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BSG - Entscheidung vom 17.07.2020

B 1 KR 34/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 17.07.2020 - Aktenzeichen B 1 KR 34/19 B

DRsp Nr. 2020/12019

Erstattung entstandener Kosten und Übernahme zukünftiger Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. April 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger litt an einer depressiven Reaktion. Er befand sich deswegen ab Juli 2015 in psychotherapeutischer Behandlung bei der zur Versorgung Versicherter der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht zugelassenen Diplom-Psychologin G. Er ist mit seinem Begehren auf Erstattung bereits entstandener Kosten und Übernahme zukünftiger Kosten der psychotherapeutischen Behandlung durch die Diplom-Psychologin G. bei der Beklagten (Antrag vom 21.10.2015, ablehnende Entscheidung vom 23.10.2015, Widerspruchsbescheid vom 13.4.2016) und beim SG (Gerichtsbescheid vom 7.5.2018) erfolglos geblieben. Das LSG hat unter weitgehender Bezugnahme auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Dem Kläger stehe weder ein Kostenerstattungsanspruch noch ein Kostenübernahmeanspruch zu. Es fehle an einem dem Erstattungsanspruch zugrunde liegenden Naturalleistungsanspruch. Der Kläger habe nur Anspruch auf Versorgung durch Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten. Ein Systemversagen, das auch zur Inanspruchnahme anderer Leistungserbringer berechtigen könnte, liege nicht vor. Ausweislich der Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen sei der Landkreis Gießen mit psychotherapeutischen Leistungserbringern 2015 und 2016 nach der Zahl der Sitze deutlich überversorgt gewesen. Zudem hätte die Hälfte der Vertragspsychotherapeuten im Landkreis Gießen - statistisch betrachtet anhand der abgerechneten durchschnittlichen Behandlungszeiten - freie Kapazitäten gehabt. Auch wenn einzelne Vertragspsychotherapeuten angegeben hätten, dass sie den Kläger nicht oder erst nach einer mehrmonatigen Wartezeit hätten behandeln können, sei nicht erwiesen, dass der Kläger alles ihm Zumutbare unternommen habe, um sich die psychotherapeutischen Leistungen im GKV-Leistungserbringungssystem zu verschaffen. Die Angaben der KV Hessen seien damit nicht widerlegt (Urteil vom 18.4.2019).

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 f mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Der Kläger führt aus:

"Um es auf den Punkt zu bringen ist (…) zu bemängeln, dass lediglich eine Theorie respektive eine Statistik herangezogen wird, um eine Übernahme von Behandlungskosten begründbar zu machen. Vorliegend wäre es allerdings dringend notwendig, die Systemfrage dahingehend zu stellen und zu beantworten, dass die reine Statistik nicht ausschließlich zur Begründbarkeit heranzuziehen ist, sondern der Einzelfall in der Praxis auch zu berücksichtigen ist."

Der Kläger stellt damit keine Rechtsfrage, sondern greift nur die Beweiswürdigung des LSG an, um die inhaltliche Unrichtigkeit des LSG-Urteils in seinem Einzelfall geltend zu machen. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr, vgl BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18). Im Übrigen könnte auch eine Verfahrensrüge nicht auf den Verfahrensmangel einer Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

2. Der erkennende Senat sieht von einer weiteren Begründung ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 18.04.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 360/18
Vorinstanz: SG Gießen, vom 07.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 15 KR 155/16