche dem Charakter der beitragsfinanzierten Vollversicherung des SGB V . Aus § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V folge, dass jedenfalls dann keine Kostenaufteilung in Betracht komme, wenn der Versicherte dadurch mit Kosten belastet würde. Die den Versicherten treffenden Kosten entstünden durch die Hinzuziehung einer besonderen intensivmedizinisch erfahrenen Fachkraft, um die lebensnotwendige Krankenbeobachtung und -pflege durchzuführen. Die auf- geworfene Rechtsfrage sei auch entscheidungserheblich. Wäre ihrer (der Klägerin) Rechtsansicht zu folgen, hätte sie Anspruch auf Kosten einer weiteren Stunde und 33 Minuten an häuslicher Krankenpflege und das vom LSG verneinte Rechtsschutzbedürfnis würde bestehen.

2. Diese Ausführungen genügen nicht den Anforderungen an die Darlegung einer klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfrage.

a) Die Beschwerdebegründung enthält bereits keinen ausreichenden Vortrag, der erkennen lässt, aus welchem Grund die vom LSG - mangels Rechtsschutzbedürfnisses - als unzulässig beurteilte Klage im angestrebten Revisionsverfahren einer Prüfung der materiellen Rechtslage durch das Revisionsgericht unterzogen werden müsste. Daher fehlt es schon an hinreichenden Darlegungen der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Die Ausführungen der Klägerin sind nicht plausibel vor dem Hintergrund, dass das LSG festgestellt hat, dass ihr keine Inanspruchnahme von Kosten drohe, da ihr weder durch den Pflegedienst Rechnungen für die Behandlungspflege gestellt worden seien, noch das Geltendmachen solcher Ansprüche bevorstehe, die Beklagte überdies erklärt habe, die Abrechnung mit dem Pflegedienst sowohl hinsichtlich der Behandlungs- als auch der Grundpflege aus ihrer Sicht abgeschlossen sei und der Pflegedienst mitgeteilt habe, dass darüber hinaus Ansprüche für Behandlungspflege nicht geltend gemacht würden. Eine Verfahrensrüge im Hinblick auf die Tatsachenfeststellungen des LSG hat die Klägerin aber nicht erhoben. Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht deshalb plausibel dargelegt, wenn in der Beschwerdebegründung (S 7) vorgetragen wird, dass durch die Aufteilung in Behandlungs- und Grundpflege dem Versicherten Kosten "durch die Hinzuziehung einer besonderen intensivmedizinisch erfahrenen Fachkraft" entstünden. Denn das LSG hat nicht festgestellt, dass Kosten für eine solche Hinzuziehung hier entstanden sind.

b) Selbst bei unterstelltem Rechtsschutzbedürfnis fehlt es an hinreichender Darlegung der erneuten Klärungsbedürftigkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Frage. Wie sie selbst vorträgt, hat das BSG in den von ihr zitierten Urteilen über die leistungs- und kostenrechtliche Aufteilung im Fall der häuslichen Intensivpflege (24 Stunden täglich) bereits grundlegend entschieden. Zwar kann eine Rechtsfrage trotz Vorliegens einer höchstrichterlichen Entscheidung weiter klärungsbedürftig bleiben oder erneut klärungsbedürftig werden, wenn der Entscheidung in nicht geringem Umfang widersprochen wird und nicht abwegige Einwendungen gegen sie erhoben werden (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 24.4.2019 - B 3 KR 52/18 B - juris RdNr 9 und hierzu auch Leitherer in Meyer-Ladewig ua, SGG , 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 8b, jeweils mwN). Nur vereinzelt vertretene abweichende Meinungen begründen demgegenüber grundsätzlich keinen Klärungsbedarf (vgl hierzu auch BGH Beschluss vom 8.2.2010 - II ZR 54/09 - NJW-RR 2010, 1047 ). Die Klägerin hat aber nicht vorgetragen, dass der Rechtsprechung des BSG in diesem Maße widersprochen worden ist. Sie setzt lediglich ihre eigene Rechtsansicht entgegen, da sie die Rechtsprechung für nicht mit dem Sachleistungsprinzip aus § 2 SGB V vereinbar hält. Das LSG hat insofern aber ausdrücklich festgestellt, dass es bei der 24 Stunden-Intensiv-Versorgung der Klägerin nicht zu Leistungskürzungen gekommen sei, sondern sich die Kürzung von einer Stunde 33 Minuten lediglich im Hinblick auf die Kostenaufteilung zwischen den einzelnen Leistungsträgern ausgewirkt habe. Auch diese Feststellungen sind von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen (s § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) angegriffen worden und daher für den Senat bindend. Schließlich hat das LSG sogar festgestellt, dass keine "verkappte Zuzahlung" erfolgt sei, weil die Klägerin im Hinblick auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege von Zuzahlungen befreit gewesen sei.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 13.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 277/18
Vorinstanz: SG Augsburg, vom 30.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 6 KR 578/17