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BSG - Entscheidung vom 29.01.2020

B 13 R 265/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 29.01.2020 - Aktenzeichen B 13 R 265/18 B

DRsp Nr. 2020/3556

Erstattungsforderung wegen einer ab Rentenbeginn überzahlten Altersrente Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 23. August 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20 350,71 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Im Streit steht eine Erstattungsforderung des beklagten Rentenversicherungsträgers wegen einer ab Rentenbeginn überzahlten Altersrente in Höhe von schlussendlich 20 350,71 Euro.

Die Kläger sind die Erben des am 15.10.2010 verstorbenen Versicherten. Dieser bezog seit Juni 1993 (Bescheid vom 2.7.1993) eine Altersrente. Nach einem "Überprüfungsantrag" des Versicherten wegen der Höhe eines bei der Berechnung der Altersrente zu berücksichtigenden Freibetrags für eine Unfallrente hörte der Rentenversicherungsträger ihn zu einer Überzahlung wegen bisheriger Nichtberücksichtigung dieser Unfallrente an 24 SGB X ). Durch Bescheid vom 5.6.2007 nahm der Rentenversicherungsträger eine Neuberechnung der Altersrente ab dem 1.6.1993 unter Berücksichtigung der dem Versicherten gezahlten Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung vor. Zugleich nahm er den Ausgangsrentenbescheid nach § 45 SGB X zurück und machte eine Erstattungsforderung geltend 50 SGB X ), die er nach dem Änderungsbescheid vom 13.9.2007 mit 20 350,71 Euro bezifferte. Dem Versicherten sei die Fehlerhaftigkeit des Ausgangsrentenbescheides aufgrund der ihm dort gegebenen Informationen bekannt gewesen oder er hätte sie aufgrund dieser erkennen müssen 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X ). Er habe es versäumt, den Bezug einer Verletztenrente anzugeben. Im Widerspruchsverfahren blieb der Versicherte erfolglos.

Das SG hat das Klageverfahren - fortgeführt von den Erben des zwischenzeitlich verstorbenen Versicherten - durch abweisendes Urteil abgeschlossen (Urteil vom 22.9.2015). Das LSG hat die Berufung hiergegen zurückgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des SG verwiesen und ist davon ausgegangen, der Versicherte habe die Rechtswidrigkeit der Entscheidung gekannt bzw grobfährlässig nicht gekannt. Ergänzend hat es ausgeführt, der Versicherte habe den Antragsvordruck unterschrieben. Damit habe er die Verantwortung für seinen Inhalt übernommen - auch dafür, dass in diesem die Frage nach dem Bezug einer Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung fehlerhaft verneint worden sei. Er habe eine falsche Angabe gemacht, derer er sich bewusst gewesen sei. Unerheblich sei insoweit, wie die Antragsaufnahme im Detail abgelaufen sei. Das LSG hat die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 23.8.2018).

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde zum BSG . Sie rügen insbesondere einen Verfahrensmangel des LSG 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), indem dieses einen Antrag auf Vernehmung einer Zeugin übergangen habe.

II

Die Beschwerde ist unzulässig.

Soweit die Kläger ihre Beschwerde auf alle in Betracht kommenden Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 SGG stützen, "insbesondere die Nummer 2", ist sie bereits deswegen unzulässig, weil es in der Beschwerdebegründung an jeglichen Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) sowie zur Rüge der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) mangelt. Jedoch genügen auch die Darlegungen zu einem Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht den gesetzlichen Anforderungen. Sie haben den allein näher dargelegten Verstoß des LSG gegen den Amtsermittlungsgrundsatz 103 SGG ) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlichen Weise bezeichnet.

Die Rüge, dass der Amtsermittlungsgrundsatz verletzt worden ist, muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, prozessordnungsgemäßen Beweisantrags, den sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten haben oder den das Gericht in seinem Urteil wiedergibt (stRspr; vgl zB Senatsbeschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - juris RdNr 10 mwN) und dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Darlegung, dass die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruht (stRspr; vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; Senatsbeschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - juris RdNr 6 mwN). Diesen Maßstäben genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Kläger benennen als Beweisantrag, der von dem LSG übergangen worden sei und von dem sie behaupten, ihn zur Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellt zu haben: "E. R. als Zeugin zum Beweis der Tatsache zu laden, dass der Verstorbene K. G. anlässlich seiner Antragstellung am 18.12.1992 in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten gegenüber Frau K. die Frage, ob er Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezieht, bezogen oder beantragt hat, nicht selbst beantwortet hat, sondern diese Frage durch Frau K. für ihn verneint wurde". Sie legen zum Ergebnis der unterbliebenen Zeugenvernehmung dar, dass die Einvernahme der Zeugin ergeben hätte, sie sei bei der Antragstellung anwesend gewesen und der Versicherte sei auf den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung angesprochen worden. Sie bringen jedoch nicht einmal in der Beschwerdebegründung vor, die Zeugin hätte - wie im Antrag zum Ausdruck gebracht - bekunden können, der Versicherte habe hierauf keine Auskunft zur Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gegeben und Frau K. habe die Frage für ihn im Antragsformular verneint. Stattdessen benennen sie in der Beschwerdebegründung potenzielle Antworten auf Fragen an die Zeugin, die zwar im Zusammenhang mit ihrer Vernehmung hätten gestellt werden können, die sich jedoch nicht als unmittelbare Antworten auf die gestellte Frage und damit den Beweisantrag erweisen. So führen sie etwa aus, die Zeugin hätte vorbringen können, was die subjektive Vorstellung des Versicherten im Hinblick auf den rechtlichen Charakter und die rechtliche Bedeutung der von ihm bezogenen Unfallrente gewesen sei, er deswegen von der Mitarbeiterin der Vorgängerin der Beklagten die Auskunft erhalten habe, er solle es bei seinen Angaben im Antrag belassen und dass der Versicherte überzeugt gewesen sei, die fehlerhafte Rentenberechnung habe bei genügender Sorgfalt der Beklagten vermieden werden können.

