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BSG - Entscheidung vom 12.08.2020

B 12 KR 4/20 R

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 12.08.2020 - Aktenzeichen B 12 KR 4/20 R

DRsp Nr. 2020/14721

Festsetzung höherer Sozialversicherungsversicherungsbeiträge gegenüber einem ehemaligen Arbeitgeber Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 2020 sowie für das Revisionsverfahren gegen dieses Urteil Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerde- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Der Kläger begehrt die Festsetzung höherer Sozialversicherungsversicherungsbeiträge gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber.

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der D. (im Folgenden D.). Mit der Firma R. (im Folgenden R.) schloss er am 31.7.2010 einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Danach sollte die D. die vertrieblichen und akquisitorischen Geschäfte der Firma R. gegen ein monatliches Honorar übernehmen. Diesen Vertrag kündigte der Kläger zum 30.6.2011. Durch Beschluss vom 30.6.2011 ordnete das AG die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der R. an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 1.11.2011 übernahm die Firma C. (im Folgenden: C.) den Geschäftsbetrieb der Firma R. aufgrund eines Unternehmenskaufvertrags. R. wurde am 22.6.2017 aus dem Handelsregister gelöscht. C. wurde am 2.10.2018 wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht.

Der Kläger war zunächst aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 27.7.2010 ab 1.7.2010 für R. im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig. Ab 1.8.2010 war er im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrags für R. tätig.

Die beklagte AOK stellte als Einzugsstelle fest, dass der Kläger vom 1. bis 31.7.2010 im Rahmen eines versicherungsfreien, geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen sei. Für die Zeit vom 1.8.2010 bis 30.6.2011 nahm sie ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis an und forderte vom Insolvenzverwalter der R. durch Bescheid vom 2.3.2015 Beiträge iH von 3898,37 Euro nach. Grundlage der Beitragsberechnung waren Rechnungen des Klägers. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück. Im Klageverfahren machte der Kläger geltend, zwischen ihm und dem Geschäftsführer der R. sei eine erheblich höhere Bruttovergütung vereinbart worden. Durch Bescheid vom 5.10.2016 forderte die Deutsche Rentenversicherung Schwaben nach einer Sonderbetriebsprüfung vom Insolvenzverwalter der R. Beiträge anlässlich der Tätigkeit des Klägers für die Zeit vom 1.8.2010 bis 31.5.2011 iH von 7297,13 Euro nach. Die Grundlage der Beitragsberechnung stimme mit derjenigen der Beklagten überein. Die Beklagte habe lediglich die Beiträge falsch berechnet. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 27.3.2018). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 19.2.2020).

Der nicht anwaltlich vertretene Kläger hat gegen das Urteil des LSG ausdrücklich Revision eingelegt, die Zulassung der Revision und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) nebst Beiordnung eines Fachanwalts beantragt und eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht.

II

1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO ). Hinreichende Erfolgsaussichten liegen jedoch weder für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision noch für ein Revisionsverfahren vor.

a) Das BSG darf nach § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Das Vorbringen des Klägers und die Durchsicht der Akten haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der vorgenannten Gründe ergeben. Es ist nicht ersichtlich, dass ein beizuordnender Prozessbevollmächtigter einen der genannten Zulassungsgründe im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen könnte.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Eine solche Rechtsfrage ist vorliegend nicht ersichtlich. Eine Klärungsbedürftigkeit ist angesichts der Rechtslage (vgl ua § 55 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB VI ) und der Rechtsprechung des BSG ua zur Durchsetzbarkeit von Beitragsforderungen in dem allein in Betracht kommenden Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl BSG Urteil vom 13.8.1996 - 12 RK 76/94 - SozR 3-2400 § Nr 6) nicht anzunehmen. Auch eine über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung ist nicht ersichtlich. Sie liegt vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist ( BSG Beschluss vom 19.1.1981 - 7 BAr 69/80 - SozR 1500 § Nr 39 S 58), dh wenn sich die Rechtsfrage als solche in der Rechtspraxis in einer Vielzahl von Fällen stellt. Die danach erforderliche "Breitenwirkung" ist vorliegend nicht anzunehmen.

Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer (anderen) Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Auch hierfür ist nichts ersichtlich.

Die aus Sicht des Klägers zu Unrecht unterbliebene Vernehmung des Geschäftsführers der ROWI stellt keinen Verfahrensmangel dar, der nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG die Zulassung der Revision begründen könnte. Ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG kommt es auf eine Beweiserhebung über eine vermeintlich höhere Bruttovergütung nicht an, denn eine darauf gestützte höhere Beitragsnachforderung durch die Beklagte wäre nicht durchsetzbar. Für das Vorliegen sonstiger Verfahrensfehler liegen keine Anhaltspunkte vor. Insbesondere hat der Kläger einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ausdrücklich zugestimmt.

Soweit sich der Kläger im Kern seines Vorbringens gegen eine aus seiner Sicht bestehende inhaltliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung wendet, könnte darauf eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG nicht gestützt werden. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = juris RdNr 9).

b) Die vom Kläger "vorsorglich" eingelegte Revision hat ebenfalls keine zur Gewährung von PKH erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten. Nach § 160 Abs 1 SGG steht den Beteiligten gegen eine Entscheidung des LSG die Revision an das BSG nur zu, wenn sie zugelassen worden ist, und zwar entweder schon durch das LSG im Urteil oder einem verfahrensbeendenden Beschluss oder nachträglich durch Beschluss des BSG aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde 160a SGG ). Beides ist nicht der Fall.

Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

2. Sowohl die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision als auch die von ihm bereits eingelegte Revision sind als unzulässig zu verwerfen.

Die Unzulässigkeit der Revision ergibt sich bereits aus der fehlenden Zulassung. Darüber hinaus sind beide Rechtsmittel vom Kläger selbst ohne Zuziehung eines zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden und entsprechen daher nicht der gesetzlichen Form. Vor dem BSG müssen sich die Beteiligten nach § 73 Abs 4 SGG , außer in PKH-Verfahren, durch zugelassene Prozessbevollmächtigte vertreten lassen, sodass Rechtsmittel wirksam nur durch diese eingelegt werden können. Die nicht formgerecht eingelegten Rechtsmittel sind jeweils durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 3 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 19.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen B 12 KR 54/20 BL 5 KR 1255/18
Vorinstanz: SG Konstanz, vom 27.03.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 12 KR 819/15