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BSG - Entscheidung vom 13.01.2020

B 5 R 256/19 B

Normen:
SGB VI § 51 Abs. 3a
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

Fundstellen:
ZInsO 2020, 1604

BSG, Beschluss vom 13.01.2020 - Aktenzeichen B 5 R 256/19 B

DRsp Nr. 2020/2318

Erfüllung der Wartezeit für die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Höchstrichterlich bereits geklärte Rechtsfrage

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist – hier im Falle von Rechtsfragen zu den Voraussetzungen der Wartezeiterfüllung von 45 Jahren für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 51 Abs. 3a SGB VI und zur Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9. Juli 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGB VI § 51 Abs. 3a ; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger die Wartezeit von 45 Jahren für einen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte erfüllt. Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 9.7.2019 einen solchen Anspruch des Klägers verneint und seine Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Dresden vom 5.7.2017 zurückgewiesen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Der Kläger ist der Auffassung, dass auch Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung nach Betriebsteilschließung auf die Wartezeit von 45 Jahren anzurechnen sind. Er hält die Regelung in § 51 Abs 3a SGB VI für verfassungswidrig.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG , 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger formuliert als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung,

"ob im Rahmen des Tatbestandsmerkmals vollständige Geschäftsaufgabe eine Ungleichbehandlung im Vergleich zur teilweisen Geschäftsaufgabe und Betriebsteilschließung als Ursache für die Arbeitslosigkeit vorliegt" und

"ob die Betriebsteilschließung nicht von vornherein unter das Tatbestandsmerkmal der vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers zu subsumieren ist."

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger damit aus sich heraus verständliche Rechtsfragen zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen formuliert, an denen das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu BSG Beschlüsse vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15 und vom 4.4.2016 - B 13 R 43/16 B - RdNr 6; Becker, SGb 2007, 261 , 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Die Bezeichnung von abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfragen ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 15.4.2019 - B 13 R 233/17 B - juris RdNr 9; Becker, SGb 2007, 261 , 265; Krasney/Udsching/Groth, aaO, Kap IX RdNr 181).

Jedenfalls fehlt es an einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl Krasney/Udsching/Groth, aaO, Kap IX RdNr 183 mwN).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Das BSG hat bereits eine ganze Reihe von Entscheidungen zu den Voraussetzungen der Wartezeiterfüllung von 45 Jahren für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 51 Abs 3a SGB VI getroffen. Der Kläger zitiert lediglich die ersten beiden Urteile, die zu diesem Komplex ergangen sind ( BSG Urteile vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE 124, 58 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1 und - B 5 R 16/16 R -). Mit Urteil vom 28.6.2018 (B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2) hat der Senat in einer weiteren Entscheidung geklärt, dass der Bezug von Arbeitslosengeld nur dann durch eine "vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt" ist, wenn das gesamte Unternehmen des konkreten rechtlichen Arbeitgebers als Basis vorhandener Beschäftigungen wegfällt, dh die gesamte Unternehmensorganisation insbesondere durch Entlassung aller Arbeitnehmer, dh Beendigung sämtlicher Beschäftigungen, und Veräußerung oder sonstige Weggabe aller Sachmittel aufgelöst wird. Der Senat hat das zugrunde gelegte Verständnis von "vollständiger Geschäftsaufgabe" iS von § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Buchst a Teilsatz 3 SGB VI unter Berücksichtigung des Bedeutungsgehalts ähnlicher Wortverbindungen, nach Sinn und Zweck der Vorschrift und mit systematischen Erwägungen begründet (vgl BSG aaO RdNr 29 ff). Die Beschwerdebegründung befasst sich mit dieser Entscheidung nicht.

Soweit es dem Kläger um eine Klärung der Vereinbarkeit von § 51 Abs 3a SGB VI mit Verfassungsrecht geht, fehlt es ebenfalls an einem hinreichenden Vortrag. Leitet eine Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des GG ab, darf sie sich nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (stRspr, zB bereits BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Der Kläger macht geltend, er werde nach Auflösung nur eines Betriebsteiles gegenüber der Gruppe von Versicherten ungleich behandelt, deren Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist. Dass die Beschränkung auf die vollständige Geschäftsaufgabe nicht den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG verletzt, hat das BSG ebenfalls in dem vom Kläger nicht berücksichtigten Urteil vom 28.6.2018 bereits entschieden (B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 82 ff). Auch der 13. Senat des BSG konnte sich in zwei Urteilen vom 12.3.2019 nicht davon überzeugen, dass § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Teilsatz 2 und 3 SGB VI in der Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes verfassungswidrig ist ( BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 3 RdNr 30 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 5/17 R - juris RdNr 28 ff).

Schließlich fehlt es in der Beschwerdebegründung an einer hinreichenden Darlegung der (konkreten) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der aufgeworfenen Fragen. Der Kläger selbst trägt vor, dass er aufgrund der Schließung des Betriebsteils zum 31.12.2010 einen Aufhebungsvertrag geschlossen und im Anschluss daran, dh ab dem 1.1.2011 im Rahmen eines bis zum 31.12.2011 befristeten Arbeitsverhältnisses für eine Transfergesellschaft tätig geworden ist. Der 13. Senat hat in einer Konstellation, in der ein Versicherter zur Insolvenzabwendung in eine Transfergesellschaft wechselte und das "Transferarbeitsverhältnis" durch Fristablauf endete, entschieden, dass auch dann nicht die Wartezeit einer Rente für besonders langjährig Versicherte durch den Bezug von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn erfüllt ist (vgl BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 3, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Auch dazu enthält die Beschwerdebegründung keinerlei Ausführungen.

Soweit der Kläger in der Sache eine fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG geltend macht, kann auf eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 67 ).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 09.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KN 597/17
Vorinstanz: SG Dresden, vom 05.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 22 KN 1921/14
Fundstellen
ZInsO 2020, 1604