Unabhängig davon, ob ein wie zuvor wiedergegebener Beweisantrag, der zwar das zu erwartende Ergebnis der Zeugenvernehmung mitteilt (vgl zu dieser Anforderung BSG Beschluss vom 13.8.2015 - B 9 V 13/15 B - RdNr 10 mwN), der nach dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung jedoch offensichtlich nicht zu dem behaupteten Ergebnis führen kann, nicht bereits die mit ihm verbundene Warnfunktion für das LSG verfehlen muss, genügt die Beschwerdebegründung auch der eingangs unter (4) benannten Anforderung nicht. Denn es mangelt an der Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, für die Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können ( BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 27.6.2003 - B 7 AL 2/03 B - juris RdNr 10; BSG Senatsbeschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - juris RdNr 6 mwN).

Zur Rechtsauffassung des LSG führen die Kläger aus, es sei davon ausgegangen, der verstorbene Versicherte habe eine falsche Angabe gemacht und die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheides gekannt. Selbst wenn man annehmen wollte, die Vernehmung der Zeugin hätte objektive und nicht nur subjektive Anhaltspunkte dafür ergeben, dass den Kläger kein Verschulden an den im Rentenantrag getätigten unrichtigen Angaben trifft, wäre dies allenfalls für den ersten vom Kläger als tragend benannten Gesichtspunkt der Rechtsauffassung des LSG von Bedeutung und beträfe nur den "Vertrauensausschlussgrund" des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X . Dazu, dass das von den Klägern im Beweisantrag behauptete Ergebnis der Vernehmung der Zeugin für den zweiten tragenden Grund des LSG, der Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Bescheides bzw der grob fahrlässigen Nichtkenntnis dieser 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X ) von rechtlicher Bedeutung sein könnte bzw das LSG zu einem anderen Ergebnis hätte veranlassen müssen, bringen sie nichts vor. Sie gehen nicht darauf ein, welche Bedeutung die Nichtbeantwortung der Frage nach der Unfallrente und die hierauf erfolgte "Verneinung" für die positive Kenntnis oder grobfahrlässige Nichtkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts haben könnte. Vielmehr leiten sie aus den weiteren potenziellen Bekundungen der Zeugin außerhalb des formulierten Beweisantrags her, nicht die vom Versicherten unterlassene Überprüfung des Rentenbescheides (mit dem Hinweis auf den rentenschädlichen Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung), sondern der von der Beklagten unterlassene Datenabgleich mit der Berufsgenossenschaft, den die Mitarbeiterin der Beklagten bei der Rentenantragstellung laut weiterer Bekundung der Zeugin angekündigt habe, sei ursächlich für die fehlerhafte Rentenberechnung. Auch könne die Zeugin bekunden, dem Versicherten hätte der "Fehler" zu seinen Gunsten bei sorgfältigem Lesen nicht auffallen können. Sie legen jedoch nicht dar, dass das LSG dem eingangs benannten Beweisantrag hätte entnehmen können, dass die Zeugin gerade hierzu hätte Angaben machen können.

Im Kern rügen die Kläger auch lediglich die ihrer Ansicht nach unzutreffende rechtliche Würdigung des LSG und stellen dieser ihre eigene entgegen, etwa wenn sie sich mit dem Verschuldensmaßstab auseinandersetzen. Dass die Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig halten, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO . Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Verfahren war § 193 SGG im Berufungs- und Beschwerdeverfahren nicht mehr anwendbar, weil der Beteiligtenwechsel auf Klägerseite bereits im Klageverfahren stattgefunden hat. Die Kläger wenden sich nicht in der Eigenschaft als Versicherte oder als Sonderrechtsnachfolger eines Versicherten 56 SGB I ), sondern als dessen Erben gegen die teilweise Aufhebung und Rückforderung der Altersrente. Sie fallen damit im Beschwerdeverfahren nicht mehr unter die Kostenprivilegierung nach § 183 SGG . Vielmehr werden die Kläger und die Beklagte vom Anwendungsbereich des § 197a SGG erfasst.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs 2 , § 52 Abs 1 und 3 , § 47 Abs 1 GKG . Der Antrag der Kläger betrifft einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in Höhe von 20 350,71 Euro als einen auf eine bezifferte Geldleistung bezogenen Verwaltungsakt.

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 23.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 3 R 473/15
Vorinstanz: SG Halle, vom 22.09.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 8 R 258/13